Der folgende Text kann vielleicht manchen Männern helfen, die auch Workaholics waren oder sind, zu verstehen, warum sie von ihren Frauen verlassen wurden.
Eben habe ich verstanden, warum ich vor 5 Wochen verlassen wurde. Ich habe H. noch mal gebeten, zusammenzufassen, was die Gründe dafür waren. Sie hat sie mir schon oft genannt, aber erst jetzt habe ich ihr wirklich zuhören können und kann ihre Sicht nun nachvollziehen. (Es ist ihre Sicht, meine Sicht und meine Gefühle sind etwas völlig anderes, deshalb meine Erläuterungen in Klammern).
Aber ihre Sicht zu verstehen, hilft mir zu begreifen, dass es nichts nützt, wütend auf sie zu sein. Sie ist nicht böse, ich bin kein schlechter Mensch, weil sie mich verlassen hat, sondern es musste einfach zwangsläufig so aufgrund meines Verhaltens so kommen. Ich habe die blinkenden Warnlampen nicht wahrgenommen. Das schlimme ist, ähnliches ist mir ca. 10 Jahre vorher schon einmal passiert. Dies ist meine letzte Chance, endlich daraus zu lernen.
Man muss wissen, dass ich in den letzten sechs Monaten heftigen Stress bei meiner Arbeit hatte, der mich sehr belastet und an meinem Selbstwertgefühl heftig gekratzt hat.
Die Kurzfassung:
Ich habe sie nicht mehr wahrgenommen und nicht mehr begehrt.
Die Langfassung:
- Ich habe ihr nicht mehr zugehört. Sie hatte keinen Platz mehr für ihre Probleme, ich habe sie nur kurz zu Worte kommen lassen, dann habe ich von meinen Problemen auf der Arbeit erzählt. Die hatte sie schon so oft gehört, sie wollte irgendwann nichts mehr davon hören.
- Ich machte ihr keine Komplimente mehr wie früher, ich habe ihr nicht bestätigt, wie wichtig sie mir ist, ihr nicht mehr gesagt, dass ich sie liebe.
- Wir planten keine Unternehmungen mehr, wie wir es früher oft getan hatten. (Ich hatte keine Kraft dazu, dachte am Wochenende oder Abends nur noch an die Aufgaben am nächsten Arbeitstag)
- Sie hat sich am Wochenende immer auf den Montag gefreut, wo sie aus der Trostlosigkeit befreit wurde.
- Unser letzter Urlaub in Irland: Zum ersten mal ein Urlaub, wo wir etwas nicht zusammen toll gefunden haben, im Gegensatz zu vielen anderen Erlebnissen vorher. Ich wollte auf dem Shannon in einem Kajütboot rumtuckern, weil mir die Weite der Seen unheimlich viel Entspannung gaben. Sie fand es nach zwei Tagen langweilig.
- Wenn ich spät nachts ins Bett ging, und sie noch wach war oder wach wurde, habe ich mich ans andere Ende des Bettes gelegt, möglichste weit von ihr entfernt und bin sofort eingeschlafen. (Stimmt)
- Wenn sie morgens ihre Hand unter der Decke auf meinem Arm oder meinen Rücken legte, nachdem der Wecker geklingelt hatte, habe ich nicht reagiert, war wie tot und habe versucht noch mal bis zum nächsten Wecken in 5 Minuten zu schlafen. (Stimmt)
- Ich wollte S. nur noch am Wochenende, Freitag abends, Samstag und Sonntag morgens (Stimmt, nur wenn das Wochenende vor mir lag, konnte ich mich etwas entspannen und ließ meine körperlichen Bedürfnisse zu)
- Das war ihr zu wenig, ihre s.uellen Bedürfnisse wurden nicht befriedigt. Irgendwann verweigerte sie den S. am Wochenende, wenn dass der einzige sein sollte. (In der Woche hatte ich keinen freien Kopf dafür, konnte mich nicht fallen lassen)
- An meinem Geburtstag im Januar saß sie nach einem Essen im Restaurant im Nachthemd auf meinem Schoss, ich saß am PC, sie wollte mich verführen und ich musste noch 70 berufliche eMails lesen. Sie hat sich sehr verletzt gefühlt.
- Sie hat sich dann irgendwann immer mehr zurückgezogen, abends früh aufs Bett gelegt, den Fernseher an sich vorbeirauschen lassen... (das machte sie für mich noch weniger ansprechbar, ich konnte dann, wenn ich noch wollte nicht mehr zu ihr durchdringen)
- ....und hat sich irgendwann gefragt: Soll das das ganze Leben sein?
- Wir hatten keine gemeinsamen Ziele mehr, auf die wir hingearbeitet haben. (Stimmt, ich hatte keine Ziele mehr neben der Arbeit, dort hatte ich zu viele, die ich nicht erreichen konnte. Ich hatte auch unter der privaten Ziellosigkeit gelitten und das hat mich wieder noch antriebsloser gemacht)
- Sie hat mir genügend Warnungen gegeben: „So geht das nicht mehr weiter, du nimmst mich nicht mehr wahr. Wenn das so weiter geht, muss ich mir einen anderen Mann suchen.“ Ich habe nicht darauf reagiert. Ich habe sie immer wieder bis zum Ende des aktuellen dringenden Projektes vertröstet und dann kam sofort das nächste.
- An den freien Tagen zwischen über Weihnachten und zwischen den Jahren hatten wir eine Reise vor zu einer Turner Ausstellung. Am ersten Tag meines Urlaubs wurde ich krank, Erschöpfung, als der Arbeitsstress vorbei war. Ich lag erst mal vier Tage im Bett. Danach war ich niedergeschlagen, hatte keine Kraft, das Wetter war schlecht, Schnee und Staus auf den Autobahnen, wir hatten keine Winterreifen, wir haben die Reise immer wieder verschoben, bis der Urlaub vorbei war. Sie sagte: Nach dem Urlaub hatte sie sich gar nicht gefühlt, als hätten wir frei gehabt, wir hatten nichts unternommen. (Ich hatte das gleiche Gefühl. Ich hatte andauernd Panik vor dem Ende des Urlaubs, weil ich wusste, danach würde der Stress unvermittelt weitergehen. Ich konnte überhaupt nicht abschalten, ich dachte nur an den Tag, wo ich wieder zur Arbeit gehen musste.)
- Für sie waren dieser Urlaub langweilig und sie war froh, dass sie danach wieder zur Arbeit gehen konnte.
- Irgendwann merkte sie, dass es bei der Arbeit schön war, dass sie Spaß hatte, dass sie Bestätigung und Anerkennung bekam, dass die Leute an ihr interessiert waren.
- Irgendwann merkte sie auch, dass in ihrem Team ein Mann war, mit dem sie sich immer besser verstand. Er hätte sie nie angebaggert, denn sie hatte ihm schon einmal ein paar Monaten vorher gesagt, dass sie einen Partner hatte, als sie damals glaubte, er würde ihr zu nahe kommen oder auch weil sie sich vor der Nähe schützen wollte.
- Schließlich hatte sie sich ihm angenähert, wollte mit ihm nach Terminen noch in die Kneipe gehen. Fragte, ob er sie noch nach Hause bringen könne.
- Als sie mich Ende Februar mehrmals dringend bat, doch ein paar Tage übers Wochenende mit ihr wegzufahren sagte ich, ich habe keine Zeit und kein Geld. (Ich hatte wegen meiner Arbeit keine Gedanken frei für eine Reise.) Am nächsten Wochenende kaufte ich mir ein teure Gitarre (ich hatte schon seit drei Jahren mit genau diesem Modell geliebäugelt, mich immer wieder dagegen entschieden, ich sah zufällig eine günstige gebrauchte und glaubte, ich müsse mir gegen alle finanzielle Vernunft etwas gutes tun, wo es mir insgesamt so schlecht ging. Ich ahnte, dass ich damit H. verletzen würde, dass sie es nicht verstehen würde.)
- Sie wollte dann wenigstens alleine für ein paar Tage wegfahren. Einige Arbeitskollegen wollten sich anschließen, auch der besagte Mann.
- Ich hätte noch sagen können: „Ich will nicht, dass Du mit diesen Leuten wegfährst. Lass uns zusammen wegfahren“ Das habe ich nicht getan (Ich ahnte damals schon, dass es bei diesem Urlaub passieren würde, aber ich wollte ihr das nicht verderben, ich hatte nicht die Kraft, den auf mich zurollenden Zug aufzuhalten, obwohl ich ihn deutlich kommen sah)
- Als sie nach vier Tagen zurückkam, sagte sie mir lächelnd: „Ich habe mich ein bisschen verliebt“.
Wenn ich ihr jetzt sage, ich will daraus lernen und mich anders verhalten, es kann wieder wunderbar werden wie vor einem halben Jahr, glaubt sie mir nicht. Es ist wie bei Kindern, die lange mit einem Spielzeug gespielt haben, es dann lange in der Kiste vergessen, genau bis zu dem Punkt, an dem es ein anderer entdeckt und hervorholt. Dann bekommt es plötzlich eine ungeheure Bedeutung und das Kind will es dem anderen nicht überlassen, weil die Erinnerung wieder hochkommt.
Sie erkennt an, dass wir drei ein halb wunderschöne Jahre hatten, die sehr wichtig für sie waren. aber glaubt mir nicht, dass ich mich ändern würde, wenn der Andere das Spielzeug aufgeben würde. Sie glaubt, dass ich sie dann bald wieder wegwerfen würde.
Sie hat recht, ich merke erst jetzt, nachdem sie mich verlassen hat, wie unendlich wichtig sie mir ist, was für eine wunderbare Frau sie ist, wie ich sie liebe und wie ich sie brauche.
Jetzt ist es zu spät.
Wenn andere ähnliche Fehler gemacht haben haben, die Warnlampen nicht beachtet haben, würde ich mich über Kommentare freuen.
06.04.2002 22:09 •
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