Kennt ihr das auch? Ich habe endlich das Gefühl, keinen Partner mehr haben zu müssen. Ich habe in den letzten acht Wochen so viel getan, damit es mir besser geht, so viel in meinem Leben umgestellt, verändert und auch erreicht. Trotz kleiner Rückfälle, die mich wiederum auch voran gebracht haben, war ich zufrieden und glücklich. Ich habe seit Weihnachten nicht mehr geweint.
Dann die Einbrüche von anderer Seite: Ich habe meine Oma besucht und sie hat mich nicht mehr wiedererkannt. Sie kann auch nicht mehr antworten. Ganz selten sagt sie noch etwas, was aber keinen Zusammenhang hat. Das hat mich sehr getroffen, wenn gleich sie schon 99 ist und ein schönes und gesundes Leben hatte. Sie ist immer zufrieden, glücklich und ausgeglichen gewesen. Sie hatte eine große Familie. Und auch jetzt hat sie keine Schmerzen. Dennoch habe ich sie jetzt verloren bzw. ihren klugen Geist. Ihr Körper ist noch da.
Und was noch viel Schwerwiegender ist, was ich kaum in Worte fassen kann, ist meine Angst, dass mein Vater bald stirbt. Er war die letzten zwei Tage bei mir zu Hause, wir haben mein neues Schlafzimmer abgeholt und aufgebaut. Gerade ist er wieder gefahren. Er ist schon seit längerem krank. Er hat eine Krankheit, an der man nicht stirbt, die aber ein Kennzeichen seiner ungesunden Lebensweise ist, die wiederum dafür sorgen kann, dass man stirbt. Gestern Abend haben wir mit mehreren meiner Freundinnen und Nachbarn zusammengesessen und sie haben zu mir, aber auch zu ihm gesagt, dass er so schlecht aussieht, dass er so viel abgenommen hat usw. Ich merke das ja auch. Er war sonst sehr kräftig und muskulös. Nun sind 15 kg im letzten halben Jahr von den Tabletten und den OPs verloren gegangen. Viele schwere Teile des Schlafzimmers musste ich fast alleine tragen. Ich bin jetzt stärker als er. Und das macht mir so Angst. Seit dann auch noch andere Leute das gestern so offen ausgesprochen haben, musste ich mich so zusammenreißen gestern und heute, um nicht vor ihm loszuheulen. Er hat auch die ganze Zeit gefragt: Was ist denn los? Ist was? Sonst reden wir viel und haben eher ein lustiges Verhältnis, aber ich konnte einfach nicht mehr. Jetzt ist er gefahren, jetzt heule ich.
Ich würde lieber mein ganzes Leben ohne Mann verbringen, nur Pech in der Liebe haben, keine Kinder bekommen, wenn ich dafür meinen Vater noch lange behalten könnte. Wenigstens noch 20 Jahre brauche ich ihn. So wie er jetzt ist, nicht verändert. Ich brauche dann wirklich niemand anderen und kann auf alles verzichten.
Es ist so kindisch, nicht wahr? Sich so was zu wünschen? Wie verbringt man jetzt die Zeit am Besten mit meinem Vater, meiner Oma, damit man nichts bereut, damit man loslassen kann?
17.08.2016 12:07 •
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