So ihr lieben Menschen,
heute ist also der 2.11. Lange habe ich hier nichts mehr geschrieben.
Heute vor einem Jahr hat die Gülle (wie unsere liebe @Wirdschon sie so nennt) ihren Anfang genommen. Was hatte ich mich auf den Tag gefreut. Endlich mal wieder Zeit zu zweit, ein Ausflug zu einem Konzert. Es war schwierig die Monate zuvor, Stress, Alltag. Wir hatten Schwierigkeiten, das spürte ich. Aber nach all den Jahren dachte ich, das kriegen wir wieder hin. Ein wenig Ruhe, die Feiertage in Aussicht, endlich mal wieder mehr Zeit füreinander. Und dann auf der Rückfahrt, der Griff zu seinem Handy, ich wollte nur das Navi einstellen. Wir haben die Telefone nie voreinander verborgen, es gab auch nie einen Grund. Und seine Reaktion. Lass die Finger von dem Handy. Der Schock, als mir in der Sekunde klar wurde, da stimmt gar nichts mehr. Da fiel kein Groschen, da klackerte eine ganze Münzrolle durch. Sagen konnte ich nichts, habe mich bemüht einzuschlafen. Die Ankunft zuhause, sein Geständnis, dass da eine andere Frau wäre und er gehen wird. Meine Panik, was wird mit den Kindern, was wird mit mir. Und immer wieder die Frage nach dem Warum. Die Fassungslosigkeit über den Betrug, den Missbrauch meines Vertrauens. Und an den Tagen danach das ganze Programm, Verzweiflung, Tränen, der Versuch, alles zu retten.
Heute weiß ich, ich hatte nie eine Chance. Er war schon so lange so weit weg, hat aber nie etwas gesagt. Im Dezember habe ich den Weg hierher gefunden. Erst mein eigener Faden und dann, ja dann bin ich hier gelandet. Und ehrlich gesagt, etwas Besseres hätte mir in der Situation nicht passieren können. Neben Menschen, die mich in der Realität aufgefangen haben, habe ich hier so viele wunderbare Menschen kennengelernt und in diesem Jahr auch festgestellt, sie sind in echt genauso toll, wie sie schreiben. Danke für Brunnenparties, Trinkflashmobs, fürs Köpfchen streicheln, für ehrliche Worte und für Verständnis, fürs Auffangen, fürs Fegen der Treppe, für virtuelle und echte Umarmungen und und und ....
Und jetzt? Die Kämpfe, die auszufechten waren, sind ausgetragen. Der Unterhalt für die Kinder ist geregelt, der Umgang auch. Wir wohnen immer noch in unmittelbarer Nachbarschaft und Next geht hier ein und aus. Nicht mehr so oft, selten an seinen Umgangswochenenden, ich hatte nichts anderes erwartet. Einiges habe ich noch einstecken müssen, den Mann den ich zu kennen glaubte, gibt es nicht mehr. Vielleicht gab es ihn auch nie. Ruhig ist es geworden. Kommunikation per Mail und SMS klappt ganz gut. Hin und wieder holpert es noch. Persönlichen Kontakt vermeide ich so gut es geht.
Verloren habe ich einiges. Die Familie ist auseinander gerissen. Aller 14 Tage packe ich einen Koffer für die Kids, Himmel, wie ich das hasse. Mehr Tage wollte er nicht, aber er holt den Kleinen zumindest donnerstags und freitags noch ab und fährt die Große freitags zum Reiten. Die Donnerstage will er nicht mehr. Dazu brauche ich aber erst einmal eine neue Stelle im Unternehmen.
Immer wieder fange ich die Kids auf, halte seine Fahne bei den Beiden hoch. Angekommen bin ich noch nicht. Aber es wird. Ich bin auf dem Weg. Die schlechten Tage werden weniger, deswegen sind die anderen noch nicht immer gut, aber besser. Mittlerweile gibt es auch durchaus gute Tage. In Therapie bin ich auch. Es hilft, eine klarere Sicht auf mich zu bekommen.
Beruflich wird sich hoffentlich bald etwas ändern. Da bin ich dran. Es würde so sehr zur Entspannung beitragen.
Bei allen Verlusten, ich habe auch einiges gewonnen. Ich habe mich selbst wiedergefunden, ich habe für mich erkannt, wie sehr ich ich mich in all diesen Jahren aufgegeben habe. Das möchte ich nie wieder. Ich sehe meine Anteile an unserem Scheitern und sicher werde ich mir die auch irgendwann verzeihen. Nur sehe ich auch ihn, seinen Egoismus, seine mangelhafte Kommunikation, sein ständiges Nehmen auch viel deutlicher. Nein, dahin möchte ich nicht zurück. Sicher ist da noch Liebe irgendwo tief im Herzen, ich habe ihn wirklich so sehr geliebt. Gottseidank funktioniert aber auch der Verstand wieder und der übernimmt immer mehr die Regie. Das alles wird dauern, aber es ist mein Weg und ich gehe ihn in meinem Tempo.
Deswegen kann ich allen nur sagen, wenn ihr erst am Anfang steht: Es wird besser. Es dauert, aber habt Geduld, seid gnädig zu euch selbst und erwartet nicht zu viel. Es wird hin und wieder Tage geben, an denen man glaubt, es geht nicht. Doch, tut es. Es ist nicht schlimm, auch mal schwach zu sein und vielleicht auch noch mal ein paar Schritte rückwärts zu gehen. Dafür geht es am nächsten Tag wieder nach vorn.
Eine dicke Umarmung für euch alle.
LG A.
02.11.2020 17:55 •
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