Ich weiß, dass es hier weit schlimmere und ernstere Trennungsgeschichten gibt als meine zweimonatige Kurzzeitverliebtheit. Und doch sitze ich jetzt am Tag nach der Trennung heulend in meiner Wohnung und weiß nicht wie ich das Gefühl der Leere anders füllen kann als damit alles aufzuschreiben.
Meinen Traumprinz lernte ich online kennen. Zu dieser Zeit machte ich einen längeren Auslandsaufenthalt und wollte wohl schon etwas vorbauen.
Ich sah ihn und wusste sofort, dass das der Mann ist, den ich wollte. Auch er zeigte sofort Interesse an mir und wir schrieben einige schöne Mails die dann schnell in angeregte WhatsApp Konversationen übergingen. Er war schnell mit seinen Begeisterungsäußerungen und ich stieg ebenso schnell darauf ein. Verknallt war ich nicht schnell in ihn, sondern sofort.
Irgendwann musste ich ihm aber gestehen, dass ich noch einen weiteren Monat im Ausland verbringen würde, woraufhin er eine Kontaktpause vorschlug. Seine Begründung die Erwartung dadurch nicht zu sehr zu schüren, klang schlüssig, aber er brach die Pause dann selbst am nächsten Tag mit einer langen Mail.
Ich nahm mich noch einige Tage zusammen, schrieb ihm dann aber schon bald eine ebenso lange und persönliche Mail zurück.
Dann hörte ich lange gar nichts von ihm und wurde immer unruhiger, bzw. beherrschte er schon an dem Punkt einen Großteil meines Denkens. Irgendwann hakte ich entnervt nach und er gestand, dass er eine andere Frau daten würde, die halt nicht wie ich im Ausland wäre. Das verpasste mir den ersten Dämpfer, gar nicht mal so sehr wegen mir, ich hatte ihn ja nie getroffen, sondern aus Sicht der Frau, die natürlich nicht wusste, dass ihr Date sich noch anderweitig umsah. Ich fühlte mich zwar warmgehalten, konnte ihm aber auch nicht wirklich einen Vorwurf machen, schließlich lag es ja an mir, dass wir uns nicht treffen konnten.
In der letzten Woche meiner Reise intensivierte er den WhatsApp Kontakt dann wieder enorm und teilte mir auch mit, dass er die andere Frau nicht mehr sähe. Wir hatten auch unsere erste Videoschaltung und damit wurde der Märchenprinz dann für mich auch zu einem (immer noch sehr gutaussehenden) Mann, der aber viel zu viel redete und zu wenig zuhörte. Das zweite Videodate war dann wesentlich besser, so dass ich das Erste schnell vergaß.
Kurz nach meiner Rückkehr hatten wir unser erstes Treffen. Seine leicht arrogante, etwas zu aktive und bestimmende Art faszinierte mich ebenso wie seine ausdrucksstarken Augen und sein makelloser Körper.
Es es gab allerdings bereits einige Seltsamkeiten in seiner Kommunikation die mir auffielen.
Wenn er mich zu Wort kommen ließ, konnte man sich gut mit ihm unterhalten, wirkliches Interesse an meiner Person nahm ich allerdings nicht wahr. Vielleicht hakte ich deshalb etwas zu sehr nach um ein Feedback von ihm zu bekommen. Ich wollte nicht über hochintellektuelle, abstrakte Themen reden, vor mir saß der Mann an den ich einen Monat lang fast ununterbrochen gedacht hatte, mich interessierte was er von mir hielt. Das ich damit die Konversation bestimmte, störte ihn und das sagte er auch, was ich für ein erstes Date schon sehr verwunderlich hielt.
Allerdings war ich noch enorm gejetlagt und müde und tat mich ohnehin schwer mit einer richtigen Einschätzung des Abends. Leider kam dann was ich egtl nicht für den ersten Abend wollte: ich übernachtete bei ihm und wir hatten unseren ersten Kuss und etwas erweitertes Gekuschel.
Am Morgen fühlte ich mich bereits schlecht, aber er verhielt sich nett und lieb und versprach am Abend zum Kochen zu mir zu kommen.
Zu meinem großen Erstaunen tat er das auch und blieb gleich übers Wochenende da, unser erstes Date dauerte damit, mit kleinen Unterbrechungen 5 Tage.
Das Wochenende war toll, aber ich merkte schnell, dass es schwer war ihm etwas Recht zu machen. Seine Meinung zu allem war absolutistisch. Ein Essen schmeckte ihm nicht schlecht, es war schlechtes Essen. Auch an mir begann er zu meinem großen Erstaunen bereits herumzunörgeln. In meiner recht schönen Wohnung sah er Flecken und Schmutz und meine eher ungesunde Auswahl der Lebensmittel für unseren Badeausflug missfiel ihm. Man muss dazu wissen, dass er in einem chaotischen WG Zimmer wohnt und ich durch meinen Auslandsaufenthalt eher schlank und sportlich geworden bin, also mir einige ungesunde Sachen hin und wieder durchaus leisten kann. Er brachte diese Form der Kritik immer mit einem leichten Lächeln an, später bezeichnete er das als seinen Humor. Ich nahm das vorerst nicht weiter ernst, passte mich an und erlebte ein magisches Wochenende das ansonsten wirklich sehr schön war. Einfach nur mit ihm zusammen zu sein genoss ich sehr und auch unsere Gespräche waren zum Teil sehr tief und interessant.
S. hatten wir bis dahin noch nicht, damit wollte ich noch etwas warten.
Am Sonntagabend kam es dann allerdings zu einer seltsamen Situation. Nach eher groben angeregtem Herumgemache, schlug seine Stimmung um und er wies mich zurecht, dass ich ihn zu heftig Küssen und dabei weh tun würde. Ich hatte zu dem Zeitpunkt bereits einige blaue Flecken, dachte die Grobheit gefällt uns beiden und war dementsprechend perplex. Es entspann sich ein Streit, eine Situation die ich für unser kurzes Kennen als absolut absurd empfand. Ich erfuhr dadurch auch von seiner recht schwierigen Kindheit mit einer psychisch kranken Mutter.
Am Montag danach überlegte ich das erste Mal ob es nicht besser wäre die Sache zu beenden, da mich seine Reaktion schon schwer verunsicherte.
Wieder einmal schob ich die Bedenken aber beiseite, ich war ja bereits verliebt und sah ihn am Dienstag auch schon wieder. Ich freute mich nach den gemeinsamen Tagen sehr auf ihn und war vollkommen unvorbereitet auf seine Distanziertheit. Ich war bereits in einem anderen Beziehungsmodus und er zeigte sich kalt und unnahbar. Wir waren im Kino und ich sollte danach bei ihm übernachten. Es kam zu einem kleinen ärgerlichen Zwischenfall und er fuhr mich erneut genervt an, obwohl ich daran keinerlei Schuld trug. Nach dieser Episode war mir klar, dass es mit uns nichts werden kann und ich entschied wenigstens noch den S. mitzunehmen und schlief das erste Mal mit ihm.
Wie es aber so mit Entscheidungen ist die man am Abend trifft, sie halten nie bis zum Morgen und wir trafen uns weiterhin.
Die folgenden zwei Wochen mit ihm, waren gemischt. Teilweise meinte ich echte Zuneigung in seinen Augen zu sehen und empfand diese auch für ihn, teilweise fand ich mich in der Situation der panisch aufs Handy starrenden Frau wieder die auf ein Lebenszeichen von ihm wartet, teilweise lief auch der S. nicht ideal. Gewartet habe ich ohnehin viel. Immer wieder gab es Sachen die mich verunsicherten und zweifeln liessen. Eine Konsequenz daraus konnte ich nicht ziehen, dazu zog er mich zu sehr an.
Bis zum vorletzten Wochenende an dem ich eine erneute Anfuhr bekam, als ich ihm der mir praktisch in alles hineinredete, vorschlug was er am Abend zum Kochen verwenden könnte.
Danach sagte ich ihm unter Tränen, dass ich glaubte es wird nichts aus uns.
An diesem Abend kamen dann weitere Details aus seinem Leben ans Licht, unter anderem dass er sich wegen diverser psychischer Probleme, auch Beziehungsschwierigkeiten, in Therapie befindet. Am Tag darauf bat ich ihn dann um ein Gespräch mit dem festen Vorsatz die Sache zu beenden, was ich auch tat. Wir saßen danach lange nebeneinander, konnten uns aber nicht voneinander trennen, bis er mich irgendwann umarmte und ich ihn küsste.
Vereinbart war daraufhin, dass ich noch einmal über uns nachdenke. Das tat ich und obwohl ich wusste, dass es falsch war, wollte ich ihn wie abgemacht am nächsten Tag wiedersehen.
Er mich allerdings nicht, nun wollte er Bedenkzeit und meldete sich einige Tage nicht.
Während dieser Zeit beobachtete ich ständig das Telefon und sah, dass er oft bei WhatsApp online war, etwas das sonst nur selten der Fall war. Mich erinnerte das stark an die Anfänge unserer Kommunikation und natürlich dachte ich dabei sofort an eine andere Frau.
Gestern schrieb er mir dann eine Nachricht und machte mit mir Schluss, wenn man bei unserer undefinierten Beziehung, denn da wollte er sich noch nicht festlegen, überhaupt davon reden kann. Die Begründung war, dass er mich nicht weiter verletzen und erstmal mit seinen Problem fertig werden wolle. Auf Nachhaken gab er aber auch zu, dass ich ihm zu lieb und rational bin und ihm zu wenig Kontra gegeben hätte, das hatte ich dann also von meiner Anpassung.
Wir schrieben dann noch den ganzen Abend miteinander, ich gestand ihm noch mal wie sehr ich mich in ihn verliebt hatte, er meinte ähnliches, aber die Entscheidung stand trotzdem. Heute morgen reagierte er dann nicht mehr auf meine letzte Nachricht. Danach habe ich ihn gelöscht um nicht mehr in Versuchung zu kommen.
Ich bin ihm egtl dankbar, glaube aber auch nicht wirklich an sein Märtyrertum, sondern eher dass er nahtlos in die nächste unglückliche Beziehung übergeht. Seine inneren Dämonen, die auf mich trotz allem so anziehend gewirkt haben, wird er auch zu ihr mitnehmen.
Wenn ich diesen Text noch einmal lese, kann ich nicht glauben, dass es letztendlich er war der den Schlussstrich ziehen musste. Ich denke ich habe ihn zu einem gewissen Teil auch gebraucht um etwas Abenteuer aus dem Ausland mit in den Alltag zu nehmen, bzw. noch nicht ganz ankommen zu müssen. Jetzt bin ich es und muss mich an die fehlende Spannung gewöhnen.
Ich denke er war ein Narzisst, bzw. hatte starke Tendenzen in diese Richtung und da diese außergewöhnliche Anziehung und Charme besitzen, lässt mich etwas weniger mit meinem inkonsequenten Verhalten hadern und an meinem Verstand zweifeln.
Es spielt zwar letztendlich keine Rolle mehr, aber ich wäre gespannt auf Beziehungserfahrungen mit Narzissten und ob ich mit meiner Vermutung richtig liege.
Danke fürs Zuhören.
01.09.2015 17:00 •
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