Gedankengänge - sich selbst im Anderen erkennen
Heute Nacht habe ich von ihm geträumt. Das war schon länger nicht mehr der Fall. Ich weiss auch nicht genau, worum es im Traum ging. Ich bin aufgewacht und in mir war ein ewig langer, verzweifelter, lautloser Schrei. Das Gefühl war furchtbar.
Aber gestern sind einige Bücher gekommen und ich habe mir eines davon gegriffen. E.Tolle: Lebendige Beziehungen (Beziehungen - eine Quelle des Leids oder der Freude?).
Eine Passage trifft es für mich auf den Punkt.
Inhaltlich haben wir das hier im Thread irgendwie schon oft durchgekaut, vielleicht benötige ich aber auch diese ständige Wiederholung, wie ein Mantra, damit es sich im Verstand und im Fühlen manifestiert.
Das Selbst fühlt sich verletzlich und unsicher; und um sich seine Existenz zu bestätigen, sucht es unablässig nach neuen Dingen, mit denen es sich identifizieren kann. Aber nichts ist je genug, um ihm dauerhaft Erfüllung zu verschaffen. Seine Angst besteht weiter, sein Gefühl von Mangel und Bedürftigkeit bleibt.
Und dann erscheint diese besondere Beziehung. Sie scheint die Antwort auf alle Probleme des Egos zu sein, sie scheint alle Bedürfnisse zu erfüllen.
Deine Welt hat jetzt einen neuen Mittelpunkt: die geliebte Person.
Die Tatsache, dass dieser Punkt außerhalb deiner selbst liegt, scheint zunächst bedeutungslos.
Es fühlt sich an wie Erlösung - bis der Punkt kommt, an dem der Partner diese Bedürfnisse nicht mehr befriedigt/den inneren Mangel nicht mehr überdeckt. Wie bei jeder Sucht bist du high, solange die Dro. verfügbar ist, doch der Moment, in dem sie nicht mehr wirkt, kommt immer.
Und wenn all die schmerzhaften Gefühle wiederkommen, fühlst du sie sogar noch stärker.
ER hat zu mir am Ende gesagt: du brauchst keinen Psychologen, du brauchst nur den richtigen Mann. Er hat Unrecht (weil er selbst gefangen in der Vorstellung ist, es wäre seine Aufgabe, seine Partnerin glücklich zu machen).
Auf der Suche nach innerer Heilung suchen und erkennen wir uns im Anderen und denken, zusammen sind wir ein Ganzes. Um ganz/heil zu bleiben, sind wir dann rettungslos auf den Partner angewiesen. Abhängigkeit und Selbstaufgabe folgen, weil man ja ohne den Anderen nicht mehr vollständig ist. Egal ob man alleine oder in Beziehung lebt, das ist der zerstörerische Kreislauf, den man durchbrechen muss, im Hier und Jetzt.
Es ist aber auch keine Lösung, Beziehungen zu vermeiden, um keinen Schmerz zu erfahren. Der Schmerz ist in jedem Fall da. Drei gescheiterte Beziehungen in der gleichen Anzahl von Jahren zwingen dich mit Sicherheit eher ins Erwachen als drei Jahre auf einer einsamen Insel.
30.05.2021 09:45 •
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