Hallo Forum.
Wie sich die Dinge doch ändern innerhalb weniger Tage. Ich weiß nicht, was passiert ist, aber momentan fällt mir die Erkenntnis über mein seit Jahrzehnten defektes Beziehungsleben wie Schuppen von den Augen. Ein Gespräch mit einem guten Freund gestern abend gab mir dann quasi noch den letzten Schub.
Ich habe, seit ich denken kann, massive Beziehungsprobleme. Schon mit dem allerersten Freund hat es nicht wirklich gut funktioniert. Alles, was danach kam - auch meine geschiedene Ehe - war ein einziges Desaster. Und je älter ich werde, desto schlimmer werden die Konstellationen.
Ich habe mich immer gefragt, warum ich nicht glücklich sein kann in Beziehungen - ich mache alles, kann alles und jemand, der nicht näher mit mir zu tun hat, würde nicht ahnen, welche Qualen ich seit Jahrzehnten (bin fast 37) erleide.
So langsam dämmern mir die Zusammenhänge...
Und ich weine, weine, weine...aber nicht wegen meiner jüngst gescheiterten Beziehung, sondern über das Leid, das ich mir immer und immer wieder selbst zugefügt habe. Ich weine zum ersten Mal im Leben um mich - und nicht um den Verlust eines Mannes.
Ich habe festgestellt, dass ich permanent die Beziehung zu meinem inzwischen verstorbenen Vater suche. Er hat mich nie gewollt, ließ mich das spüren, war mal ganz verbindlich, dann stieß er mich wieder weg, kritisierte mich permanent, von klein auf, und sagte mir von klein auf, dass ich mir dies und jenes einbilde. Er selbst gab sich als der große Geschäftsmann. Wir hatten dicke Autos, Pferde, große Häuser, ein gut gehendes Geschäft. Aber es gibt kein halbes Jahr in meinem Leben, das nicht ohne Drama oder Desaster ablief. Kaum kehre irgendwie Ruhe ein, wurde ein nächstes Fass aufgemacht.
Mein Vater ging Zig. holen, zwei Tage nach meinem 16. Geburtstag, und kam nie wieder zurück. Er hatte längst ein Doppelleben aufgebaut mit einer anderen Frau und tauchte einfach ab. Er hat nie wieder mit mir gesprochen. Meine Geburtstage ignorierte er. Mein Abitur auch. Um den Unterhalt musste ich ab meinem 18. Lebensjahr selbst vor Gericht kämpfen. Da gab er die EV ab. Von seinem Tod habe ich erfahren, als seine Gläubiger bei mir auf der Matte standen. Er hinterließ 1,2 Mio Euro Schulden.
Und jetzt bin ich fast 37, blicke auf eine Serie zerrütterter Beziehungen zurück, war ein mal verheiratet, bin ein mal geschieden, habe insgesamt zwei Hochzeiten platzen lassen oder trennte mich, wenn ein Heiratsantrag kam. Was läuft da schief bei mir?
Ich habe durch die Bank Partner gehabt, die mich eigentlich so behandeln wie mein Vater. Sie verwenden zum Teil gleiche Sätze wie er, obwohl sie ihn nie kennen lernten. Sie kritisieren mein Aussehen, meine Art, meinen Beruf, meinen Fahrstil und geben mir permanent das Gefühl, unzureichend zu sein. Und ich fange an, Kunststücke zu machen - wie ein Zirkustier, um zu beweisen, dass ich doch liebenswert bin.
Heute Nacht fiel mir eine Begebenheit aus meiner Teenagerzeit ein. Und die Gefühle, die damit verbunden waren. Diese erlebte ich in der Beziehung mit meinem Ex-Verlobten ganz unbewusst, aber umso heftiger:
Wir hatten mehrere Reitpferde und mein Vater hatte ein großes Pferd, das ich nicht reiten wollte, weil ich wirklich Angst davor hatte. Es war ein junger, riesiger Hannoveraner, gerade angeritten. Ich war 14 und ich traute mich nicht, den Braunen zu reiten. Dafür ritt ich alle anderen täglich. Da wir viel umgezogen waren, hatte ich noch lange Zeit Kontakt zu einer ehemaligen Klassenkameradin, die auch Reiterin war. Sie kam mich in den Sommerferien für eine Woche besuchen und eigentlich wären das tolle Teenagerferien geworden: Pferde, Stall, Sommer, Jugend. Es war die Hölle... Das Mädchen traute sich nämlich, das besagte Pferd zu reiten und wurde ab diesem Moment von meinem Vater wie eine Prinzessin behandelt. Die S. traut sich was. Das ist mal ein tolles Mädchen. Schau Dir das an. S. durfte im Auto neben ihm setzen. Da saß ich sonst. Mein Vater beturtelte meine Schulfreundin wie eine Frau. S. bekam Lob, Komplimente, tolle Worte, ein Lächeln - alles, worum ich immer gekämpft hatte und ich hatte es nie bekommen - egal, was ich tat.
Und genau so ging es mir in meiner letzten Beziehung mit dem legendären M. Er hat mich doch ganz schön klein gehalten. Sein tolles Auto durfte ich natürlich nicht fahren. Bei anderen Frauen der große Held - bei mir der schwitzende, furzende Macker, der mich noch fröhlich weiterbetrog, während ich zuhause unsere Zwillinge unterm Herzen trug.
Alles, was ich tat, hat nicht gereicht. Dieses Gefühl hat er mir permanent vermittelt. Und auf so was fahre ich ab - ich kenne das ja schließlich von zuhause.
Die Erkenntnis ist schlimm. Ich bin mitten drin, lasse das alles zu - es kommt mir ja so vertraut vor. Ich weine wirklich um mich selbst - um die Zeit, um das Leid, was ich mir unbewusst-bewusst zugefügt habe.
Mir wird klar, warum ich in meinem Leben nicht ein einziges Jahr wirklich mal Single war. Ich bin abhängig von der Suche nach Aufmerksamkeit und Bestätigung, nach Liebe. Wenn es weh tut, meine ich, angekommen zu sein. Dann erst spüre ich mich selbst.
Das ist echt traurig.
Aber es ist auch befreiend.
Ich habe mir bewusst vorgenommen, mich in nächster Zeit nicht mehr auf Partnersuche zu begeben. Ich möchte bewusst allein sein. Mit mir. Meine Dramen und Traumen aufarbeiten.
Und vielleicht geht es mir besser, wenn ich endlich ans Grab meines Vaters gehe und Frieden schließe.
Ich war noch nie dort.
Danke fürs Lesen.
Lu
24.09.2011 13:47 •
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