Hallo zusammen,
ich habe nun schon viel hier gelesen und möchte auch meine Geschichte loswerden. Ich weiß, dass ich selbst entscheiden muss und mir diese Entscheidung niemand abnehmen kann, aber vielleicht könnt ihr mir eine Rückmeldung geben wie ihr die Situation einschätzt.
Ich bin 27 und lebe mit meinem Freund seit Mitte Dezember 2014 zusammen. Wir sind seit über 5 Jahren zusammen und führten aufgrund seines Studiums lange Zeit eine Fernbeziehung. Wir sahen uns dennoch so ziemlich jedes Wochenende und verbrachten diese Zeit auch sehr intensiv zusammen. Wir haben die gleichen Interessen und verbringen auch unsere Freizeit meist zusammen.
Mein Freund ist im Sommer 2012 zu einem Auslandssemester nach Hongkong geflogen. Das war keine einfache Zeit für uns. Mir ging es besser, wenn ich ihn nicht zu häufig sah oder hörte (Skype), er hätte sich mehr gewünscht wie ich später erfahren habe. Geschrieben haben wir eigentlich jeden Tag. Ich war zu der Zeit sehr eifersüchtig und hatte Angst ihn zu verlieren. Dennoch habe ich im vertraut und ihn dabei unterstützt. Wir haben danach im Frühjahr 2013 einen 6-wöchigen Urlaub in Asien angehängt, während dem ich oft kurz davor war in den nächsten Flieger zu steigen. Er hatte sich sehr verändert und ich hatte das Gefühl es stimmt etwas nicht. Ich hatte auch das Gefühl er hat sich distanziert und ich kenn ihn nicht mehr.
Wir hatten danach etwa ein halbes Jahr arge Probleme, auch weil mich das Gefühl nicht losließ, dass in Hongkong etwas passiert ist. Aber er hat mir immer wieder versichert, dass da nichts war und er nur mich liebt. Irgendwann habe ich ihm geglaubt und auch wieder vertraut, sodass wir wieder zusammengefunden haben und bis Januar eine wunderschöne Zeit zusammen hatten. Ich wollte keinen anderen und war einfach glücklich jemanden gefunden zu haben, der immer hinter und vor allem zu mir steht. Er gab mir das Gefühl, die Eine für ihn zu sein.
Ich muss dazu sagen, dass ich es in meiner Schulzeit nicht leicht hatte. Ich wurde seit der Grundschule bis zum Gymnasium gemobbt und war immer Außenseiterin. Ich habe also schon immer unter einem sehr geringen Selbstwertgefühl gelitten und mich wertlos gefühlt. Während meiner Studienzeit war ich deshalb auch 2 Jahre in Therapie (inkl. Antidepressiva über 4 Jahre).
Im Dezember 2014 sind wir nun zusammen gezogen. Es ist eine wunderschöne Wohnung und es war so wie wir es uns vorgestellt hatten.
Den 6. Januar werde ich wohl leider nie vergessen. Mein Freund war mitten in seiner Bachelorarbeit, als ich ihm diese Korrektur las. Ich arbeitete an seinem Laptop und als ich im Internet etwas nachschauen wollte, landete ich in seinem geöffneten Outlook-Postfach. Dabei fiel mir eine Email-Adresse auf, die ich aus unserer Anfangszeit noch kannte. Ich kann nicht beschreiben oder erklären, warum, aber aus irgendeinem Impuls raus, habe ich diese Email-Adresse angeklickt. Ich habe mit nichts gerechnet, war wohl einfach nur neugierig, warum er diese noch hat und benutzt … nun ja, was soll ich sagen … eindeutiger geht es leider nicht … Ich habe Mails von ihm und ihr gelesen, die nichts offen ließen. Er hat ihr geschrieben, was er gerne mit ihr machen möchte, dass er bald mit mir reden und mich verlassen wird, dass er sie liebt usw.
Ich war wie vor den Kopf gestoßen. Meine Welt ist zusammengebrochen. Er kam nach einer Weile in das Zimmer und sah alles. Er hat nichts mehr geleugnet, sondern versucht mir alles zu erzählen (immerhin das).
Es sei eine einmalige Sache gewesen. Er hätte sich dann nochmal mit ihr auf einen Kaffee getroffen um ihr zu sagen, dass er eine Freundin habe und die Nacht ein Fehler war. Dabei hätte sie ihm gesagt, dass sie an Borderline leidet und sich etwas antut. Er sagt, dass er ihr nicht wehtun wollte und hat deshalb dieses „Spiel“ mitgespielt. Und weil er mir auch nicht wehtun wollte, hat er mir es nicht erzählt. Er hat gemeint, hätte er es erzählt, wäre ich damals sicher gegangen, weil er meine Meinung dazu eigentlich kennt und ich immer dachte, wir wären gleicher Ansicht in diesem Punkt (Stichwort Treue).
Aufgrund beruflicher Probleme war ich zu dem Zeitpunkt im Januar ohnehin schon angeschlagen. Durch diese Sache ging es mir noch schlechter, sodass ich im Mai letztendlich zu meiner damaligen Therapeutin ging. Sie hat mich gleich für 8 Wochen krankgeschrieben (inkl. erneut Antidepressiva).
Ich konnte nicht mehr, ich hatte keine Kraft mehr. Ich habe keinen Sport mehr gemacht, obwohl ich vorher immer aktiv war, habe mich zurückgezogen, hatte keine Lust mehr zu irgendwas. Ich musste mich zu allem regelrecht zwingen. Ich war schlichtweg in eine schwere Depression gerutscht, der Vertrauensbruch war letztendlich der Tropfen, der das Fass irgendwann zum Überlaufen gebracht hat.
Wir haben an den folgenden Tagen viel geredet und ich war bereit ihm und unserer Beziehung noch eine 2. Chance zu geben. Wir hatten ein wunderbares vergangenes Jahr und ich war mir mit ihm absolut sicher. Er ist ein sehr lieber Mensch, hat eine ruhige und ausgeglichene Art und nicht der Draufgängertyp.
Es tut so unfassbar weh, von dem Menschen, den man am meisten liebt und schätzt, so hintergangen worden zu sein. Ich glaube mittlerweile den Seitensprung könnte ich verzeihen, aber ich weiß nicht wie ich mit den Mails umgehen soll …
Seit diesem Tag im Januar weiß ich aber nicht mehr, wie ich ihm gegenüber fühle. Ich fühlte mich anfangs wie ein Eisklotz, wie innerlich erstarrt. Ich liebe ihn, oder bin mir zumindest relativ sicher, aber immer wieder zweifele ich dann doch. Ist es vielleicht doch eher freundschaftliche Liebe oder schlichtweg die Angst allein zu sein und die Wohnung und alles was wir zusammen uns aufgebaut haben aufzugeben? Ich habe Angst ihn, als Freund und Vertrauensperson, zu verlieren.
Ich sah ihn plötzlich ganz anders, in einem ganz anderen Licht, er kam mir vor wie ein Fremder. Das kommt er mir manchmal immer noch. Ich fühle mich bei ihm wohl, schlafe gerne mit ihm ein, aber sobald er mehr möchte, mich bestimmt berührt, verkrampfe ich total. Wir haben seit Januar nur 3 Mal miteinander geschlafen. 2 Mal hatte ich etwas getrunken und 1 Mal war vor wenigen Wochen im Urlaub. Während diesem letzten Mal musste ich plötzlich an Hongkong und die ganze Sache denken und dann war es für mich vorbei. Dieses „Kopfkino“ sehe ich seit unserem Urlaub wieder verstärkt. Ich wache damit auf und geh damit ins Bett. Auch fällt es mir schwer (vermeintlich) glückliche Paare und Familien zu sehen, im Fernsehen, in den Büchern, auf der Straße. Oder es geht um Betrug und ich denke, ja dazu gehöre ich jetzt auch.
Mich belastet es sehr, dass ich keine Leidenschaft mehr für ihn empfinde, als ob jemand den Stecker gezogen hat. Ich spüre nicht mehr das Bedürfnis mit ihm zu schlafen. Plötzlich sehe ich ihn „real“ und nicht mehr „idealisiert“, wie meine Therapeutin sagt. Es nerven mich Dinge, die ich nie für schlimm empfunden habe.
Gestern habe ich meine beste Freundin endlich eingeweiht (es wusste bisher nur meine Therapeutin). Sie kennt ihn und hätte nicht gedacht, dass wir grad so Probleme haben. Naja, hab während meiner Schulzeit gelernt, meine wahren Gefühle nicht zu zeigen … Sie hat selbst gesagt, dass sie das wahrscheinlich nicht könnte, aber sie hat mich bestärkt darin weiter zu kämpfen. Sie selbst ist seit 2 Jahren Single und verzweifelt an der Männerwelt in der Stadt, in der wir leben. Ich weiß, dass ich mit meinem Freund eigentlich einen „guten Fang“ gemacht habe, aber ich verkrafte einfach nicht, was da passiert ist. Meine Freundin hat mir angeboten ein paar Tage oder auch Wochen bei ihr zu schlafen um Abstand zu gewinnen. Vielleicht kommt dann das Vermissen wieder von alleine. Wobei ich im Moment um jede Minute froh bin, die ich einfach mal alleine sein kann.
Wenn ich mich von ihm trenne, dann wird sich sehr viel ändern. Wir haben so viel gemeinsam unternommen, haben uns jede Woche mit gemeinsamen Freunden (u.a. meiner besten Freundin) getroffen und dann ist ja noch die Wohnung … unsere Eltern verstehen sich gut und rechnen damit, dass bald Hochzeit, Kinder, etc. anstehen.
Wir haben im Januar viel darüber gesprochen, dann haben wir irgendwie weitergemacht wie bisher und vor 2 Wochen ist wieder alles rausgebrochen. Immer wenn ich mit ihm sprechen wollte, habe ich ihn angeschaut und konnte es nicht.
Ich bin einfach nur traurig und weiß nicht wie es weitergehen soll. Im beruflichen Bereich bin ich aufgrund einer neuen Arbeit wieder hoch motiviert und zuversichtlich. Aber habe ich noch die Kraft um unsere Beziehung zu kämpfen? Ich verliere langsam den Glauben daran. Vor allem schwindet meine Hoffnung, dass wir es schaffen. Im Januar waren wir uns sicher. Und ich war mir sicher, dass ich es überwinden kann und auch dass die Anziehung und Leidenschaft wieder kommt …
Oh man, das ist ja jetzt ganz schön viel. Ich danke euch allen schon mal, wenn ihr euch die Mühe macht, das zu lesen! Ich hoffe, es war nicht zu wirr geschrieben
Jetzt ist es aber endlich mal raus und das tut gut!
Liebe Grüße
Krümel1988
12.09.2015 14:41 •
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