Zitat von leilani1801:Na ja. aber schließlich muss von dem noch vorhandenen Geld auch die Pflege des Vaters finanziert werden. Je nachdem wie lange er noch lebt, kann es auch gut sein, dass dieses Geld nicht mehr ausreicht und dann müssen wir Geschwister zumindest anteilig dafür aufkommen.Mein Partner ist auch krebskrank und wir haben uns bereits darüber ausgetauscht, wie sich eine mögliche Beerdigung finanzieren ließe und sind zu dem Entschluss gekommen, dass diese hälftig von ihm und mir übernommen werden würde, obwohl wir nicht verheiratet sind. Da kam niemand auf die Idee an das Geld der Verwandtschaft zu gehen, obwohl wir beide finanziell auch nicht sonders gut gestellt sind.Was mich eben daran so stört ist die nach mir die Sintflut Denke und der Mangel an Eigenverantwortung. Weiterhin, dass es um Kosten von 10000-15000Euro geht, also eine recht luxuriöse Bestattung und Trauerfeier.Da hätte ich schon, bei aller Trauer und Tragik der Situation, ein kleines Zugeständnis erwartet, entweder im Sinne einer günstigeren Beerdigung oder einer Selbstbeteiligung.
Liebe @leilani1801
Mein Beileid zum Tod Deines Halbbruders und ich habe großes Mitgefühl für dies ausgesprochen schwierige Situation, in der Du Dich befindest.
Ich verstehe Deine Bedenken sehr gut und es tut mir sehr leid, daß Du so wenig in die Entscheidungsfindung einbezogen wurdest.
Meine (reichlichen) Erfahrungen dahingehend sind, daß die Versachlichung von Gefühlen zumeist im Chaos endet.
Wenn ich Dich richtig verstanden habe, dann ist Deine Argumentation ja schon die, zu sagen, Moment mal, wenn unserem Vater das Geld ausgeht, dann sind wir alle in der Pflicht anteilig die Pflege zu finanzieren. Vor diesem Hintergrund wäre es zumindest angemessen gewesen, das Einverständnis aller (also auch Deins) vorab einzuholen und nicht nur zu informieren und zum anderen auch zu schauen, inwieweit die Übernahme der vollen Kosten absolut notwendig (entweder emotional, weil sich Dein Vater das so wünscht oder eben auch finanziell, weil Dein Bruder eben nicht vorgesorgt hat) war.
Ich könnte mir gut vorstellen, daß da verschiedene Ebenen und Fragestellungen sehr vermischt werden:
Ad1) Du würdest nicht miteinbezogen
Es scheint mir, als wiegt dies besonders schwer, was ich sehr gut verstehen könnte. Ich habe den Eindruck, daß Du über die mögliche Betroffenheit, selbst in die Verantwortung genommen zu werden, falls das Geld Deines Vaters nicht ausreichend ist für die Dauer der Pflege, eine Art von Recht konstruieren magst, daß man dich eben in jedem Fall mit in die Entscheidung einbeziehen hätte müssen.
Das aber braucht es NICHT. Es braucht keine besonders gute Begründung, warum Du hättest auch gefragt werden müssen.
Selbst wenn Dein Vater so viel Geld hätte, daß Deine Argumentation nicht funktionieren würde, ist es völlig ok, nachvollziehbar und richtig, daß Du enttäuscht darüber bist, daß Du nur informiert wurdest.
An der Stelle ist es nämlich keine Frage von Geld oder Verantwortlichkeiten, sondern schlichte Familiendynamik, die es aller Wahrscheinlichkeit schon vorher gab, jetzt in diesem Moment aber ganz deutlich zum Vorschein kommt.
Ob und inwieweit das auflösbar ist, ist schwierig. Es braucht da ja auch immer die Bereitschaft aller zum Sehen und dann den Willen zur Veränderung. Was ich in solchen Situationen versuche zu tun ist, die Fragen zu trennen. Nochmal es braucht eben keine (besonders gute) Begründung, warum Du traurig sein darfst, daß man Dich nur informiert nicht aber miteinbezogen hat. Das könnte sich auch bei Deinen Geschwistern thematisieren lassen. Du bist auch Tochter, Du hättest Dir mehr Mitsprache gewünscht. (Wenn Du an der Stelle das Fiskale aus der Argumentation nimmst, verhinderst Du auch, daß die (wichtige) Auseinandersetzung nicht im Nebelbombenfeuer von Geiz, Neid und Gier untergeht.)
Ad2) Hätte es unter den Umständen nicht auch eine etwas günstigere Lösung gegeben.
Auch hier ist es sinnvoll, die Sachebene von der Gefühlsebene zu trennen.
Regional immer noch etwas unterschiedlich, aber eine durchschnittliche Beerdigung (mit Leichenschmaus, Grabstein etc) kostet so um die 7.000 Euronen. Jetzt gehen wir vom Mittelwert der vermeintlichen Kosten für die Beerdigung Deines Bruders aus, das sind 12.500. 5.500 Euro mehr. Sehr viel Geld. Allerdings relativiert sich das, wenn man sich Pflegekosten anschaut. Die dann ausgegebenen 5.500 Euronen würden für die Pflege Deines Vaters einen Unterschied von wenigen Monaten machen. Soll heißen, daß auf Sachebene, Dein Argument zwar stimmt, aber auch nicht so weit geht, wie Du Dir das vielleicht im Moment vorstellst.
Womit wir bei der wichtigen emotionalen Ebene wären. An der Stelle wird es noch mal zusätzlich kompliziert, da nicht nur die eigenen Wertvorstellungen hinein spielen sondern Du zusätzlich in der Situation bist, ein ähnliches Problem anders lösen zu wollen. Dein Mann und Du haben eine andere Wahl getroffen. Diese Wahl und die damit verbundenen großen und vielschichtigen Emotionen beeinflussen das Ganze ja zusätzlich, insbesondere auch deshalb weil Eure Entscheidung ja das genaue Gegenteil dessen ist, was gerade für die Beerdigung Deines Bruders getroffen wurde.
An einer Stelle hast Du Eigenverantwortung erwähnt. Ich kann da nur von mir sprechen, aber meiner Erfahrung nach hat so eine Konstellation immer auch die Kraft, sehr alte Verletzungen und Kränkungen in neuem Gewand nochmal ans Licht zu bringen. In meinem Fall mußte ich schon sehr früh, sehr, sehr viel Verantwortung übernehmen, was ich lange Zeit ohne Hinterfragen getan habe. Das war nicht nur nicht leicht sondern eben auch oft schmerzhaft. Wenn ich heute in der Situation bin, daß ich wahrnehme, daß andere eher nach dem nach mir die Sinnflut Prinzip agieren, treten diese Verletzungen sehr, sehr schnell wiederhervor und ich brauche einen Moment, das zu sortieren.
Diese alten Verletzungen zu spüren, sie aber nicht zum Maßstab der jetzigen Bewertung zu machen, ist harte Arbeit, aber durchaus lohnenswert. Ein Blick auf die Familiendynamik und die eigene Rolle wäre womöglich hilfreich.
Es bleibt darüber zu reden, wie das mit Anwälten ist und Dein Vorhaben nicht an der Beerdigung teilzunehmen.
Zu ersterem kann ich aus Erfahrung nur sagen, laß es. Nicht nur weil man gutes Geld nicht schlechtem Hinterherwerfen sollte, sondern weil ein Anwalt nur die Versachlichung der Emotionen vorantreiben würde, die aber alles nur nicht konstruktiv ist. Ihr würdet nur sinnlos über Geld reden, nicht aber darüber, was das eigentliche Problem ist.
Viel beginnt bei der Frage, warum Du nicht einbezogen würdest. Da ist der Ansatzpunkt. Da scheint mir die Enttäuschung und Kränkung zu liegen. Und nochmal, es braucht keine vermeintliche Sachebene, um diese Gefühle zu rechtfertigen, sie sind nämlich da.
Dort gilt es zu differenzieren, was davon alte Verletzungen und Kränkungen sind und was davon jetzt gerade aktuell. Wenn Du dort mal schaust, inwieweit Du das sortiert bekommst, dann findest Du vielleicht auch ein bißchen mehr Klarheit.
Diese Klarheit wiederum, ließe sich dann in echte Diskussion umwandeln. Statt zu sagen, ich bin wütend, daß ihr mich nicht miteinbezogen habt, weil ich später ja auch unterhaltspflichtig werden kann, zu sagen, ich bin wirklich traurig, daß, nachdem ich euch, meine Halbgeschwister, oft gebeten habe, mich miteinzubeziehen, ihr mich wieder nur informiert habt.
An der Stelle läßt Du dann nämlich auch die ganzen Fragen, wer welches Auto fährt, wer wieviel Geld hat und was vermeintlich fair ist, hinter Dir.
Ob man zu einer Beerdigung geht ist immer persönliche Entscheidung. Beerdigungen haben zwei Funktionen, das persönliche Abschiednehmen einerseits, aber auch das Stützen der zutiefst Betroffenen andererseits.
Ich kann verstehen, daß der Gedanke, daß Deine Schwägerin eine Beerdigung for free bekommt, kein sehr erfreulicher ist, menschlich sollte Dich das aber trotzdem nicht davon abhalten, auch mal zu fragen, ob sie eventuell Unterstützung (nicht materieller Natur) braucht.
Einer Beerdigung aus großer Verletztheit, Kränkung oder Trotz fern zu bleiben, mag im Moment Deinem Bedürfnis entsprechen, bitte überleg aber noch einmal sehr genau, ob dies auch etwas ist, was Du in 10 Jahren genauso fühlst.
Ich wünsche Dir sehr viel Kraft für die nächste Zeit, auch und besonders für Dich und Deinen Mann und ich wünsche Dir sehr, daß Du vielleicht die unterschiedlichen Ebenen ein bißchen sortiert bekommst.