Zitat von TJ1990: Wie lange hast du denn gebraucht, das zu verarbeiten?
Lange, weil so was bei mir immer lange dauert.
Erst kam die Heulphase, eine tiefe Traurigkeit und Aussichtslosigkeit, denn mit einem Mall war mein Lebensinhalt weg. Traurig, aber es war so, dass diese disfunktionale Beziehung mich über Gebühr beschäftigte und andere Dinge wie Kontakt mit anderen farblos wirkten und mich nicht weiter reizten. Mein Schwerpunkt lag auf dieser Beziehung, unter der ich Tag und Nacht zwar oftmals litt, von der ich mich aber als Selbstschutz und einer blödsinnigen Hoffnung auf Besserung nicht lösen konnte. Ich gebe nie auf und versuche, lieber Ochsen melken zu wollen und das ist keine gute Strategie, weil ich und meine Bedürnisse mehr und mehr in den Hintergrund traten und meine Gedanken um ihn kreisten. Wieso war er so? Was denkt er, was fühlt er? Kann ich ihm irgendwie helfen? Was meint er, als er sagte ...?
Das war mir wichtiger, als den Fokus auf mich zu legen und mich zu fragen, wie kann ich mir selbst helfen? Aber das hätte eine Initiative, eine Entscheidung von mi gefordert, zu der ich nicht bereit und fähig war.
Daran schloss sich die Wutphase an weil mir allmählich der Kronleuchter aufging, dass ich viel zu viel hinein interpretiert und investiert hatte. Ich fühlte Wut auf meine eigene Dummheit und meine Willfährigkeit. Für ihn hatte ich immer Entschuldigungen gesucht (schwere Kindheit und so, heute hat er einen schlechten Tag... usw.), aber ich selbst beachtete mich viel zu wenig, denn ich hatte Scheuklappen auf, die den Blick nur in eine Richtung lenkten. Ich war unwichtig gewesen, ich war nichts weiter als ein Add-on in seinem tollen und erfüllten Leben, an dem ich keinen Anteil hatte oder nur wenig. Als Kummerkasten war ich gut genug gewesen, als Klagemauer für seine Stimmungen, aber sonst nicht weiter wichtig. Ich fühlte mich oft so seltsam austauschbar wenn ich neben ihm ging, so als ob es ihm egal ist, ob jetzt Michaela, Sandra oder ich bei ihm waren.
Natürlich wurde ich auch furchtbar wütend auf ihn, diese miese Ratte, diesen Verräter, diesen Nichtsnutz, diesen rücksichtslosen Egoisten! Ich hatte Rachefantasien, von denen ein Schlägertrupp, der ihn vermöbelte noch das wenigste war. Ich träumte von einem schweren Unfall mit der Folge Rollstuhl und dann stellte ich mir vor, er wäre endlich tot, weil ich dann so was wie erlöst wäre. Das schlimmste war, mir vorzustellen, was er jetzt alles machte und tat, während ich ...
Wir hatten noch Kontakt nach der Trennung, auch eine meiner blöden Ideen, denn ich wollte noch irgendwie eine Wichtigkeit fühlen und außerdem noch ein wenig Kontrolle über ihn haben. Das war keine gute Idee, denn was ich hörte oder las (persönlich trafen wir uns nicht mehr), tat mir weh und öffnete den Weg zu neuen Fragen. Warum war er da und dort, wo ihn das doch früher nie interessiert hat? Gab es eine Nextie oder zumindest eine Bewerberin für meine Nachfolge? Ja, einige Monate später erfuhr ich aus einer seiner verschwurbelten Mails, dass es wohl eine Next gab. Das war wieder ein Schlag in die Magengrube und wieder schimpfte ich mich für meine Blödheit und wünschte ihm ein schlimmes Schicksal.
Sprich, auch nach der Trennung war er der Dreh- und Angelpunkt meiner Gedanken und Gefühle. Genau das was man nach einer Trennung braucht, um den Ablöseprozess noch schön zu verlängern.
Das war zu der Zeit, als ich zu zwei Beratungsgesprächen bei einem Therapeuten war, weil ich immer noch keinen Ablösemechanismus gefunden hatte.
Die Gespräche waren erhellend, aber auch fast verstörend und einige Dinge blieben mir im Gedächtnis.
Erste Erkenntnis.
Wir leben immer das was wir kennen und kennengelernt haben. Und die Kenntnis und Einordnung der Welt erfolgt in der Kindheit, weil wir ja abgesehen von den Erbanlagen die Welt erst kennenlernen.Unsere Welt sind Eltern und andere Bezugspersonen und ihr Verhalten das wir sehen und unbewusst wahrnehmen. Wie sprechen Papa und Mama miteinander, streiten sie oder sind sie liebevoll mit sich? Bin ich hier sicher und aufgehoben oder fühle ich mich oft allein gelassen und zu wenig beachtet?. Finde ich einen Adressaten für meine kindlichen Ängste und Kümmernisse?
Später erweitert sich die Welt z.B. durch andere Kinder und einen größer werdenden Radius. Wovor habe ich Angst und warum habe ich Angst vor dem Jürgen, der immer so grob ist? Dem gehe ich lieber aus dem Weg, weil ich ihn nicht einordnen kann, obwohl es besser wäre, mich ihm entgegen zu stellen, aber dafür habe ich keinen Mut. Also verschwinde ich oder lass mich nur blicken, wenn er nicht um die Wege ist.
Gerade bei sehr sensiblen und eher ängstlichen Kindern hinterlassen etwaige Störungen oft schon die ersten Narben und Defizite, die dann ins Unterbewusstsein verschoben werden, wo man sie nicht spürt, woraus wir aber gelenkt werden.
Und alles was später kommt, ist oft eine Wiederholung dessen, was in uns an unverarbeiteten Problemen und Leiden ist. Da ich z.B. gewöhnt war, dass ich oft allein mit meiner Angst da stehe, weil ich ja sogar Angst vor meiner Mutter hatte, habe ich wenig Vertrauen in die Umwelt und auch zu mir selbst. Wer gelernt hat, dass die beste Adresse für Kümmernisse der Stoffpinguin ist, dem ich alles erzähtle, hat später kein sondlich große Vertrauen ins Leben und sieht sich selbst oft als Spielball äußerer Mächte (später dann z.B. der Mann).
Zweite wichtige Erkenntnis: Der Ex spielte keine Rolle bei dem Gespräch. Es war als wäre er nicht existent. Dabei wollte ich mich doch auch mal richtig auskotzen über seine Rücksichtlosigkeit, seinen Egoismus! Von wegen, falsch gedacht. Ich merkte irritiert, dass der Ex. nur ein Symptom meiner Blessuren war und von daher austauschbar. Ob er jetzt Michael oder Sven oder Ivan heißt, so what? Er ist nicht wichtig, aber hier geht es um mich und nur darum und um meine Wurzeln.
Dritte Erkenntnis:
Unsere Seele leidet unter unverarbeiteten Problemen und Ängsten, aber wir nehmen sie oft genug nicht wahr, sondern schieben sie weg. interessiert mich nicht, ist nicht wichtig. Doch, sie ist sehr wichtig, denn nur wenn wir unsere Seele ins Leben integrieren, sie einbinden und wahrnehmen, fühlt sie sich gut. Sie kann sich nicht selbst helfen, sie braucht sozusagen uns selbst dazu. Und sie kann nicht direkt zu uns sprechen, aber sie teilt uns mit, was im Argen liegt, durch wiederkehrende Erfahrungen.
Schon die dritte Beziehung, die kaputt geht und in der ich nichts zu sagen hatte? Das ist kein Zufall, sondern ein Muster das sich etabliert hat und durch das die Seele mich auffordert, da mal genauer hinzusehen. Was ist da los, warum wiederholt sich das? Warum fühlte ich mich erst prächtig und beachtet und dann zunehmend unwichtig und unbeachtet und welche Gefühle fühlte ich? Wahrscheinlich die, die ich schon seit Kindestagen kenne.
Es ist eine Aufforderung der Seele, diese Dinge endlich wahrzunehmen und im Bewusstsein zuzulassen. Was war da los, warum fühle ich mich in Beziehungen oft so wie in der Kindheit? Warum lande ich bei Personen, die die Obermacht haben, während für mich die Rolle auf dem Schemel übrig bleibt? Warum lerne ich keine Partner kennen, denen ich wirklich wichtig bin und die mich schätzen für das was ich bin?
Es tun sich viele Fragen auf und die Beantwortung ist selten erfreulich, sondern oft genug sehr, sehr traurig und wehmütig. Aber auch hilfreich, weil die Seele merkt, jetzt bin ich endlich auch mal am Zug. Lang hat es gedauert, bis sie mich überhaupt mal wahrnahm und wie oft soll ich sie noch mit dem Scheunentor darauf hinweisen, dass ich wichtig bin und dass sie besser mit uns umgeht. Mit der Seele, mit Ängsten, die ich zulasse anstatt sie wie üblich weg zu schieben, mit den Gefühlen und mit dem Verstand, denn jeder Mensch ist ein Konglomerat aus mehreren Instanzen und oft genug kommt eine zu kurz.
Er, Dein Ex. ist tatsächlich nicht wichtig. Er ist nur das Symptom Deiner Verletzungen, Deiner unbewussten Krankheit. Das macht die Ablösung nicht einfacher, aber die Bedeutung dieser Person relatviert sich dadurch ein wenig.
Wir haben oft zu wenig gelernt, auf uns zu achten und uns in den Fokus zu nehmen und uns selbst wahrzunehmen. Nur wer das tut, ist mit sich selbst achtsam und schaut auf sich und dann ist automatisch weniger oder kein Platz für Männer wie ihn. Denn wir wissen, aha, hier droht Unheil, hier spricht mein Bauch mit einem leichten Ziehen, also ist Achtsamkeit und Vorsicht angebracht, um mich selbst zu schützen.
Bindungängstler haben immer kein gutes Selbstwertgefühl. Der aktive ist ständig damit beschäftigt, sich und anderen zu beweisen, wie autark und wie frei er doch ist und verwechselt das mit Stärke. Es ist aber eher Schwäche, weil er Bindungen nicht zulassen kann, vor allem nicht auf Dauer, weil er Angst davor hat.
Und der passive leidet, weil der Blick auf dem Partner liegt und er sich selbst vergisst. Was er fühlt, worunter er leidet, ist nicht wichtig, denn Leiden bedeutet auch Liebe. Das haben wir gelernt und erfahren und daher verbinden wir es. Was aber grundfalsch ist denn Liebe bedeutet was anderes. Sie bedeutete Geborgenheit, Rücksichtnahme, Achtsamkeit dem Partner gegenüber und jede Menge Toleranz. Liebe ist, wenn ein obwohl dabei ist. Obwohl mich dies und jenes nervt, akzeptiere ich es als Teil von ihm und arrangiere mich damit. Es beeinträchtigt mich aber nicht sonderlich, denn es gibt viele andere Dinge, für den ich ihn schätze. Und Liebe bedeutet Angstfreiheit. Ich bin da, ich bin so und so, das ist gut, jenes ist keine gute Eigenschaft, aber ich fühle mich dennoch akzeptiert. Liebe bedeutet Wichtigkeit. Ich fühle, dass ich meinem Partner wichtig bin und er mir.
Wer in der Liebe leidet, sollte genau hinschauen, warum das so ist. Denn Liebe bedeutet kein Leiden.
Wichtige Grundpfeiler sind gegenseitiger Respekt und Wertschätzung. Nur wer den anderen respektiert, gibt ihm die Möglichkeit, sich geborgen und agenommen zu fühlen und das wollen wir alle. Ich verachte Beziehungen, wo einer den anderen drangsaliert, hintergeht und verrät. Das ist jämmerlich und unreif und dafür braucht es keine Beziehung.Was nicht heißt, dass ich selbst nicht so war.
Man kann durch schlechte, kummervolle Erfahrungen viel lernen und meist nur dadurch.
Die Phase nach der Wutphase war dann die Phase der Akzeptanz. Es ist wie es ist und ich kann es nicht ändern. Aber der jaulende Schmerz und die immense Wut sind abgeflaut. In dieser Phase kann man gut Bilanz ziehen und sich selbst neu einordnen und auch die oft schädlichen Beziehungsmuster gut erkennen. Traurig, dass er so war und ist, aber ich bin schon ein gutes Stück weit weg von ihm. Und noch trariger, welche Rolle ich in diesem Zweipersonenstück spielte. Die Phasen, in denen ich nicht an ihn dachte, wurdn länger und weniger. Die Lebensschwerpunkte verschieben sich und es ist Raum und Zeit für einen selbst. Mit sich auskommen, die Zeit zu nützen und Dinge und Menschen ins Leben lassen die einem gut tun und vor allem das Leben wieder zu schätzen. Es hat Qualität, wenn ich sie ihm gebe.
Wer nur daheim hinter dem Ofen sitzt, nicht rausgeht, sich nicht für andere interessiert, vereinsamt, denn es kommt keiner, der einen rausholt. Das Selbstmitleid sollte vergehen oder vergangen sein, denn es hilft einem nichts. Wer sich selbst bemitleidet, begibt sich in die Opferrolle und die ändert nichts. Denn ein Opfer leidet und bleibt im Leiden, aber es hilft sich selbst nicht.
Aber Mitgefühl mit sich ist wichtig. Ja, ich war ein Idiot, ich war verlogen und habe ihm was vorgespielt, aber das geschah, weil ...
Ich will künftig besser auf mich achten und wenn mir Jemand schlechte Gefühle verursacht, dann brauche ich ihn nicht, denn er wird mir nicht gut tun. Denn irgendwann muss mal Schluss sein mit Leiden und Klagen.
Ich würde rückblickend sagen, bis ich über den Berg war, dauerte es einige Monate bis ein Jahr. Und bis er in meinem Leben gar keine Rolle mehr spielte, dauerte es zwei Jahre.
Hätte mir Jemand gesagt, er wird Dir egal sein und es wird mir egal sein wie er lebt und was er tut, hätte ich gesagt: Nein, das wird nie geschehen. Er wird immer einen besonderen Platz in mir haben.
Nein, hat er nicht. Er ist weg und das ist gut so und er interessiert mich einfach nicht mehr. Neugierde, Interesse ihm gegenüber war früher stark fühlbar, aber jetzt schon lange nicht mehr.
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Aber er war ein prima Wegweiser für mich selbst und daher kam er in mein Leben. Das ist bei jedem Menschen so, dass wichtige Personen sich hinterher oft als wichtig für einen selbst herausstellen. Fast niemand kommt umsonst in unser Leben. Veilleicht weil er es bereichert oder uns auf Dinge in uns hinweist. Ob er durch mich was gelernt hat, weiß ich ich nicht und es juckt mich nicht. Er lebt sein Leben und ich meines.
Es gibt schließlich wichgere Menschen und Dinge im Leben als nur eine Person, die mal unseren Weg kreuzte. Aber eines sollte man beherzigen: Getrennt ist getrennt.
Keine Telefonate, kein Geschreibsel à la wie geht es denn so und möglichst kein Hinterherspionieren auf den sogenannten sozialen Medien, die oft genug nicht sozial sind. Es ist nicht wichtig, was er tolles unternimmt und welchen Status er hat. Das ist nur wichtig, weil es den Schmerz wieder so schön von Neuem aufleben lässt. Jeglicher Kontakt ist schädlich, denn die Gefühle brauchen unfassbar lange bis sie kapieren, dass es ihn nicht mehr gibt und er nicht mehr wichtig ist.
Er ist online, aber oh Gott, ich bin nicht wichtig. Oder er hat ein Bild von mir geliked, was bedeutet das nun wieder? Am Ende bedeutet es dass ich ihm fehle und es ihm leid tut? Nein, es bedeutet nichts, denn wer einem was zu sagen hat, der kann sich melden und sich ausdrücken.
Also da nichts hinein interpretieren, es am besten nicht anschauen. Und keine kindischen Vorgehensweisen, denn ich muss ihm ja jetzt auf FB oder sonstwo beweisen, welch tolles Leben ich ohne ihn jetzt führe. Das ist albern, denn der Fokus liegt wieder da, wo er nicht liegen sollte.
Kein Kontakt hilft besser als Kontakt, der immer wieder Fragen aufwirft und Erwartungen schürt.