Zitat von paul258: Wenn sie wirklich Bindungsangst hätte, dann dürfte sie ja keine Bindungen haben logischerweise, so wie der Name sagt. Du meintest aber, dass sie schon Beziehungen hatte und vor allem auch, dass sie viele Freunde hat. Das ist also das Gegenteil von Bindungsangst.
Warum sollte es keine Bindungsangst geben? Es gibt sie natürlich. Sie wird meist im Kindesalter erworben und setzt sich fest. Die Symptome sind dann eine mangelnde Fähigkeit, Nähe zu ertragen und Abwehrmechanismen, die der TE zur Genüge erfahren hat. Abwendung, ständige Aktion in Begleitung anderer Menschen, Kritik an seiner Person und damit Abwertung, Gleichgültigkeit, verschleierte Aussagen, die alles und nichts bedeuten.
Der aktive Bindungsvermeider verteidigt vehement sein Leben und seine Freiheit. Dass er nicht frei ist, weil er von seinen Ängsten geiknechtet wird, merkt er nicht.
Und der passive passt sich an, steckt alles ein, wird verzagt und ängstlich und steht dem Treiben ratlos gegenüber. Was ist denn nur passiert? Erst sprach sie noch von Liebe und dass sie selbst erstaunt ist, dass sie das Zusammensein mit ihm so gut verträgt, überschüttet ihn mit Zärtlichkeiten und Komplimenten. Der passive fühlt sich dann pudelwohl, weil er geschätzt wird und an das große Glück glaubt. Kurze Zeit darauf kann dann die Ernüchterung kommen und er steht vor einer gefühlt anderen Person. Wo ist ihre Liebe nur geblieben, wo ihre Zärtlichkeit, ihn Ankuscheln. Stattdessen favorisiert sie jetzt viele Unternehmungen, bei denen er vielleicht mitgehen darf, aber während der sie sich nicht mit ihm abgeben muss.
Denn die große Nähe überforderte sie und sie geht nun in eine Abwehrhaltung. Auf einmal kommen Kälte und Empathielosigkeit zum Vorschein. Die Krönung ist dann die Abwertung des Partners. Sie beherrscht sämtliche Mechanismen, Distanz zu schaffen.
Die Frau hatte bisher keine stabile Beziehung und hat auch die mit dem TE torpediert. Das spricht angesichts ihres Alters nicht für eine große Bindungsfähigkeit und stabile Liebesfähigkeit.
Dass sie viele Freunde hat, ist durchaus begreiflich. Dann auch Bindungsängstler haben Bedürfnisse nach Nähe, nach Akzeptanz, nach Vertrautheit und da kommen Freund doch gerade recht. Denn hier holt sie ihr Quentchen ab und ist doch zu nichts verpflichtet. Die Bindung an Freunde ist doch ganz anders als die in einer Beziehung, sie ist unverbindlicher, beinhaltet viel weniger Verantwortung und Verpflichtung und das schätzt der Bindungsvermeider sehr
Mein Ex. ist dafür ein gutes Beispiel. Er hatte Freunde, viele Bekannte, aber alles eher lose. Er kannte auch eine Familie, der er recht gut kannte und wo er gerne ein und aus ging. Er bewunderte diese Familie und fühlte sich dort wohl. Er reparierte mal einen Computer, entfernte mal einen Virus und machte sich nützlich. Der Lohn waren Dankbarkeit, Freude und Bestätigung seiner Person, die er aufsog. Dann konnte er wieder gehen und hatte doch keinerlei Verantwortung, den Familien organisieren sich selbst. Aber er holte sich dort so was wie Nestwärme ab und profitierte davon. Dagegen ist nichts zu sagen, aber es ist symptomatisch für Bindungsvermeider. Lose Bindungen werden ertragen und erhalten, enge aber beeinträchtigen..
Nenn es Bindungsangst oder anders, es ist egal. Aber diese Erscheinungen gibt es sehr häufig, zumal Trennungen der Eltern häufig sind und die sind wiederum ein guter Nährboden, Angst vor Nähe zu entwickeln. Die Angst wird nicht körperlich als Angst gefühlt, eher als ein Unbehagen, ein Gefühl der Erdrückung und Vereinnahmung, die beendet werden muss. Und dafür ist jedes Mittel recht und wird aus dem Repertoire geschüttelt. Der Passive steht daneben und versteht nichts mehr, aber er fühlt die Angst, die Bedrohung der nahenden Trennung meist sogar körperlich. Er empfindet Verlustangst und spürt, dass diese Beziehung sehr fragil ist und jederzeit zusammen krachen kann.
Endstation ist dann Wut auf den Partner, der ihn immer wieder auflaufen lässt und es ihn immer wieder spüren lässt, dass er allenfalls (noch) geduldet wird. Er fühlt sich hilflos, abgewertet und auf einmal sehr einsam und versucht dann mit seinen Mitteln wieder Nähe zu bekommen.
Mit Geduld, mit Verständnis, mit Fragen nach Liebe oder danach, was denn eigentlich los sei, mit Anpassung. Nur glücklich wird er damit nicht, im Gegenteil, denn seine Bedürfnisse werden nicht oder allenfalls von Zeit zu Zeit erfüllt, wenn dem aktiven Vermeider wieder nach Nähe ist. Es kann gut sein, dass der aktive nach einiger Zeit wieder ankommt, weil er sich auf einmal doch sehr einsam fühlt und er wieder ein Bedürfnis nach Nähe hat. Dann kann eine wundervolle Zeit der Verschmelzung eintreten, die aber auch bald wieder ins Gegenteil umschlägt.
Es ist eine Art Spirale, die sich immer weiter dreht, aber kein Ende hat. Bis einer von beiden, meist der aktive Part, die Reißleine zieht und damit dem passiven einen guten Dienst erweist. Der wird natürlich zunächst nicht gesehen, denn erst wollen Verlust, Trauer, Sehnsüchte nach dem Expartner durchlebt werden. Aber es ist auf lange Sicht eine Rettung, denn das sich wiederholende Hin und Her macht keinen von beiden glücklich.
Bindungsängstler sind meistens Wiederholungstäter und laufen Gefahr, wieder in eine derartige Beziehung zu geraten. Denn die Ängste, beim einen Angst vor Freiheitsverlust und beim Anderen Verlustangst sind eingepflanzt und können nur schwer bewältigt werden, manchmal gar nicht mehr.
Bindungsängstler brauchen einander, denn sie passen wie das Deckelchen aufs Töpfchen, aber glücklich werden sie nicht. Am Ende stehen, wenn man nicht aufpasst, Einsamkeit und Resignation. Mich will eh keiner. Und der andere sagt sich, ich lass das mit der Liebe sein, denn ich ertrage sie ja doch nicht.