Zunächst mal Julia Roberts und Richard Gere in Pretty Woman. Das ursprüngliche Drehbuch war ein Drama, indem sie am Ende von ihm nach getaner Arbeit vor die Tür gesetzt wird und wieder in der Gosse landet.
Das allerdings hat Disney (der finale Geldgeber) dann natürlich so nicht haben wollen und kurzerhand aus dem Drama eine Liebeskomödie gemacht, die dann auch noch ein Riesenhit wurde, weil sie zum einen, siehe 50 Schattierungen von ich will gerettet werden und lasse mich dafür auch gern ein bißchen hauen, das Klischee bedient, daß eines Tages DER Partner aufkreuzt und dann ist alles wieder gut und zum anderen durch einen etwas brauchbaren Soundtrack glänzte.
Der Rest des Filmes ist wirklich Käse und ähm, nachdem der Typ dann also das einzige Opfer bringt, was ihm möglich ist, nämlich für sie seine Höhenangst überwindet, fahren die dann glücklich und zufrieden in einer Strechlimo in die Zukunft.
Schon mal drüber nachgedacht, warum es da nie ne Fortsetzung gegeben hat? Weil die Geschichte auserzählt ist. Ende. Wenn so, dann bleibt eigentlich nur, es Julia und Romeo gleichzutun, weil alles andere in der Entzauberung enden muß.
Also wenn Pretty Woman der Maßstab ist, dann brauchst Du nen Typen, mit einem Auto, daß er nicht fahren kann, a bissl an Geld hat und jeder Menge Höhenangst, die er dann Deinetwegen überwindet.
Kommen wir aber zurück zum Thema:
Mhm, da ist also ein passabler Typ, nur der is immer ein bissl genervt von Deinem Kind und ansonsten kann der super gut Grenzen setzen, was dazu führt, daß ihr zwar Sachen macht, die ihm Spaß machen, aber bei Deinen Sachen macht er nicht mit.
Dann hast Du den mal vor die Tür gesetzt, daraufhin hat er lehrbuchmäßig mit weichem Kern reagiert und jetzt läuft es in bekannten Fahrwassern weiter, so als wäre nie was gewesen.
Daraufhin fragst Du Dich, völlig zu Recht wohl gemerkt, ob das jetzt so wirklich das ist, was Du willst. Und von irgendwo kommt dann die hübsche Nebelbombe, naja gibt es Perfektion, was ist gut und sollte Frau sich nicht einfach mit gut genug zufrieden geben.
Fangen wir mit dem relativ Leichten an: Gegenfrage, warum sollte sich irgendwer mit gut genug zufrieden geben?
Antwort: naja, vielleicht gibt es ja keine Perfektion. Vielleicht muß gut genug reichen.
Gegenfrage: ähm ok, wofür reichen?
Antwort: naja für eine Beziehung halt, weil...
Frage: weil?
Antwort: weil man ja sonst keine Beziehung haben kann.
Fazit: Die Angst vorm Alleinsein, die Angst neu anfangen zu müssen und die Angst, daß der Spatz in der Hand tatsächlich besser ist als die Taube auf dem Dach, all diese Ängste sind wirklich menschlich, sie sind normal und sie sind sehr nachvollziehbar. Eins sind sie aber nicht: gute Ratgeber.
Also die Pretty Woman/Traumtyp Nummer haben wir jetzt geklärt. Schon in Ordnung, das die Ängste da sind, aber eigentlich verhindern sie so ein bißchen den Blick auf das echte Problem.
Zurück zur Ausgangslage. Ich finde all das, was @udi74 geschrieben hat und zwar jeden Beitrag trifft es schon sehr gut. Zwei Punkte würde ich noch mal aufgreifen wollen.
Irgendwo schreibst Du, daß Du Opfer für die Beziehung bringst und er nicht. Schau, wenn man noch mal ganz genau hinschaut, dann ist das ja so eine Sache. Opfer werden erbracht ohne Erwartung von Gegenleistung. Sprachlich betrachtet, erbringst Du keine Opfer, sondern Du opferst Dich auf.
Da ist zum einen fehlgeleitetes Verständnis von Kompromissbereitschaft und zum Zweiten Dauer dessen, was dazu führt, daß Du Dich wie ein Opfer fühlst.
Mütter opfern sich für Kindern auf, Lehrer für Schüler. In einer Paarbeziehung auf Augenhöhe ist so etwas extrem schwierig.
Du hast völlig Recht, wenn Du sagst, es bringt nichts, wenn nur einer an der Beziehung arbeiten will. Gleichzeitig wurde auch gesagt, daß für ihn ja im Moment alles eh gut ist, wie es ist.
Siehst Du den Widerspruch? Im Moment bleibt zunächst auch echt unklar, ob er nicht doch dran arbeiten wollen würde, nur sein Problemverständnis ist (trotz Schlussmachens) nicht so wahnsinnig aktiv.
Woran es scheinbar fehlt, ist offene Kommunikation.
Und ja, Du hast Recht Schluss machen nur damit er dann mal wieder den weichen Kern hervor bringt, ist nun wirklich keine Dauerlösung.
Aber Kommunikation, also die echte, könnte es schon sein. Das setzt aber gedanklich gesehen zwei Dinge voraus,
Du weißt wirklich, was Du willst und Du darfst nicht wieder auf das Spatz-Taube-Problem hereinfallen.
Harter Tobak? Ein bißchen, aber warte mal: es geht nicht darum, daß Du dem knallhart ein Ultimatum setzt und (!), auch wenn jetzt der Aufschrei durch die Menge geht, es ist völlig legitim, zu dem Schluss zu kommen, ich will nicht nur, daß Du meinetwegen Kompromisse eingehst, ich will auch, daß ich Dich nicht jedes Mal drauf hinweisen muß. Hey, ja das darfst Du!
Was nicht so gut funktioniert, ist immer wieder seinetwegen etwas zu machen und dann stillschweigend dazusitzen und zu denken, er müßte doch sehen, daß...
Das ist weder besonders zielführend noch besonders nett. Geht essen, setz ihn auf den Hosenboden und erklär ihm, daß Du Dir, das anders vorstellst. Erklär ihm auch, daß Du das Gefühl hast, ihr macht nur Dinge, die ihm gefallen und das sich da was ändern muß. Frag ihn dann, wie er sich das vorstellt, daß Änderung funktioniert.
Will sagen, hör auf diejenige zu sein, die das Problem kommen sieht und vorab, ohne mit ihm darüber zu reden, löst. Sei diejenige, die sich Gedanken gemacht hat über das Problem, benenne es und beziehe ihn in die Lösung mit ein.
Falls reden nicht so sein Ding ist, fand ich den Vorschlag erst einmal Dein Ding zu machen ziemlich gut. Er will auf ein Konzert? Behaupte, Du hast etwas anderes vor...
Und nochmal nicht wieder auf Spatz und Taube hereinfallen. Ja, es tut mir sehr leid, aber ich mag das nicht beschönigen, offene Kommunikation könnte dazu führen, daß der Spatz davonfliegt.
Das Ding ist nur, die Entscheidung ob Spatz oder Taube liegt ganz allein bei Dir. Die kann Dir niemand abnehmen. Aber Du schreibst hier, hast den Mut gefunden zu schreiben, also ist da was. Natürlich können und dürfen die oben beschriebenen Ängste eine Rolle spielen. Wenn Dir wichtiger ist, mit jemandem zu sein, wenn Du zum Schluss kommst, daß Du zufrieden genug bist, dann ist das genauso Lösung. Nur dann, mußt Du Dich selbst eben auch in der Beziehung an dieser Lösung festhalten lassen.
Es offen anzusprechen, birgt Risiken. Bevor Du Dich also weiter als Opfer siehst, entscheide, was Dir wichtig ist.
Zweitens: @udi74 hat auch etwas angesprochen, was mich schon beim Lesen heute Vormittag bewegt hat. Das oben Gesagte gilt für Partnerschaft.
Bitte bedenke Dein Kind. Ich tue mich da immer etwas schwer, mit Kommentaren, weil sich meine Erfahrung auf das Kindsein beschränkt. Niemand erwartet von Dir, perfekt zu sein. Eltern sind eben auch nur Menschen. Aber vergiss nicht, aus Kinderperspektive, sind Eltern deutlich mehr als das. Das mag nicht fair sein, aber es hilft nichts. Andererseits sind Kinder auch die verlässlichsten Seismographen, die es gibt.
Ich kann wirklich verstehen, daß die Situation keine tolle ist, aber vielleicht ist es wirklich an der Zeit, dem mal ganz klar zu sagen, Schöner, ich mag Dich ja wirklich, aber wir haben ein Problem. Das ist das Problem, was machen wir denn jetzt?
Weißt Du warum? Weil man es sich selbst wert ist, eh klar. Aber eigentlich, weil es nur einen geben sollte, für den Opfer bringst. Nur einen gibt, der daraus lernt, dessen Weltbild sich verändert. Für immer. Dein Kind.
Ich wünsche Dir ganz viel Klarheit und Mut. Und glaub mir, Du kannst das!
23.10.2017 18:24 •
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