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Brunnen des Lebens

Damianos
Zitat von Garamond:
Die Wahrheit

Sie starrte in der Dunkelheit an die Decke, fühlte, wie eine Träne über ihre Wange lief. Warum diese Träume? Dieser Schmerz in ihrer Brust bei dem Gedanken, dass er eine andere liebte. Die Wut, die bei der bloßen Vorstellung in ihr hoch kochte, schnürte ihr die Kehle zu. Ihre Wut, die Hilflosigkeit angesichts der Gefühle, die in ihr tobten, raubten jegliche Selbstbeherrschung. Enttäuschung über die Erkenntnis, dass er nicht länger an ihrer Seite stand. Sie war allein. Sie hatte ihn endgültig verloren. Trug sie selbst Schuld daran, dass es so gekommen war? Am liebsten wäre sie bei ihm geblieben, verspürte einen kurzen Moment lang die irrsinnige Hoffnung, dass sie alles wieder heilen könnte, wenn sie ihren verdammten Stolz hinunterschluckte und zurück zu ihm ging. Sie stand also immer noch vor dem Abgrund und wusste keinen Weg hinüber. Der Kloß in ihrer Kehle erwürgte sie fast, ihr Körper fühlte sich taub und leer. Du bist nicht allein, flüsterte ihr eine innere Stimme zu. Es klang so vertraut, wie ein Teil von ihr. Sie breitete die Arme aus, hob das Gesicht dem Mond entgegen.
Sie wollte ihn leiden sehen, für das, was er ihr angetan hatte. Für das Leid in ihrer Seele, an dem irgendjemand Schuld sein musste. Wie ein Schlafwandler geisterte sie umher, nahm ihre Umwelt nicht mehr wahr. In ihr herrschte eine Leere, die sie zu verschlingen drohte. Mehr als einmal wünschte sie, sie würde es tun. In ihren Träumen, ihren Gedanken fühlte sie sich allein, sehnte sich nach seiner Liebe. Gleich einer Woge überrollte sie die Erkenntnis, dass all dies im Grunde keinen Sinn ergab. Und dann kam es zurück, dieses Etwas, das sie vorwärts trieb, sie anstachelte. Nein! Sie durfte nicht aufgeben, nicht zweifeln oder hadern. Mühsam kämpfte sie sich wieder auf die Füsse. Die Kraft, die sie lenkte, war wieder da. Genug der Wehmut, sie nutzte niemandem. Es war ihr Kampf, ein gerechter Kampf. Das war keine Liebe mehr, was war nur aus ihm geworden? Er war nicht mehr der Mann, in den sie sich verliebt hatte. Sie ergriff die Flucht, weil sie nicht ertragen konnte zu sehen, was aus ihm, was aus ihnen geworden war, denn sie trug eine Mitschuld daran, das wollte sie nicht leugnen.

Warum? Egal wie sehr sie sich den Kopf zermarterte, die Tatsache blieb. Er war gegangen. Er hatte sie verlassen. Für immer. Sie liebte ihn, aber sie lebte auch. Und sie wollte leben! Ist es nicht das, was sie immer wollte?

Rätsel in der Dunkelheit. Zu weinig Mondlicht. Schlafwandler im Licht des Vollmonds. Aufwachen! Die Sonne scheint. In ihrem Licht wird alles sichtbar. Zunächst geblendet gelingt es die Augen zu öffnen. Und dann siehtst du den Weg. Er liegt vor dir.

22.08.2016 21:02 • x 1 #46


G
Das Leben

Sie sitzt auf ihrer Dachterrasse, inmitten von Häusern und Bäumen und blickt zum klaren, blauen Sommerhimmel hinauf. Die Nachmittagssonne brennt auf ihrer Haut, wärmt ihre Knochen, ihren Bauch. Sie entspannt sich und spürt, wie ihr Körper weich und geschmeidig wird. Es war so angenehm, absolut genial.
Gleitschirmflieger kreuzen am Horizont und sie kneift die Augen zusammen. In diesem Moment sind all ihre Zweifel verschwunden. Es ist als strebte sie einem hellen, strahlenden Licht entgegen. Als wäre sie Ikarus, der der Sonne gefährlich nahe kommt. Sie genießt den Augenblick, einen kurzen Moment tiefster, reinster Zufriedenheit. Eigentlich müsste sie ein schlechtes Gewissen haben, weil sie diese Freude empfinden kann. Aber das tut sie nicht. Das Leben, so wie es sich hier und jetzt präsentierte, war wunderbar, und sie hat gelernt, es wertzuschätzen. Sie will jeden Augenblick in sich aufnehmen und sich tragen lassen. Wohin sie der Weg auch führt, wohin sie die Sehnsucht auch bringen mag, sie will davon zehren.

Und ihre Seele spannte weit die Flügel aus. Fliegt durch die stillen Lande, als flöge sie nach Haus.
(Joseph Freiherr von Eichendorf)

11.09.2016 13:37 • x 5 #47


A


Brunnen des Lebens

x 3


G
@Garamond
vielen Dank für die wunderschönen Worte!
Ich habe weinen müssen, können, dürfen .... endlich!
Es ist als wenn Du mein Leben, meine Gefühle beschrieben hast.
Nur, ich sitze noch lange nicht auf der Dachterasse.
Ich hätte es nicht besser ausdrücken können!
Kann nachempfinden, wie es Dir geht
Ich wünsche Dir weiterhin viel Kraft und alle Gute

11.09.2016 14:40 • x 3 #48


G
Zitat von Gast_liebevoll:
Ich habe weinen müssen, können, dürfen .... endlich!


Bin bei dir und wünschte, auch ich könnte endlich weinen. Vielleicht werde ich es eines Tages, befreiende Tränen weinen und dann weinen vor Glück.

Auf einer Wiese liegen und die Wolken betrachten, am Ufer des Flusses stehen und den vorbeifahrenden Schiffen zu winken, im Regen tanzen und die Sonne auf der Haut spüren ... einfach jeden Augenblick LEBEN.

Danke liebevoller Gast

11.09.2016 21:39 • x 3 #49


E
Das wünsche ich dir von ganzem Herzen.
Wer so wunderschöne Worte und Gedanken hat wie du, auf den warten noch viele magische Momente.

11.09.2016 21:42 • x 1 #50


G
Das Ende

Sie leidet, sie leidet jeden Tag unter der Erkenntnis, dass sie sich selbst so vernichtet hatte. Ihre Augen wirken auf andere traurig, ihr Gesicht scheint unnahbar, fast abweisend. Doch die Seele brennt.
In ihrem Bauch keimte ein hysterisches Lachen. Stück für Stück zerfrass es ihren Verstand. Sie wusste nicht, wie sie weiter leben sollte. Das Zentrum ihrer selbst, die Sonne in ihrem Universum, war verloren. Als wäre das Leben gewichen, nichts mehr geblieben, außer einem Traum. Das Märchen existierte nicht mehr. Weiß wie Schnee, rot wie Blut und schwarz wie Ebenholz. Ein Schneewittchen, nur das es bei ihr nicht das Haar war, das die Farbe der Nacht angenommen hatte. Schlafen. Auf das nie wieder einer komme, der sie erweckte. Das einsame Schneewittchen in einem gläsernen Sarg aus Eis. Für immer.

20.09.2016 21:22 • x 2 #51


G
Selbst wenn sie wollte ... nichts wird ihre Sehnsucht erklären ... nichts wird mehr so sein wie es einmal war.

Kein Begehren, keine Unbefangenheit, kein Neuanfang ... das Leben, das Alter hatte sie eingeholt. Der Rapunzelturm wird ihr Gefängnis bleiben ...weil kein Prinz sich hierher mehr verirren wird. Es bleibt ihr nur noch die wahre Liebe ihres Sohnes, das einzige was sie noch am Leben erhält. Dafür will sie ertragen, dafür will sie ihre Maske nicht ablegen ... für die einzig wahre Liebe ihres Lebens. Unter Schmerzen geboren wird er sie tragen bis zum letzten Atemzug.

20.09.2016 23:26 • x 2 #52


E
Du kannst dich selber tragen..steh einfach wieder auf.
Dein Sohn ist der Grund, warum du es tun musst.
Alles Liebe

20.09.2016 23:58 • x 2 #53


G
Zitat von frischgeföhnt:
Du kannst dich selber tragen..steh einfach wieder auf.
Dein Sohn ist der Grund, warum du es tun musst.
Alles Liebe


Du hast es geschafft ... nach 10 Monaten war es das erste Mal, dass ich weinen konnte, wirklich bitterlich weinen konnte, die Maske fallen lassen habe .... Last abwerfen, frei sein ...

21.09.2016 00:42 • x 1 #54


L
weinen tut gut und befreit...nutze es, um mehr last abzuwerfen

liebe gruesse

21.09.2016 00:50 • x 3 #55


E
Liebes..
Weine dich gründlich aus.
Danach wird es dir besser gehen..

21.09.2016 05:46 • x 1 #56


K
Zitat von luchadora:
weinen tut gut und befreit...nutze es, um mehr last abzuwerfen

liebe gruesse


wünschte auch das mal zu können.. nicht immer nur stark zu sein..
freue mich zu lesen das es anderen gelingt..
lass es wirken..

langsam wächst in mir Widerständigkeit..
wenn jemand wo auch immer noch was drauflegen will
auf das schwere Päckchen.. dann reagier ich schneller..
soll jeder seins tragen..
meins ist schwer genug..

Trost finden und geben
dafür steh ich zur Verfügung..
hier ist der wunderbare Ort.. mit wunderbaren Menschen..
die verstehn und wissen was es bedeutet..
am Boden zu liegen und zu lernen wieder zu stehn.. zu gehn..

manchmal denk ich werd mein ganzes weiteres Leben hier verbringen..
oder gibt's ne Grenze.. bei 10 000 Beiträgen ..

21.09.2016 07:09 • x 4 #57


G
Das Wehtun

Sie gab sich einen Augenblick ihrer Sehnsucht hin, dem Schmerz, den sie in den vergangenen Monaten tief in sich vergraben hatte. Die Enttäuschung über seinen Verrat ließ eine Leere in ihr zurück, von der sie nicht wusste, wie sie sie wieder füllen sollte. Sie fand keine Rechtfertigung mehr für ihn, er trat nach, immer und immer wieder. Sie hatte längst den Glauben an ihn verloren, er war einfach nur noch ein bemitleidenswertes Geschöpf.

Warum hörte sie nicht auf an die Liebe zu denken und versuchte statt dessen ein eigenes Leben zu führen? Hatte die Liebe ihr je etwas anderes als Enttäuschungen gebracht? Oder vielleicht hatte sie von der Liebe immer die falschen Dinge erwartet? Sie wollte sich an einen Mann verlieren, wollte nicht mehr sie selbst sein, wollte auf geliehenen Schwingen in den Himmel fliegen. Und die geliehenen Flügel versagten immer dann, wenn sie sie am nötigsten gebraucht hätte. Vielleicht sollte sie sich doch eigene anschaffen.

Es gab nichts mehr in ihrem Leben, das ohne Klang, ohne Duft war. Alles trug eine fremdartige Schönheit in sich, fühlte sich vertraut und neu zugleich an. Ihr Geist war noch zu verwirrt, um alles zu begreifen. Der einzige Halt, ihr Trost in diesem Chaos, das nun ihr Denken, Fühlen, ja ihre ganze Existenz erfüllte, war sie selbst.

Der Engel in ihr war gestorben.

26.09.2016 17:51 • x 2 #58


E
Dieses Wehtun ist auch in mir.
Jedes Wort.

Ich will es nicht mehr.

26.09.2016 18:01 • x 1 #59


G
Der Regen

Sie geht im Dunkeln spazieren. Mitten in der Stadt, es sind nur noch wenige Menschen unterwegs, der Herbst ist zu spüren. Die spärlichen Lichter um sie herum nimmt sie kaum wahr, alles scheint so unwirklich. Ihre Gedanken schweifen ab und Melancholie nimmt von ihr Besitz. Gedanken, die sie früher immer verdrängt hatte, die nicht in ihr Konzept gepasst hatten, holten sie ein. Es zulassen, die Wahrheit sehen, Frieden finden.
Die schwarze Nacht hüllte sie ein. Sie denkt an die Menschen, die ihr Leben reich machten und machen. Sie denkt an die Liebe, den Schmerz, die Wut und den Zweifel und alles was sie fühlt und gefühlt hat. Sie denkt an die Veränderung in ihrem Leben, das vor kurzem noch völlig anders aussah.
Tränen fallen, vermischen sich mit dem Regen. Und der Regen wollte nicht enden. Sie ertrug die Kälte und die Nässe, denn sie wollte sich nicht mehr wehren. Der Wind wurde immer peitschender und die Kleidung konnte das Wasser kaum noch abhalten und sie zittert am ganzen Körper.
Sie kehrt um und geht zurück nach hause. Nach hause? Sie steigt die Treppe hinauf in ihren Turm, ganz oben über den Dächern der Stadt. Rapunzelturm hatte sie ihn selbst genannt. Doch die Haare hatte sie sich abschneiden lassen, denn ihr Herz war gestorben, weil sie nicht mehr wußte wo ihr Platz war.

Sie starb und wird wieder geboren als neuer Mensch an der Seite des einzigen Menschen der immer da sein wird. Sie weiß, daß es ihr einziger Weg ist.

09.10.2016 21:40 • x 3 #60


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