Das zertretene Selbstbewusstsein

E
Hallo zusammen,

und zunächst muß ich sagen, daß dieses Forum hier eine wirklich gute Sache ist. Weil es geradezu lebenswichtig ist, sich darüber auszutauschen. Und weil man hier mitbekommt, daß es viele andere in der gleichen miserablen Lage gibt. Naja, und dann ist es noch so - es geht euch vielleicht ähnlich -, daß so einige meiner Freunde mein Jammern glaube ich so langsam nicht mehr hören können. Aber wo soll man hin damit, wenn es einen nun mal den ganzen Tag lang beschäftigt. Ich würde es ja auch gern ändern, nichts lieber als das.

Wie auch immer: Was mich im Moment unter anderem beschäftigt, ist die Frage, wo und wie man sich als Verlassener eigentlich das völlig zertretene Selbstbewußtsein wiederholen soll. Denn es gehört ja zu den äußerst häßlichen Begleitumständen des Verlassenwerdens, daß der andere das eigene Selbstbewußtsein einfach mitnimmt und nicht wieder hergibt. Auch wenn es nur Einbildung ist: Wird man verlassen, hat man das Gefühl, der andere nimmt das Selbstvertrauen, steckt sich die Federn ans Haupt und wird noch stärker dadurch. Und selbst wenn man noch - wie es mir passiert ist - die höchst freundliche Aussage mit auf den Weg bekommt, es liege ja alles nicht an einem selbst und man sei ja immer noch ein toller Mensch/Mann/Frau, so bleibt doch immer das ekelhafte Gefühl zurück, einfach verdammt noch mal nicht gut genug gewesen zu sein, zu dumm, zu häßlich, zu gestört oder sonstwas. Zumindest für diesen einen Menschen, für den man es ein wollte, war man nicht gut genug - und was interessiert mich dann noch, ob ich theoretisch gut genug für andere wäre? Das gibt einem das Selbstbewußtsein nicht zurück.

Dieses Grundgefühl wird dann noch dadurch verstärkt, wenn der andere schon sehr bald wieder dabei ist, an seinem neuen Leben zu basteln, während man selbst noch völlig hilflos am Boden liegt und vielleicht noch so dumm war, beim Ex-Partner um Gnade zu flehen. Manchmal frage ich mich, ob das ganze widerliche Chaos, das man empfindet, gelindert würde allein dadurch, daß es dem anderen ebenfalls schlecht geht - daß man also wenigstens gemeinsam am Boden liegt, wenn auch an verschiedenen Orten. Ich glaube es schon, und ich hoffe immer, daß die Gefühle, die bei mir selbst schlagartig kamen, als sie mich vor vollendete Tatsachen gestellt hat, sich bei ihr langsam, schleichend, aber schließlich genauso heftig einstellen werden.

Wo soll nun also das Selbstvertrauen herkommen? Ich stelle mir die Frage unter anderem deshalb, weil ich neulich zum ersten Mal nach meiner Trennung eine Verabredung mit einer anderen Frau hatte (eine flüchtige alte Bekannte, mit der ich mich vorher noch nie länger unterhalten hatte) und feststellen mußte, daß dies das erste Erlebnis nach der Trennung war, das mir kurzzeitig Ablenkung und sogar einen Anflug guter Laune zurückgegeben hat. Ein langer Abend und ein schönes Gespräch. Tja, und da frage ich mich eben, brauche ich nun wirklich so etwas, um mir das zurückzugeben, was mir genommen wurde - oder ist das genau das Falsche? Denn wenn ich wirklich unbedingt jemand anderen brauche, dann wäre ich ja dabei, wieder alles in die Hände eines anderen zu legen und mich abhängig zu machen, obwohl doch nun Unabhängigkeit das oberste Ziel sein sollte. Da stimmt doch was nicht. Oder doch?

Liebe Grüße

01.11.2001 14:32 • #1