Zitat von ccbaxter: Aber natürlich habe ich eine etwas ähnliche Erkenntnis gewonnen: Ich hätte viel mehr auf mich selbst, meine Bedürfnisse und auf mein eigenständiges Leben achten müssen. Denn nur, wenn man mit sich selbst im Reinen ist und sich emotional nicht von einer Beziehung abhängig macht, fällt man nicht ganz so tief bzw. kann auch ehrliche Liebe geben. Eine Beziehung ist dann nicht mehr Grundvoraussetzung für ein erfülltes Selbst sondern sozusagen eine tolle Ergänzung.
Das ist, wie ich finde, nur die halbe Wahrheit. Hier fehlt eine wichtige Facette, aus der sich für mich Richtungskorrekturen ergeben, persönlich und strukturell.
Und zwar sehe ich hier auch ein strukturelles Problem und zwar kein kleines:
Wir Menschen sind nunmal keine einsamen Adler, wir Menschen brauchen für ein halbwegs glückliches Leben stabile, am besten Lebenslange und gelungene Verbindungen wie Essen und Trinken und wie die Luft zum Atmen.
Ich denke, viel was du an dir selber als emotionale Abhängigkeit kritisierst, ist einfach gesundes Bindungsverhalten. Für Essen und Trinken und Atmen nehmen wir uns auch viel Zeit jeden Tag, und stecken auch viel HIrnschmalz hinein, und stellen viel hinten an. Trotzdem würden wir nicht von einer körperlichen Abhängigkeit von Essen sprechen. Also doch, wäre natürlich ein treffender Begriff, aber Abhängigkeit ist als ungesund und süchtig konnotiert. Das ist es nicht. Weder das emotionale Bedürfnis nach stabiler Bindung, noch das Bedürfnis nach Essen.
Jetzt ist es so, dass wir durch unsere zugenommene Mobilität sowohl den Kontakt zur Herkunftsfamilie schwerer halten können, als auch den Kontakt zu Jugendfreunden, ja, dass wir sogar mehrmals im Leben das komplette Umfeld wechseln. Dafür setzen wir unsere ganze Hoffnung auf unsere eigenen kleinen Familien, auf unsere Partnerschaften, dass sie uns begleiten, bis wir alt uns runzelig sind.
Gleichzeitig sind unsere Ansprüche an eine Partnerschaft enorm gewachsen, vor allem was das Vorhandensein von Liebe angeht... Wie schon Carmen sang: Die Liebe ist ein rebellischer Vogel.. Also, das einzige, was unsere absout wichtigste, möglichst Lebenslange Bindung stabilisieren soll, ist dieses merkwürdige, wankelmütige, wechselhaft Gefühl...
Ich würde als Konsequenz daraus folgende Dinge propagieren:
1. Den Kontakt zu (Herkunfts)familie und Freunden wesentlich wichtiger nehmen. Ich frage mich immer, wie unsere Gesellschaft ausschauen würde, wenn wir in unsere Freundschaften die gleiche Energie stecken würden wie in die Partnersuche und Partnerschaften.
2. Ein Paradigmenwechsel in den Köpfen: aktuell ist unser wichtigster Leitstern Individualität, Selbstverwirklichung und Unabhängigkeit. Klar ist es immer eine Gratwanderung zwischen Idividualität, Selbstverwirklichung und Unabhängigkeit auf der einen und Verbindung, Zusammenarbeit, Gemeinschaft auf der anderen Seite. Beides ist bis zu einem gewissen Grad nötig für ein gelunges Leben. Ich glaube aber, dass wir als Gesellschaft aktuell deutlich zu weit in Richtung eins ausgeschagen sind.
3. Unsere Partnerschaften wieder realistisch sehen. Es ist normal und gesund, wenn aus der anfänglichen Verliebtheit und nur Augen füreinander haben ein ruhigeres Gefühl von Zuhause sein tritt. Das ist unglaublich wertvoll, DAS ist für mich Liebe. Manche Paare können wohl ein körperliches Begehren aufrecht erhalten, andere nicht. Ich finde, auch das ist ok. Und ich persönlich, aber ja, das ist meine persönliche Utopie, finde, dass diese Überlegungen direkt zu offenen Beziehungskonzepten führen.
Also, zusammengefasst, ich denke, dass dein Schmerz und deine Leere nach so langer Zeit eben daher rühren, dass ein wichtiges Grundbedürfniss gerade weggebrochen ist. Das löst enormen Schmerz aus. Das ist normal. Vielleicht ergibt sich daraus die Empfehlung, in deinem Umfeld zu schauen, wo du Verbindungen, nicht unbedingt romantische, vertiefen und intensivieren kannst.