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CI - mein Weg in ein Leben 4 0

Babs54
CI..... ich dachte an Corporate Identity.
Hatte in meinem früheren Leben u. a. mal mit Werbung zu tun. Deswegen fing ich an zu lesen.....
Danke, dass du dich hier so schonungslos öffnest.
Ich bin einfach nur erschüttert.
Was für eine Welt

16.05.2022 10:45 • x 1 #31


n3xst
25.01.2022 (Arztbesuch)
K. hat mit dem D-Arzt telefoniert. Wir sollen Vormittags kommen. Sie fährt mich dahin. Will natürlich bei mir bleiben. Im Auto während der Fahrt verwackelt wieder alle es vor mir. Schließe ich die Augen dreht sich alles. Es ist nur eine kurze Fahrt. Dennoch bin ich froh, als es vorbei ist.

Ihre neue Arbeitsstelle liegt gegenüber der Praxis. Dienstag fängt sie dort an. Stuhlassistenz beim Zahnarzt. Die Zahnärztin ist eine alte Freundin von mir. Klasse, dass sie K. einstellt.
In ihrem alten Job wäre sie zu Grunde gegangen. Betreuung von Menschen, nach so einem Angriff - oder aus anderen Gründen - nicht so gut dastehen. Jetzt hat sie so einen selber zu Hause. Nicht ganz so schlimm. Wie lange wird das so gehen?

Der Sprechstundenhilfe sage ich noch, dass ich nicht lange sitzen kann. Sie führt uns direkt in ein Behandlungszimmer mit einer Liege. Ich lege mich darauf. K. zieht einen Stuhl an mein Kopfende und setzt sich.
Das Entlassungsschreiben liegt auf dem Tisch. Der Arzt kommt, begrüßt uns und beginnt zu lesen.
Okzipitalfraktur.
Felsenbeinfraktur mit Beteiligung des Innenohrs.
Nystagmus nach schwerem SHT.
Subdurale Blutungen.
Subarachnoidale Blutungen.
Hypakusis rechts.
Vertigo nach schwerem SHT.

Er schüttelt den Kopf. Wie geht es ihnen denn jetzt? Körperlich kann ich ihm antworten. Wie es in mir drinnen aussieht ist dagegen schwer in Worte zu fassen.

Die Kontrolltermine an der Uniklinik stehen im Schreiben drin. Er ist für die Behandlung und Krankschreibung zuständig. Die Klinik ist zu weit weg.
Die Reha geht bis 17.02.2022 also Krankenschein bis 18.02.2022. Dann soll ich wiederkommen. Schmerztabletten und dieses ominöse Nasenspray schreibt er mir auf. Viel Erfolg bei der Reha wünscht er und wir gehen.

K. hat die ganze Zeit meine Hand gehalten. Hat Fragen gestellt. Welche Folgeschäden auftreten können, konnte er aber nicht beantworten. Er ist Chirurg, kein Neurochirurg.

Auf dem Rückweg an der Apotheke angehalten. Ich soll sitzenbleiben. Sie springt kurz rein und wir fahren Heim.
Die Fahrt ist eine einzige Anstrengung. Sie versucht, die größten Schlaglöcher zu umfahren. Dafür sind die Lenkbewegungen umso schlimmer. Es ist eigentlich egal, ob Schlagloch oder Kurve. Alles dreht sich und verwackelt.

Sie stützt mich die Treppen hoch. In der Wohnung falle ich auf das Sofa und schlafe ein.

16.05.2022 12:18 • x 1 #32


A


CI - mein Weg in ein Leben 4 0

x 3


n3xst
27.01.2022
Rehabeginn. Ich soll bis elf da sein. Wir steigen gegen zehn in mein Auto. Sie fährt.

Ich bin nervös und gespannt. Ein wenig Vorfreude, dass es jetzt steil bergauf gehen wird. Ist das so? Geht es wirklich so steil aufwärts?
Ich melde mich im Foyer am Tresen. Ein paar Formalitäten sind auszufüllen. Wir setzen uns an einen Tisch. K. füllt aus und ich blicke in die Runde. Den Altersdurchschnitt ziehe ich hier aber kräftig nach unten.
Ich unterschreibe, während sie scherzt: Ich kann das auch machen. Habe meine neue Unterschrift schon geübt! Ich lächle und sage ihr, dass wir das unbedingt nach der Reha in Angriff nehmen müssen.
Nach etwa einer halben Stunde kommt eine Schwester und holt mich ab. Zeit zum Verabschieden. Es herrscht Besuchsverbot - absolutes. Wenn ich draußen jemanden in der Stadt treffen, kann mir das aber keiner verbieten.
Wir küssen und umarmen uns. Ich vermisse dich jetzt schon. Ich liebe dich. Wir telefonieren heute Abend sagt K. und geht.

Ich wohne in den nächsten drei Wochen ganz oben. Ganz hinten rechts. Ein niedliches kleines Zimmer. Das Bad mit ebenerdiger Dusche. Ein Schnelltest wird gemacht. Gefolgt von einem PCR. Wenn der negativ ist, darf ich Morgen Vormittag wieder aus dem Zimmer.

Bis dahin ist Langeweile angesagt. Solange ich ruhig liege ist Fernsehen und Lesen kein Problem. Wenn ich mich auch nur ein kleines Stück bewege dauert es ein paar Sekunden, bis ich wieder klar sehen kann.

Abends telefoniere ich mit K. Sie ist bei ihren Eltern in ihrer alten Heimat. Ich wusste davon, kein Problem. Ihre Mutter hatte am 17.01. Geburtstag. Wir konnten nicht hinfahren. Liebe Grüße nochmal!
Irgendwann heute Nacht wird sie zu Hause sein. Morgen früh will sie auf jeden Fall anrufen.
Ich vermisse dich ganz arg. Ich liebe dich. Wir schaffen das zusammen!
Irgendwann schlafe ich ein.

16.05.2022 12:56 • x 1 #33


n3xst
27.01.2022 bis 17.02.2022
Die Zeit in der Reha ist eintönig. Ich werde deswegen nicht jeden einzelnen Tag beleuchten.

Am Freitag nach Rehastart darf ich das Zimmer verlassen. Im Foyer steht eine Briefkastenanlage, versehen mit den Zimmernummern. Der Zimmerschlüssel passt hier. Darin finde ich den Plan bis Morgen.

Heute Vorstellung in den einzelnen Abteilungen.
Ataxie, Physiotherapie, Ergotherapie, Bewegungsbad, Neuropsychologie, Sozialassistenz. Versehen mit Zeiten. Ich muss mich beeilen. Der erste Termin ist in 5 Minuten.

Bewegungsbad. Möchte ich das machen? Muss ich das machen? Unbedingt. In einem Gespräch steckt der Therapeut die Eckpunkte ab. Notiert sich mein Ziele.

Ergotherapie. Greifen, hinlegen, festhalten, ... Kann ich alles. Keine Therapie hier nötig. Ich soll nur schreiben üben.

Physiotherapie. Wow, die Therapeutin ist sehr nett. Wir machen ein paar Übungen und sie macht sich Notizen. Ganz klar: da ist vieles eher suboptimal. Sie möchte versuchen, meine persönliche Therapeutin zu bleiben, wenn es die Planung zulässt. Wir sind uns auf Anhieb sympathisch und sie sagt Ich bin A., ich darf doch du sagen?
Ab sofort werde ich für die nächsten drei Wochen Montag bis Freitag von ihr betreut.

Ataxie. Was ist das überhaupt? Erneut steht A. vor mir. Eine Ataxie Gruppe dient dem Training von Gleichgewicht und Koordination erklärt sie mir. Einige dieser Gruppen wird sie auch leiten. Ich freue mich schon.

Samstag geht es weiter mit Sozialassistenz. In einem lockeren Gespräch möchte die Frau einiges von mir wissen. Da ich sozial gut aufgestellt bin, die Berufsgenossenschaft als Kostenträger eingespannt ist und noch kein Grad der Behinderung festgelegt würde, werden wir nur zum Ende hin einen Termin haben. Das nehme ich erstmal so hin.

Neuropsychologie. Hier geht es vordergründig um die Frage, ob ich wieder Autofahren kann und darf. Außerdem soll untersucht werden, welche psychischen Schäden die Blutungen hinterlassen haben könnten. Ein paar Fragen später habe ich jede Woche einen Termin.

Samstag Nachmittag kommt K. Ich kann wieder relativ gut laufen und wir gehen im Park spazieren. Ich erzähle von den ersten Tagen und sie von ihrem Ausflug zu ihren Eltern und von Freunden und wie einsam die Wohnung wieder ist. Liebe Grüße und alles Gute von allen Seiten soll sie ausrichten. Wir setzen uns auf eine Bank und reden einfach nur.
Drei Stunden halte ich aus, bevor ich sie zu meinem Auto begleite und zum Abschied winke.

Sonntag kommt sie wieder. Drei Stunden. Mit reden, Händchenhalten. Küssen. Im Arm liegen. Diesmal bringt sie mich zur Tür, bevor sie geht.

Das ganze ist erst zwei Wochen her. Zwei Wochen in denen ich gekämpft habe. In denen um mein Leben gekämpft wurde. In denen ich passiv habe alles über mich ergehen lassen.
Jetzt liegt es an mir. Termine einhalten. Selbstständig Bewegen. Laufen. Schwimmen. Training. Krankengymnastik. Ich kann mich wieder aktiv einbringen.

16.05.2022 14:46 • x 2 #34


B
Ganz ehrlich, ich bewundere Dich für das, was du durchmachen musstest. Du bist so klar, so reflektiert und ich lese keine Spur von Selbstmitleid. Wie kann das sein?
Dein Thread ist ganz großes Kino, allerdings leider real.

Ich wünsche Dir, dass Du wieder auf die Beine kommst und weitgehend ohne Einschränkungen leben kannst. Und Deine Verlobte ist Dir eine zuverlässige Stütze, die Dich wirklich liebt.

Ich bin schon gespannt auf Deine weiteren Posts und schaue immer wieder bei Dir vorbei.

Ich kenne auch einen mit Schädel-Hirn-Trauma. Ein Unfall bei der Rückfahrt von einer Veranstaltung in der Nacht. Er kam von der Straße ab - mehr weiß er nicht. Es ist mittlerweile sogar Jahrzehnte her. War es Wild, dem er ausweichen wollte oder ein entgegenkommender Autofahrer oder war es überhöhte Geschwindigkeit? Keiner weiß es, ihm fehlen drei Monate, in denen er im Koma lag. Man wusste nicht, ob er wieder wach wird und wenn ja, wann.

Danach war es ein langer Weg, denn er konnte praktisch nichts mehr. Nicht mal richtig gehen. Aber er ist unheimlich zäh. Heute gehe ich einen Meter, morgen zwei, dann bis zu der Bank, dann zu der Bank dort drüben.. So kam er wieder auf die Füße. Er hat Sprachschwierigkeiten, aber man versteht ihn sehr gut. Man hört, dass das Sprachvermögen leicht eingeschränkt ist. Schlimmer sind die Verkrampfungen, die er hat. Und das Gleichgewicht ist auch nicht stabil. Wenn man ihn gehen sieht, könnte man meinen, er ist betrunken. Aber er treibt dennoch Sport - Rückenschule und so was, was nicht so schnell ist und wo es nicht auf Reaktion ankommt. Ergotherapie hat er seit Jahren, ohne Erfolg, aber ohne wäre es vermutlich schlimmer. Arbeiten kann er nicht. Wahrscheinlich hat es ihn schlimmer erwischt als Dich. Aber er lebt so weit gut und er strahlt Lebensfreude aus - auch hier meine volle Bewunderung. Auch wenn es erschütternd ist, so ist es auf der anderen Seite wieder tröstlich, was Menschen bewältigen können.
Merkwürdig, er ist unheimlich dehnbar, von den Gelenken und der Muskulatur her. Ob das von dem Unfall kommt, weiß ich nicht. Und er hat kaum ein Kälteempfinden und läuft auch im Winter mit dünner Jacke und ohne Mütze, Handschuhe und Schal rum. Er spürt die Kälte nicht.

Schreib weiter, wenn Du wieder magst und Zeit hast!

17.05.2022 15:22 • x 1 #35


D
Hallo

Deine Geschichte bewegt mich sehr

Im Hinterkopf habe ich allerdings deinen anderen Post

Wie du dein Empfinden beschreibst, gegenüber deiner Freundin.
Das Vertrauen, das du ihn sie hattest

Omg… es liest sich wie ein Buch, in dem man als Leser weiß, was sich zusammenbraut, nur die Hauptperson nicht.

Ich kann deine schwere Enttäuschung nachfühlen.

Danke dir, dass du uns teilhaben lässt
Ich wünsche dir von Herzen Kraft für deinen Körper und auch für die Seele, die ja genauso schwer überfallen wurde

17.05.2022 15:55 • x 2 #36


Jane_1
Lieber @n3xst , ich möchte mich auch kurz melden und nicht nur lesen.
Auch mich berührt deine Geschichte sehr und ich würde mir wünschen, dass Menschen wie der Täter so etwas lesen (am besten VOR einer möglichen Tat).

Ich wünsche dir weiterhin eine gute Genesung, viel weniger Herzschmerz und in der Zukunft eine verlässliche, stabile Partnerin.
(kenne übrigens einige Leute mit CI - allerdings alle gehörlos geboren - die gut bis sehr gut damit zurecht kommen. Da dein Hirn das Hören nicht komplett neu lernen muss, wird es bei dir bestimmt sogar noch besser klappen. Drücke dir die Daumen dafür!

17.05.2022 16:22 • x 1 #37


n3xst
Zitat von Begonie:
Deine Verlobte ist Dir eine zuverlässige Stütze, die Dich wirklich liebt.

Tut mir leid, Begonie, es kommt für mich leider anders:
Zitat von Dolly:
Omg… es liest sich wie ein Buch, in dem man als Leser weiß, was sich zusammenbraut, nur die Hauptperson nicht.


Zitat von Begonie:
Wahrscheinlich hat es ihn schlimmer erwischt als Dich. Aber er lebt so weit gut und er strahlt Lebensfreude aus - auch hier meine volle Bewunderung.

Das hat es mit Sicherheit und mir tut das wirklich sehr leid. Seinen Weg zu gehen, mit solchen Schlägen umzugehen und wieder nach vorne Blicken zu können ist nie leicht.

Zitat von Jane_1:
kenne übrigens einige Leute mit CI - allerdings alle gehörlos geboren - die gut bis sehr gut damit zurecht kommen. Da dein Hirn das Hören nicht komplett neu lernen muss, wird es bei dir bestimmt sogar noch besser klappen. Drücke dir die Daumen dafür!

Die Prognosen sind auf jeden Fall vielversprechend. Ich stehe auch in Kontakt mit CI-Trägern. Das macht auf jeden Fall Mit.

18.05.2022 07:35 • x 1 #38


B
Zitat von n3xst:
Tut mir leid, Begonie, es kommt für mich leider anders:


Oh, dann hat sich dann wohl doch einiges verändert. Ich kenne Deinen anderen Thread nicht. Aber schreibe gern weiter wie es sich weiterentwickelt hat, wobei mich Deine Fortschritte am meisten interessieren.

18.05.2022 11:59 • x 1 #39


A


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