Pablito,
wenn sie Bindungsängste hat, dann hat sie sie. Dagegen hilft auch die Einsicht bei ihr nicht, denn die Ängste sitzen im Unterbewusstsein und das steuert sie. Weder Einsicht noch die Absicht zu einer Änderung helfen dagegen.
Ich war auch mit einem Bindungsvermeider zusammen und habe mich Monate lang an ihm abgearbeitet - erfolglos.
Er wusste um seine Defizite, er las über Bindungsängste, er wollte sich ändern - alles Quatsch. Ab dem Zeitpunkt, als er sich nach eigenen Worten Mühe mit uns gab (man beachte die Wortwahl!), wurde es eher noch schlimmer, denn er fühlte sich nun erst recht eingesperrt, seiner Freiheit beraubt und das trotz Fernbeziehung.
Ein Bindungsphobiker kommt nicht gegen seine inneren Mechanismen an. Es könnte u. U. eine Psychotherapie helfen, um an die Ursachen und Ursprünge dieser Störung zu kommen, aber diese Menschen machen im Regelfall keine Therapie. Wozu auch?
Sie lassen sich erst auf Beziehungen ein, denn auch sie haben innerlich eine Sehnsucht nach Liebe, Nähe, Vertrauen. Dann, wenn sie Einschränkungen fühlen, gehen sie auf Abstand.
Übrigens, aus der Ferne funktionieren sie prächtig. Aus der Ferne kommen liebevolle Mitteilungen, die aber nichts damit zu tun haben, wie sie im direkten Kontakt sind. Er schrieb mir auch oft von Sehnsucht usw. und von Vorfreude. Bloß fragte ich mich regelmäßig, wo die ach so große Freude denn jetzt ist, als ich leibhaftig vor ihm stand.
Es war eine Quälerei, weil ich mehr Anteil an seinem Leben wollte. Ich wollte die Nummer eins in seinem Leben sein, war aber nur Zaungast. Er plante dies und jenes, aber alles ohne mich. Er besuchte Parties bei irgendwelchen losen Freunden, ich war außen vor. Er fuhr auf ein Festival, für das er seine teure Karte gekauft hatte. Ich sah sie liegen bei ihm. Er hatte mir nichts davon erzählt. Klar, sonst hätte ich womöglich mitkommen wollen, aber das war nicht gewünscht.
Das Ende war dann die Trennung. Zu einer Zeit, als ich mich in der Beziehung emanzipiert hatte und Morgenluft witterte. Meine mentale Lage hatte sich entscheidend verbessert - endlich. Ich glaubte, wir wären nun über den Berg. Da kam dann die Trennung - per Mail. Er kann es einfach nicht, schrieb er. Er weiß, er sollte es können, aber es geht nicht. Alles in ihm schreit Nein, Nein!
Ich kann ihn verstehen, denn im Grund genommen geht es mir ähnlich, wenn auch weniger stark ausgeprägt. Ich war so hinter ihm her, weil er sowieso nicht greifbar war. Ich spürte das und mein Unterbewusstsein sagte sich: Passt, es gibt sowieso keine Beziehung. Soll sie sich ruhig schinden und quälen, mir ist das egal. Keine Gefahr für mich!
Ich bin ein Meister im Hinterhersprinten. Wenn aber Jemand von mir was will, Nähe einfordert, gehe ich auf Abstand. Ich empfinde es als eine Art Belästigung, eine Last und eine Zumutung. Da muss ich oft ganz schön dagegen arbeiten.
Es ist besser geworden als früher, aber richtig bindungsfähig werde ich nie sein. Damit lebe ich. Ich ahne, woher meine Bindungsängste kommen, aber in den Griff bekomme ich sie dennoch nicht so richtig.
Aus einem Bindungsvermeider wird kein bindungsfähiger Mensch.
Möglicherweise bist Du auch mit im Boot, lebst Deine Bindungsängste nur anders aus. Sie ist der aktive Part, denn sie geht auf Distanz und hält Dich knapp und außen vor. Dazu kommt in der Regel der passive Part, der vordergründig alles tut, um die Beziehung am Laufen zu halten. Der findet Entschuldigungen für das Verhalten des Anderen, der sucht die Schuld oft bei sich (Ich müsste anders sein, dann ...), der quält sich mit den Distanzmanövern und bekommt mit der Zeit Angst, was als Nächstes kommt an bindungsvermeidenden Manövern. Der passive leidet und hat Sehnsucht und bringt viel Geduld auf. Ich muss nur warten können, dann werde ich belohnt. Er braucht halt Zeit und die muss ich ihm geben.
So ein Gespann funktioniert prächtig, denn die beiden ergänzen sich so wunderbar. Glücklich damit wird keiner. Der eine nicht, weil er ständig damit befasst ist, seine Unabhängigkeit zu bewahren und seine Freiheit zu verteidigen. Der andere nicht, weil er erfolglos Nähe sucht und frustriert ist.
Du bist klar in der Verliererposition, denn Du willst was, was sie Dir nicht geben kann und auch nicht geben will. Du bist in der unterlegenen Position, denn Du hast Sehnsüchte, die sich nicht erfüllen.
Ich empfehle Dir ein Buch von Stefanie Stahl: Jein - Bindungsängste erkennen und bewältigen.
Ich fand darin eins zu eins meine Beziehung bzw. Nichtbeziehung beschrieben. Erkennen kann man die Ängste, mit der Bewältigung sieht es anders aus. Da sind die Ratschläge doch etwas dünn. Aber es hilft gut, die Mechanismen der Beziehung zu erkennen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Du auch unter Bindungsängsten leidest, ist groß, wenn Du einer Frau wie ihr erfolglos hinterher hechelst.
Aber es gibt natürlich viele Abstufungen bei Bindungsängsten. Menschen mit Bindungsängsten können durchaus eine Beziehung halten, manche heiraten auch. Aber sie bleiben innerlich doch oft für sich und leben ihre bindungsvermeidenden Tendenzen dann in der Beziehung aus. Zeitaufwändige Hobbies ohne den Partner, Arbeit und noch mehr Arbeit, Ehrenämter etc. sind probate Mittel, um einer Beziehung aus dem Weg zu gehen und trotzdem eine zu haben.
Mein Rat: Lass die Frau gehen. Sie wird wahrscheinlich wieder auf Dich zugehen, wenn Du nämlich auf Distanz gegangen bist. Dann fühlst Du Dich wieder wunderbar und angenommen, aber wie lange. Hat sie Dich wieder in ihrem Orbit, dann bist Du auch schon wieder außen vor.
Das hat keinerlei Aussicht auf eine Beziehung, die verlässlich ist und Dir das Herz wärmt. Aber das ständige Auf und Ab hält Dich auf Trab, dh. langweilig wird es nie. Aber auch nie so, wie Du es gerne hättest.
Und leider hat auch driftingaway Recht. Solche Beziehung können toxisch sein und eine Loslösung ist extrem schwierig.
Sie dauert lang, aber letztendlich ist es der einzige Weg, irgendwann mal wieder ein stressfreieres Leben zu führen.
Du bist nämlich jetzt in der Position eines Hampelmanns, an dem sie die Fäden zieht. Wenn das länger geht, verlierst Du den Bezug zu Dir selbst, lebst praktisch nur noch für diese Beziehung, während alles Andere in den Hintergrund tritt und Du verlierst letztendlich Deine Selbstachtung und Dein Selbstwertgefühl.
Wer auf sich achtet, .lässt sich nicht quälen, hinhalten und abspeisen mit leeren Versprechungen und hohlen Worten aus der Ferne.
Wer weiß, was er wert ist, der verkauft sich nicht unter wert und lässt sich nicht vom Partner drangsalieren.
Mach Dir nicht so viele Gedanken über sie, sondern lieber über Dich. Frage Dich, warum Du in diese Beziehung geraten bist (so was ist nie Zufall!), was Du hier suchst und warum Du ihr hinterher läufst. Immer bemüht. ja nicht zu viel Druck auszuüben, immer bemüht, so zu sein, wie sie Dich vermeintlich haben will. Du verbiegst Dich und merkst es nicht mal mehr, weil es leicht zum Normalzustand wird.
Arbeit an Dir selbst wäre wichtig, denn da kannst Du etwas bewirken, Arbeit am anderen lass sein, denn das ist nicht möglich.
Schon, weil sie es nie zulassen würde.
Ein Psychotherapeut hat mal zu mir gesagt: Bindungsängste sind nur schwer heilbar. Der Leidensdruck muss dann tatsächlich sehr hoch sein, dass diese Menschen Hilfe suchen. Meistens tun sie das nicht, denn sie kommen ja auch so durchs Leben. Ewig auf der Suche nach einem Partner, den sie aushalten können, den es aber nicht gibt. Und auch, wenn sie in Therapie gehen, dann sind es langwierige Therapien, denn man muss an die Ursachen vordringen. Bei manchen Menschen geht das nicht mehr, weil sie die frühen Erlebnisse so weit verdrängt haben, dass kein Zugang mehr möglich ist.
Also hör auf mit dem Hoffen auf eine Änderung oder Einsicht bei ihr. Selbst wenn phasenweise eine Besserung eintritt, ist sie nie von Dauer. Das hast Du selbst erlebt.