@EngelohneFlügel
Endlich gefunden
Damals war ich Vollblutbiker, trug Lederklamotten und ausgelatsche Boots und ich hatte lange Haare.
Natürlich hatte ich zu feierlichen Anlässen eine schwarze Hose im Schrank, mit einem mehr oder weniger weißen Hemd und dazu gehörte natürlich auch eine Krawatte. Die im Lauf der Jahre durch diversen Sabber und Schnodder faktisch unsichtbar wirkte. Kurzum, ich war bereit für das Leben, ich war ein Biker, ich war verwegen und frei, und ich hatte lange Haare !
Hausarbeit war mir ein natürliches Übel, der ich so oft ich konnte aus dem Weg ging. So mochte ich mich, ich war mit mir und meinem Leben zufrieden. So lernte sie mich kennen.
Du bist mein Traummann ! Du bist so männlich, so verwegen und frei !” Mit diesem Spruch kochte sie mich langsam weich.
Mit der Freiheit war es dann alsbald vorbei, als sie eines Tages sagte: Lass uns heiraten ! Na gut, ich hatte im Moment nichts besseres vor, also habe ich ja gesagt. Immerhin war ich ein Biker, verwegen, fast frei, und ich hatte lange Haare.
Allerdings nur bis kurz vor der Hochzeit. Da meinte sie ganz nebensächlich: Schatz, in diesem Aufzug willst Du doch nicht mit mir in die Kirche gehen. Geh doch bitte vorher zum Frisör, was sollen denn meine Eltern von Dir denken.”
Stunden, nein, Tage später und um viele Tränen erleichtert machte ich mich also auf zum Frisör, und ließ mir eine klassische Kurzhaarfrisur verpassen. Was soll’s, ich liebte sie ja so sehr ! Ich bin ein Biker, nicht mehr verwegen, fast frei, und es zieht an meinem Kopp. Und ich war ja soo lieb !
Schatz, ich liebe Dich so, wie Du bist !” hauchte sie mir ins Ohr. Mein Leben war in Ordnung, obwohl es fortan etwas kühl an meiner Birne ist.
Nach einigen harmonischen Wochen kam meine Frau eines Abends mit einer Tüte unter dem Arm vom Shoppen nach Hause, in der sie ein weißes Hemd, einen grau karierten Pullunder (bei dem Wort läuft es mir immer noch eiskalt den Rücken herrunter ...) und eine graue Stoffhose mit schwarzen Schuhen hatte.
Nach einigen Wochen mit vielen Tränen und unzähliger vollgerotzter Taschentücher, gab ich schließlich nach, und laufe nun seitdem wie der letzte Spießer vor dem Herren mit Hemd, Pullunder (Ärrgh !) und Stoffhose durch die Gegend. Was soll’s, ich bin ein Weichei, es zwickt im Schritt, und mir ist kalt am Kopf.
Dann begann der größte Kampf; nämlich der Kampf um mein Moped.
Was soll ich sagen, ausser dass es sich in unbequemen Klamotten und drückenden Schuhen schlecht kämpfen lässt. Nach einigen Wochen verkaufte ich mein Moped und seitdem gehe ich jeden Samstag brav mit meiner Frau spazieren. Ich bin ja soo lieb, nicht mehr verwegen, aber immerhin noch das, was früher einmal ein Biker war.
Mit den Jahren folgten viele Kämpfe, die ich allesamt in einem Meer von Tränen verlor. Ich kochte, kaufte ein, machte den Abwasch, und ging jeden Samstag brav mit meiner Frau spazieren. Ich war einmal ein Biker, ich bin gefangen, ich fühle mich sch., und es zieht immer noch an meinem Schädel.
Eines schönen Tages stand meine Frau mit gepackten Koffern vor mir und sagte: Ich verlasse Dich !”
Völlig entgeistert fragte ich sie nach dem Grund, und sie sagte nur: Ich liebe Dich nicht mehr. Du hast Dich so zum Nachteil verändert und bist nicht mehr der Mann, den ich damals kennen gelernt habe ! Sprach’s aus, und ging.
Vor einigen Wochen traf ich sie zufällig mit ihrem NEUEN in der Stadt. Ein Typ mit langen Haaren, versifften Lederklamotten ein Biker eben.
Ich glaube, ich werde ihm eine Mütze schenken ! Die arme Sau !
12.12.2023 12:57 •
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