19.01.2022
Wieder dröhnt der Schädel. War da nicht was? Ich nehme die zwei Tabletten. Es dauert eine Weile, dann schlafe ich wieder ein.
Da wackelt jemand an mir. K., die mich weckt. Zeit auf aufzustehen. Kaffe trinken, eine rauchen. Ein Kuss und dann auf Arbeit.
Ich öffne die Augen. Das ist nicht unser Schlafzimmer. Das ist nicht K. Doch kein Traum. Ich versuche mich etwas zu sortieren.
Die Schwester misst den Blutdruck. Blut ziehen. 38.
Frühstück? Mir ist flau im Magen. Appetit habe ich nicht.
Visite. Mir ist heute nicht nach Fragen stellen zu Mute. Ich lasse das über mich ergehen. Verstehen kann ich wieder nichts von dem, was gesagt wird. Alle reden durcheinander. Liegt es vielleicht daran?
Die Rettungssanitäter kommen. Steht es so schlecht um mich? Ach, warte mal. Das sind die vom Fahrdienst. Mit ihrer Unterstützung schaffe ich es auf die andere Liege. Naja. Es ist eine Trage. Eng. Hart. Kann mich gar nicht erinnern, dass das Montag auch schon so war. Ich werde also wieder zur HNO gebracht?
Ich möchte heute nicht reden. Zu sehr bin ich enttäuscht, dass dieser böse Traum gar keiner ist. Außerdem käme eh nur Blödsinn raus. Der Fahrdienst, die Schwestern und Ärzte können ja gar nichts dafür. Sie geben ihr Bestes - davon bin ich überzeugt! Will ich das überhaupt? Will ich nach diesem Aufwachen in der Realität nicht lieber wieder einschlafen, meine Augen geschlossen halten und den Kopf für immer ausschalten?
Wir sind schon da. Fr. Dr. X lächelt mich an. Sie schon wieder?! Na sie hat wenigstens Humor. Was hat sie da hinter den Ohren? Ein komisches Gerät steckt sie mir erst in das eine, dann in das andere Ohr. Trommelfell sieht rosig aus. Rosig? Ist das gut oder schlecht? Es bedeutet, dass das Trommelfell völlig in Ordnung ist, mehr nicht.
Es fällt mir immer leichter, meine vorbereiteten Sätze auszusprechen. Oft suche ich nach Worten. Kann jetzt wirklich jemand etwas damit anfangen, oder ist das immernoch gequirlter Unfug, den ich von mir gebe? Dr. X scheint es zumindest zu verstehen. Fortschritt?
Sie schiebt mich persönlich in die Audiologie. Die zwei Audiologie-Assistentinnen vom Montag sind wieder da. Es wirkt schon fast ein wenig vertraut. Heute wird es besser, als beim letzten Mal!
Die Untersuchungen sind die gleichen.
Straßenlärm aus den Lautsprechern. Sätze, die ich nicht verstehe. Kopfhörer aufsetzen, Töne einspielen. Diesmal erst links. Geht richtig gut.
Jetzt rechts. Nichts. 0 Komma 0. Njente. Nitschewo. Es ist Totenstille. Ich kann meinen Atem hören. Spüre meinen Pulsschlag und wie mein Herz unaufhörlich seinen Dienst verrichtet. Nur die Töne höre ich nicht!
Das flaue Gefühl im Magen krampf sich um meine Brust. Dieser furchtbare Traum geht weiter. Wenn ich nur fest daran glaube...? Nein. Es ist die Wirklichkeit. Es ist Realität. Ich sitze in dieser Achterbahn und kann nicht mehr aussteigen. Runde um Runde um Runde. Spuckbeutel? Danke! Die gibt es hier zum Glück überall. Eine Schwester kommt hereingerannt. Hängt mir einen Tropf an.
Ich sehe mich von außen auf dieser Trage liegen. Ein Wrack. Nur noch eine Hülle, die aufgehört hat zu funktionieren. Dieser leblose Körper existiert nur noch auf dem Papier. Ist es nicht genau das, was ich wollte?! Kann sein.
Ich öffne die Augen. K. steht weinend am Bett. Sie hat die Augen zu und hält meine Hand. Wispert leise etwas vor sich hin. Wieder eine Maschine, die rhythmisch vor sich hin piept. Der Ton wird schneller. K. drückt auf den roten Knopf. Eine Schwester kommt. Schiebt K. beiseite. Willkommen zurück! sagt die Schwester. Schön, dass sie sich entschieden haben bei uns zu bleiben. K. schluchzt und lächelt gleichzeitig.
Die Schwester sagt noch etwas und verschwindet. K. sinkt mit ihrem Kopf auf meine Brust und sagt ganz leise, von Tränen erstickt Danke...
Man wollte sie nicht zu mir lassen. Niemand redet mit ihr über mich. Wir sind nicht verheiratet. Langsam dämmert mir, was da gerade passiert ist. Meine Eltern haben K. geschickt. Sie wurden angerufen. Kritischer Zustand. Verabschieden sie sich. Ich bin ihnen dankbar, dass sie K. den Vortritt gelassen haben...