Zitat von DieDirekte: Dein (Ex-)Freund hat Bindungsangst schreibst du.
Tut er aktiv etwas gegen die Bindungsangst? Therapie, Beratung, bewusst an sich arbeiten?
Ich glaube nicht, dass er Änderungsbedarf bei sich zieht. Die Situationen, die die TE verursacht hat in seiner Sichtweise, haben ihn vertrieben. Ergo ist sie Schuld. Auch dass er in Aussicht stellt, in einigen Lichtjahren vielleicht doch wieder zusammen kommen zu können, falls sich was geändert haben sollte, bedeutet, dass sie diejenige ist, die sich ändern müsste.
Er ist der aktive Bindungsvermeider, der aktiv eine Beziehung sabottiert, indem er sich nicht an Absprachen hält, nicht verfügbar ist und sein Ding macht ohne die Partnerin einzubeziehen. Diese Verhaltensweisen sind symptomatisch. Aktive Vermeider brauchen immer das Gefühl völliger Freiheit und hassen alles, was Verbindlichkeit schafft, also Pläne und Absprachen. Sie vergesen auch gerne mal etwas oder haben es gar nicht wahrgenommen.
Ach, ich sollte mit zum Geburtstag von Tante Frieda kommen! Hatten wir darüber gesprochen? Ich kann mich nicht erinnern. -
Doch, doch, ich hatte es Dir doch zweimal gesagt! - Ach, muss ich wohl nicht zugehört haben, oder so. Jedenfalls habe ich an dem Samstag jetzt schon ein Treffen mit meinen Kumpels veinbart.
Physisch anwesend, psychisch aber eher abwesend sind auch kennzeichnend für solch wundervolle Beziehungen, denn das Thema Nähe wird sehr groß geschrieben, aber nur von einem der Partner.
Und wenn es ihnen dann zu anstrengend wird mit der klammernden Partnerin, dann erscheint die sogenannte Freiheit, also Bindungslosigkeit als das Non plus ultra. Und dann trennt man sich, vergisst aber nicht, der Partnerin die Schuld daran in die Schuhe zu schieben. Wäre sie anders gewesen, hätte sie sich anders verhalten, dann ...
Jedenfalls ist der aktive erst Mal erleichtert, weil er die Last der Beziehung, die mit Ansprüchen und Ewartungen der Partnerin einhergeht, was er gar nicht mag, nun abgeworfen hat. Einige Zeit später wird ihm dann bewusst, das etwas fehlt und dass ja manches doch recht schön war und dass er sich nun doch wieder einsam fühlt.
Das ist dann die Phase, wo er entweder bei der Ex. mal schaut. ob sie evt. noch verfügbar ist oder er schaut sich lieber gleich anderweitig um. Da war doch letzthin diese nette Lea mit den Locken, die ihm vielleicht gut gefallen könnte.
Das passende Gegenstück ist der passive Bindungsvermeider. Der geht nämlich sehr schlau vor und kommt sozusagen von hinten. Denn seine Taktik eine feste Beziehung zu vermeiden, besteht darin, dass er ja unbedingt eine feste Beziehung anstrebt. Eine richtige Beziehung mit Gebundenheit, Treue, Zuverlässigkeit und Geborgenheit. Er ist sich ganz sicher, dass er genau das möchte und sucht.
Ja, schöne Wünsche. Warum aber landet er dann immer wieder bei Partnern die ihre Versprechungen aus der Anfangsphase (so schön wie mit Dir war es noch nie, Du bist eine ganz besondere Frau für mich.... ) nicht halten können und wollen, weil sich in der Beziehung die Dinge halt geändert haben. Die anfängliche Euphorie lässt nach und der passive Vermeider fragt sich, was ist nur passiert?
Warum ist er so, warum hat dies und jenes nicht geklappt, warum fühle ich so viel Angst um ihn, warum tut er mir weh?
Dahinter steckt auch Bindungsangst, die aber ganz gegensätzlich ausgelebt wird. Der aktive Vermeider handelt und boykoittiert Nähe und Vertauen aktiv und der passive ist der wartende, geduldige Teil, der noch für alles Entschuldigungen findet und versucht, das Schiff auf Kurs zu halten.
Dahinter steckt das Unterbewusstsein, das verankert hat, dass Bindungen gefährlich sind und vermieden werden müssen. Und so kommt es zu dieser Diskrepanz. Auf der bewussten Ebene will er eine Beziehung con tutto, aber das Unterbewusstsein sagt oh nein, Bindungen tun weh und halten eh nicht, und lenkt den Menschen zu genau den Partnern, die für eine feste Beziehung nicht geeignet sind.
Oft ist ja ein Muster erkennbar. dass sich Beziehungsmodelle im Lauf des Lebens wiederholen. Und diese Wiederholungen sind Hilferufe der Seele, die sagt, kümmere Dich doch bitte mal um mich und räume in Dir auf. Da liegt so viel im Argen, aber Du nimmst mich ja gar nicht wahr, Also führe ich Dich in Wiederholungen, immer in der Hoffnung, dass das innere Drama dieses Mal gelöst wird. Passiert bloß nicht, wenn man nur einer Beziehung in die nächste hoppelt, weil man sich wieder einen sucht, der nicht beziehungsfähig ist. Das Unterbewusstsein bestimmt die Partnerwahl und so wird unbewusst ein Partner gesucht, bei dem man schon wittert, dass es wahrscheinlich keine Beziehung auf Dauer wird.
Aktive und passive kommen zusammen, obwohl beiide dieselbe Krankheit haben. Sie haben erfahren, dass Bindungen weh tun, schmerzhaft enden und besser vermieden werden sollten. Das ist die Meinung des Unterbewusstseins. Aber da ist natürlich doch der große Wunsch nach Liebe, Geborgenheit, Zuneigung, Wärme usw, der auf der bewussten Ebene wahrgenommen wird.
Sie passen eigentlich perfekt zusammen, wenn nur diese verdammten inneren Ängste nicht wären.
Der Passive ist ja so geduldig, opferbereit, nachsichtig und hält den Beziehungskarren halbwegs auf Kurs. Er gibt sich Mühe, sieht oft die Schuld bei sich und ist meist nachgiebig. Hauptsache, der schöne Zustand von Nähe und Übereinstimmung ist wieder spürbar, dann ist er wieder glücklich, auch wenn er irgenwann weiß, dass dieser Idealzustand nicht von Dauer sein wird.
Bindungsängsten ist schwer beizukommen. Sie sind tief verankert und um einen Schritt weiter zu kommen, muss man sich seines Verhaltens erst Mal bewusst werden. Wie verhalte ich mich in Beziehungen, was spüre ich, was möchte ich gerne erreichen und womit mache ich doch wieder so viel kaputt? Das hat natürlich Ursachen, die oft in der Kindheit zu suchen sind. Erfährt das Kind bei wichtigen Bindungen Unsicherheit, mangende Liebe oder muss es Verluste wichtiger Bezugspersonen verkraften, so ist das oft der Nährboden von Beziehungsängsten.
Beide sind im Boot, nur der eine steuert und der andere sitzt daneben und schaut mehr oder weniger hilflos zu, wohin das alles drittet.
Mit Ursachenforschung kann man schon ein wenig weiter kommen und begreifen, dass diese inneren Ängste eigentlich nicht real sind, sondern den Menschen um wichtige Dinge wie stabile Beziehungen bringen.
Bindungsvermeider sind nicht selten Chamäeons. Sie können in einer Beziehung den aktiven Part übernehmen, in einer anderen den passiven. Hauptsache, das Unterbewusstsein lehnt sich entspannt zurück und sagt sich, soll sie sich doch abarbeiten, ich bin sicher, denn es gibt gar keine Beziehung.
Wenn dann einer kommt, der Interesse zeigt, wird er nicht selten vertrieben oder als unattraktiv eingeordnet. Nein, der Norbert ist mir echt zu langweilig, zu reizlos. Der täte zwar wollen, aber ich empfinde nichts für ihn. Er hat dann halt Pech. Aber der spannende Sven ist ein ganz anderes Kaliber. Oh, der ist interessant und wirkt so tiegründig und geheimnisvoll. Den würde ich gern näher kennenlernen. Zwei Jahre später sagt man sich, dass man damals mit Norbert vielleicht besser gefahren wäre. Aber der hat nun eine andere.
Kommt Dir das bekannt vor, liebe TE. Dann bist Du mit im Boot und darst Dich mit Bindungsängsten rumschlagen. Mit Deinen, nicht mit seinen. Dem aktiven geht es ja meistens gut, er sieht keinen Änderungsbedarf. Schuld ist die TE und er fühlt sich wieder wohl, so unabhängig und ohne Gejammer, und Geschrei, ohne enttäuschtes Gesicht und traurige Augen der Partnerin, ohne Vorwürfen und Klagen..
Der passive ist meist eher bereit, sich den inneren Dämonen zu stellen, da er mehr leidet und daher eher Änderungsbedarf sieht.
Wenn Du oft an Partner gerätst oder Interesse an Männern verspürst. die für eine Beziehung nicht in Frage kommen, ist das ein deutliches Indiz. Ach, der Peter aus der Buchhaltung würde mir gefallen, aber der ist ja schon vergeben. Der Thomas, den ich letzthin kennengelernt habe, ist zu jung für mich, der würde mir nicht bleiben. Später kommt dann Paul, der aber wiederum zu alt ist. Sebastian hat schon viele gescheiterte Beziehungen hinter sich. Da weiß ich eigentlich gleich was mir mal blüht, aber interessant wäre er schon ....
Eine Lösung des Dilemmas kann nur durch Arbeit an sich selbst erreicht werden, durch Zurückschauen auf das was war und auch dadurch, dass manch unliebsame Sache aufs Tablett kommt, die wieder nur weh tut. Dann ist vielleicht irgendwann doch eine Beziehung möglich, die hält und die man auch aushält.
Mein Therapeut sagte mir damals, dass Bindungsängste nur schwer heilbar sind und mit ein paar Sitzungen ist es nicht getan. Der Patient muss in die Ursachen zurück gehen und das wird oft vermieden, weil es Angst macht und obendrein schmerzhaft ist auch traurig macht, ehe es vielleicht besser wird..
Dass nicht nur der, wegen dem ich beim Therapeuten nach einer Trennung war, bindungsgestört ist, sondern dass ich es auch bin, es nur anders auslebe, begriff ich erst viel später.