Ein Jahr ist vorbei.
Ein Jahr mit allen Geburtstagen, allein Feiertagen.
Und ich lebe noch. Mein Gott, wer hätte das noch vor 12 Monaten gedacht?!
Was ist alles passiert?
Das WE vor meinem runden Geburtstag bin ich ausgezogen. In meine erste eigene Wohnung. Meine (unsere) Tochter war noch dabei. Aber schon drei Wochen später erhielt ich von Ex die schriftliche Nachricht, dass sie ausziehen wird. Erstmal zu Verwandtschaft von ihm, um sich dann eine eigene Wohnung zu suchen. Für mich kam das einem Verrat gleich, er wieder mal Sieger. Habe das Türschloss ausgetauscht, NACHDEM sie ausgezogen war und stand nun völlig alleine da. Mensch, vor 4 Monaten war man noch eine Familie: Vater, Mutter, Kind. Und plötzlich ist da gar nichts mehr, nur noch man selber…
Um es kurz zu machen: nach einem viertel Jahr totaler Kontaktsperre, drangen erste Annäherungsversuche per Mail meinerseits wieder zu ihr durch. Wir haben uns bisher zweimal gesehen und was soll ich sagen? Sie ist erwachsen geworden. Nicht mehr der zickige Teenager – sondern mit ihren 19 Jahren eine tolle junge Frau, die ihren schulischen Weg geht, einen Ausbildungsvertrag in der Tasche hat und in dem Jahr einen Sprung in die richtige Richtung gemacht hat. Unser Verhältnis ist noch sehr zart, aber sehr liebevoll. Ich bin unendlich stolz auf sie.
Weihnachten hat sie sich geweigert mit ihrem Vater und dessen Familie zu feiern „weil wir eben keine heile Familie mehr sind“.
Sie nimmt an seinem Leben nicht teil (was man auch mit 19 J. nicht erwarten darf) und will die Neue (Nuss) auch nicht kennenlernen.
So wie auch seine Familie nicht. Man verweigert sich der Nuss. Klar weiß ich, dass die Zeit es irgendwann bringt. Aber als ich per Zufall von meiner Tochter davon hörte, tat es mir schon unheimlich gut. Meine Schwiegermutter hätte lieber mit mir und Tochter, als mit ihm Weihnachten verlebt. Ja, ich gebe es zu, das schmeichelt mir. Nichts ist wohl schlimmer, als einfach so ausgetauscht zu werden, wie Ex es veranstaltet hat.
Genau an meinem Geburtstag kam dann ein Schreiben seiner Anwältin. Man wolle die Miete wieder zurück, die er mir noch zur Hälfte für die alte Wohnung überwiesen hatte. Da ich ihn gleich rausgeschmissen habe, stehe mir das nicht zu (da möchte man doch aus der Haut fahren). Ich habe einfach nicht darauf reagiert, bis heute. Ich hoffe, dass auch hier die Zeit auf meiner Seite ist und er diesen Gedanken einfach fallen lässt (immerhin hat ja auch noch bis dato seine/meine Tochter in der Wohnung gelebt).
Wer mir in dem Jahr ungemein geholfen hat, sind meine Arbeitskolleginnen, alle meine Freundinnen, ein ganz lieber Mailfreund und meine ferne Familie.
Ich habe nichts Besonderes gemacht, bin nicht zur VHS gegangen, war nicht auf dem Esoterik-Trip, habe keinen neuen Mann. Ich bin immer mal wieder unterwegs, manchmal spontan, manchmal lange verabredet. Aber ich halte es auch mit mir selber aus. Mehrere Tage. Dann lese ich (Bücher, Forum), höre Radio.
Klar, habe ich immer mal wieder Heulattacken. Bestimmte Lieder, eine Szene in einem Film, ein Gedanke in einem Buch – und alles ist wieder da. Es gibt keinen Tag, an dem ich NICHT an ihn denke. Und dann immer noch der Grundtenor: Fassungslosigkeit. Und ich schaue mich in meiner Wohnung um und denke „das kann doch alles nicht wahr sein, was machst du hier eigentlich?“.
Aber es gibt auch Dinge auf die ich unheimlich stolz bin: dass ich ihn rausgeschmissen habe, dass ich ihn nicht angebettelt habe zurückzukommen (dafür habe ich ihn zweimal (!) gefragt, ob er mich wirklich nicht mehr liebe), dass bis heute 0-Kontakt herrscht. Ich bin stolz darauf, dass ich alles Materielle vernichtet habe, das mich an ihn erinnert und dass ich mir trotzdem Fotos (die ich noch im PC entdeckt habe, alle anderen Fotoalben hat Tochter) anschauen kann, so als würde ich mir Fotos von meinen ehemaligen Schulfreundinnen anschauen. Ich habe sie gekannt, sie sind aber jetzt Vergangenheit und nur ein Teil meines Lebens.
Was mir aber wirklich zu schaffen macht, ist die Scheidung. Davor grault mir, auch wenn es nur 15 Minuten meines Lebens sind. Ich habe Angst ihn zu sehen. Ich habe Angst, dass er mir ansieht, dass ich ihn immer noch liebe.