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Die Abwehr

D
Hallo zusammen. Ich beobachte viele Mitmenschen in meinen umfeld, sei es Kollegen , Freunde oder Bekannte , die in meinem Augen vor eigenen Themen wegrennen und eigene Probleme abwehren. Sie werden in meinen Augen dabei immer unberechenbarer , Verletzender , egoistischer je näher sie der eigenen Problematik nahe kommen , vor der sie wegrennen. Natürlich ist dies eine Beobachtung und Annahme von mir. Sei es ein Kollege der unbedingt einen Chefposten will , den er nicht bekommt und es an anderen auslässt und dabei immer mehr um sich schlägt. Oder der Freund der aus puren Egoismus versucht jeden zu manipulieren damit er jetzt genau das bekommt was er will. Ein anderes bsp ein freund der eigentlich in meinem Augen sehr sozial und tiefgründig ist aber wenn er mit seinen Ängsten und Gefühlen in Berührung kommt Manipulativ und verletzend ist . Wie kommt es zu den zwei Seiten in den Personen. Oder gibt es keine zwei und die nette Seite ist gespielt ? Sie kommen der wahrheit immer näher und wollen diese nicht annehmen und deshalb müssen sie dagegen ankämpfen. Kann man das langfristig aufrechthalten? Woher kommt dieser Egoismus und diese Unberechenbarkeit ? Ich hoffe ich konnte hier das rüber bringen was ich damit sich sagen wollte

18.10.2020 06:53 • #1


J
Zitat von dämonen:
die in meinem Augen vor eigenen Themen wegrennen und eigene Probleme abwehren.

Tja, jeder entscheidet selbst, wann er sich mit eigenen Themen oder Problemen auseinandersetzt.

Zitat von dämonen:
immer unberechenbarer , Verletzender , egoistischer je näher sie der eigenen Problematik nahe kommen , vor der sie wegrennen.

Ignoranz, Fragilität, Kontrolle

Zitat von dämonen:
Wie kommt es zu den zwei Seiten in den Personen. Oder gibt es keine zwei und die nette Seite ist gespielt ?

Menschen handeln motivintransparent (also manipulieren andere), wenn sie der Meinung sind, dass ihre Bedürfnisse von anderen nicht auf dem normalen Weg befriedigt werden. Statt direkt zu sagen ich möchte dieses oder jenes, werden bestimmte Bilder von sich selbst kreiert, die mit bestimmten Appellen an das Umfeld verbunden sind. Dabei spielen auch Schemata eine wichtige Rolle, die die Betroffenen über sich selbst und das soziale Miteinander haben. So kriegen sie von hinten durch die Brust ins Augen evtl. doch, was sie wollen und das Umfeld merkt nicht mal, was das eigentliche Motiv ist. - Man lese nach bei Rainer Sachse unter dem Stichwort Doppelte Handlungsregulation.

Beispiel: Narzisstische Menschen haben ein chronisches Defizit an Anerkennung, Solidarität und Wichtigkeit. Anstatt dies direkt von ihren Mitmenschen zu bekommen, kreieren Sie das Selbstbild des erfolgreichen, selbstbewussten Machers, der alle schaffen kann und ach so super toll ist. In dem sie anderen - egal ob die das wollen oder nicht - ihre Erfolge und Leistungen bzw. ihre Großartigkeit ständig unter die Nase reiben, versuchen sie auf diese Weise die Anerkennung zu bekommen, die sie eigentlich haben möchten.

Zitat von dämonen:
Sie kommen der wahrheit immer näher und wollen diese nicht annehmen und deshalb müssen sie dagegen ankämpfen. Kann man das langfristig aufrechthalten?

Nein - Menschen, die sich in der beschriebenen Art und Weise verhalten, sind meistens noch meilenweit von der Wahrheit entfernt. Sie haben ihre eigene Sicht der Welt, in der in der Regel die anderen Schuld sind - auch wenn man selbst immer wieder an die selben Wände rennt. Das eigene Verhalten ist Ich-synton. Die Grundlage sind meistens schon frühe Bindungstraumatisierungen, die - solange sie nicht bewusst erkannt werden - immer wieder wiederholt werden. So erhält sich der Prozess entsprechend langfristig aufrecht.

Zitat von dämonen:
Woher kommt dieser Egoismus und diese Unberechenbarkeit ?

Wenn man mich fragt, war unsere westdeutsche Gesellschaft immer schon eher eine, die die Ellenbogen ausfährt. Da muss ich den ostdeutschen Mitbürgerinnen und Mitbürgern mal uneingeschränkt Recht geben. Das hängt meines Erachtens auch mit über Generationen tradierten und nicht bedürfnisorientierten Erziehungsstilen zusammen. Die Folgen sind Kinder und Enkel, denen im Zuge transgenerationaler Übertragung das Trauma der Großeltern und Eltern mitgegeben wird. Hinzu kommt etwa das Helikopter-Verhalten vieler Eltern, die ihren eigenen Selbstwert nur noch über die Kinder regulieren können. Die Kinder werden narzisstisch besetzt und so wird die nächste Generation kleiner Egomanen gezüchtet. Das Ergebnis sind dann genau die Beobachtungen, die Du, liebe TE, hier berschreibst.

18.10.2020 08:43 • x 14 #2


A


Die Abwehr

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Zitat von jaqen_h_ghar:
Die Folgen sind Kinder und Enkel, denen im Zuge transgenerationaler Übertragung das Trauma der Großeltern und Eltern mitgegeben wird. Hinzu kommt etwa das Helikopter-Verhalten vieler Eltern, die ihren eigenen Selbstwert nur noch über die Kinder regulieren können

Erstmal danke für diese Antwort. Die ist wirklich sehr interessant und aufschlussreich. Ich habe nochmal zwei Fragen dazu. Wie gibt man das Trauma über Generationen weiter ? Meinst du mit dem Verhalten in der Erziehung der Kinder was man unbewusst weiter gibt ? Und wie kann man seinen Selbstwert über Kinder regulieren ? Und dann noch eine Anmerkung , ich beschäftige mich damit weil ich die Auswirkungen zu spüren bekomme. Ich wehre mich dann schon aber ich Frage mich natürlich auch woher kommt solch ein Verhalten weil man es in den Moment einfach nicht versteht.

18.10.2020 09:00 • #3


J
Zitat von dämonen:
Wie gibt man das Trauma über Generationen weiter ?

Über z.B. Glaubenssätze, also individuellen Ansichten über das Leben, die von einer Generation an die nächste weitergegeben werden. Es gibt auch sekundäre Traumatisierung, bei der die traumatisierte Generation durch ihre Schilderungen des Erlebten oder ihr traumareaktives Verhalten ein weiteres Trauma (unbewusst) bei den jenigen erzeugt, die diese Schilderungen hören bzw. das Verhalten der vorherigen Generation erleben.

Zitat von dämonen:
Meinst du mit dem Verhalten in der Erziehung der Kinder was man unbewusst weiter gibt ?

Beispiel: Meinen Großeltern väterlicherseits wurde nachweislich zur Hochzeit nicht nur die Schmähschrift des später selbsterannten größten Feldherrn aller Zeiten, sondern auch das Erziehungshandbuch von Johanna Harrer überreicht. Frau Harrer hat die bereits bekannten Prinzipien der schwarzen Pädagogik im Sinne der NS-Idelogie interpretiert und damit dem Regime einen Bärendienst erwiesen. In diesem Sinne wurden mein 1940 geborener Vater und seine 3 älteren Schwestern erzogen. Mein Vater, der sich desssen bis heute in keiner Weise bewusst ist (und es in diesem Leben auch nicht wird), praktizierte diese Art der Erziehung 1:1 bei meiner Schwester und mir. Ergo: Erst die zweite Generation ist in der Lage, das Trauma zu erkennen und ggf. was dagegen zu tun.

Zitat von dämonen:
Und wie kann man seinen Selbstwert über Kinder regulieren ?

Mein Selbstwert als Eltern hängt ganz wesentlich von dem ab, was meine Kinder erreichen. Daher suggeriere ich ihnen schon möglichst früh, wie toll, super und einzigartig sie doch sind. Weiterhin tue ich alles, damit meine Kinder nicht am Erreichen der Ziele, die ich für sie schon gesteckt habe, gehindert werden. Das sieht dann z.B. so aus, dass ich mich permanent in das einmische, was ich als den verfehlten Bildungsauftrag der Schulen wahrnehme. Ich schreibe Mails, in denen ich mich über das subjektive wahrgenommene Unrecht bei jedem - hinauf bis zum Kultusminister - beschwere. Ich lege mich bei Gelegenheit mit den Lehrer und der Schulleitung an - notfalls Kraft meiner Rechtschutzversicherung auch über den Anwalt, wenn mein Kind nicht die Noten bekommt, die es meiner Meinung verdient hat. Ferner nehme ich meinem Kind all diese lästigen Alltagsdinge ab, die es davon abhalten könnten, die Ziele zu erreichen, die ich schon bestimmt habe. Im Extremfall ziehe ich dann z.B. mit der gesamten Familie an den Studienort des Nachwuchses, um damit die Unselbstständigkeit der eigenen Brut noch weiter zu unterstützen. Wenn dann endlich meiner kleiner Narziss den Bachelor gemacht hat, bin ich natürlich der/die Stolzeste von allen und mein eigener Selbstwert geht durch die Decke. - Reicht das?

Zitat von dämonen:
ch Frage mich natürlich auch woher kommt solch ein Verhalten weil man es in den Moment einfach nicht versteht.

Das wird im Einzelfall auch immer schwer zu beantworten sein. Ich habe hier ein paar Hypothesen in den Raum gestellt, von denen ich glaube, dass sie in vielen Fällen Deine Beobachtungen erklären können.

18.10.2020 09:17 • x 6 #4


C
Zitat von dämonen:
Wie gibt man das Trauma über Generationen weiter ? Meinst du mit dem Verhalten in der Erziehung der Kinder was man unbewusst weiter gibt ?



Also bezogen auf Vererbung von Trauma, hab ich hier was ganz Interessantes gefunden:

https://www.google.com/amp/s/www.planet...ng-100.amp

18.10.2020 09:18 • x 1 #5


C
Zitat von jaqen_h_ghar:
Johanna Harrer



Boah, allein bei dem Namen kommt mir die Galle hoch. Hab letztens einen Beitrag über ihre Tochter gesehen, gibt es bestimmt auch auf Youtube oder anderen Mediatheken. Wenn ich es finde, stelle ich es mal hier herein, wenn es gewünscht ist

18.10.2020 09:21 • x 1 #6


J
Zitat von Cathlyn:
Also bezogen auf Vererbung von Trauma, hab ich hier was ganz Interessantes gefunden:
https://www.google.com/amp/s/www.planet...ng-100.amp

Jepp - danke!

Das ist die biologische Grundlage der Weitergabe von Traumata - also Epigenetik, hier am Beispiel des Groomings bei Mäusekindern. Ist bereits die Mausmutter traumatiert und groomt ihre Kinder weniger als andere Artgenossinen, sind diese weniger gegroomten Mäusekinder später weniger stressresistent. Grooming - Fellpflege durch Ablecken, stärkt die Bindung wie z.B. das gegenseitige Lausen bei Affen.

Kann man auch noch weiter nachlesen bei Joachim Bauer: Das Gedächnis des Körper.

18.10.2020 09:22 • x 2 #7


G
Zitat von jaqen_h_ghar:
Jepp - danke!

Das ist die biologische Grundlage der Weitergabe von Traumata - also Epigenetik, hier am Beispiel des Groomings bei Mäusekindern. Ist bereits die Mausmutter traumatiert und groomt ihre Kinder weniger als andere Artgenossinen, sind diese weniger gegroomten Mäusekinder später weniger stressresistent. Grooming - Fellpflege durch Ablecken.

Kann man auch noch weiter nachlesen bei Joachim Bauer: Das Gedächnis des Körper.



Ich kann den Link leider nicht öffnen, las aber mal einen sehr interessanten Artikel über Wölfe. In diesem hieß es, dass Wölfe über Generationen hinweg das menschengemachte Trauma an ihre Nachkommen vererbten und da schon einige weitere Generationen, die Traumakonfrontation (Feuer, Jagd etc) fehlte, die nachfolgenden Wölfe ihre erblichen Traumata verloren, dh die Scheu weitestgehend vor Menschen, Feuer, ihren Wohnorten verloren.
Schätze, so was ist so gut wie 1zu1 auf Menschen übertragbar.

Kannst Du mir beantworten, wie es mit Vulnerabilität und Resilienz aussieht, ist das ähnlich?

18.10.2020 09:32 • #8


C
Zitat von GemEinsam:


Ich kann den Link leider nicht öffnen, las aber mal einen sehr interessanten Artikel über Wölfe. In diesem hieß es, dass Wölfe über Generationen hinweg das menschengemachte Trauma an ihre Nachkommen vererbten und da schon einige weitere Generationen, die Traumakonfrontation (Feuer, Jagd etc) fehlte, die nachfolgenden Wölfe ihre erblichen Traumata verloren, dh die Scheu weitestgehend vor Menschen, Feuer, ihren Wohnorten verloren.
Schätze, so was ist so gut wie 1zu1 auf Menschen übertragbar.

Kannst Du mir beantworten, wie es mit Vulnerabilität und Resilienz aussieht, ist das ähnlich?


Musst den Linken von meinem Beitrag direkt anklicken. Der im Zitat geht nicht, warum auch immer

18.10.2020 09:39 • x 1 #9


G
Zitat von Cathlyn:

Musst den Linken von meinem Beitrag direkt anklicken. Der im Zitat geht nicht, warum auch immer



Danke

18.10.2020 09:43 • #10


D
Zitat von jaqen_h_ghar:
Nein - Menschen, die sich in der beschriebenen Art und Weise verhalten, sind meistens noch meilenweit von der Wahrheit entfernt

Allerdings sehe ich schon eine Art des zuspitzens im Verhalten weil dies früher so nicht war. Im Umkehrschluss muss das heissen dass etwas nicht so läuft wie man es sich ja wünscht. Und wie lange kann man dies aufrecht halten ? Natürlich jeder Fall ist anders aber ein Leben lang kann das doch nicht funktionieren..

18.10.2020 09:57 • #11


DieFrau
Warum hast du ein Bedürfnis Menschen zu verändern? Selbst wenn du helfen möchtest, sie sollen um Hilfe bitten wenn sie bereit für die Veränderung sind.

Wenn das doch nur eine Beobachtung ist und du dich nicht einmischst, dann ist die Antwort - weil es viel bequemer ist zu leugnen als sich auseinanderzusetzen. Selbstlüge ist einfacher als Selbstreflexion.

18.10.2020 10:03 • #12


D
Ich habe kein Bedürfnis zu ändern sondern in erster Linie es zu verstehen. Ganz einfach weil mir am manchen etwas liegt. Wie zum Beispiel an den Freund. Und wenn man es dann versteht kann man evtl helfen. Aber in erster Linie geht es um das verstehen. Abgesehen davon bin ich auch so daran interessiert nachvollziehen zu können was in meiner Generation gerade die Probleme sind um nicht selbst in so eine Falle zu tappen

18.10.2020 10:09 • x 1 #13


C
Zitat von dämonen:
Ich habe kein Bedürfnis zu ändern sondern in erster Linie es zu verstehen. Ganz einfach weil mir am manchen etwas liegt. Wie zum Beispiel an den Freund. Und wenn man es dann versteht kann man evtl helfen. Aber in erster Linie geht es um das verstehen. Abgesehen davon bin ich auch so daran interessiert nachvollziehen zu können was in meiner Generation gerade die Probleme sind um nicht selbst in so eine Falle zu tappen



Naja, es gibt in jeder Generation solche Leute....meist aufgrund der vorherigen Generation, die etwas nicht oder falsch verarbeitet hat.

18.10.2020 10:13 • #14


D
Zitat von Cathlyn:


Naja, es gibt in jeder Generation solche Leute....meist aufgrund der vorherigen Generation, die etwas nicht oder falsch verarbeitet hat.
da geb ich dir Recht.

18.10.2020 10:15 • #15


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