Hallo Ichauchhier!
Ich glaube, Deine Erfahrung könnte man fast als klassisch bezeichnen.
Was viele offenbar nicht bedenken: wenn jemand leidet, verzweifelt ist, Probleme hat, ganz von der Rolle ist, gerade eine Beziehung hinter sich hat usw. - und man geht dann mit diesem Menschen eine Beziehung ein, dann gerät man unweigerlich in eine therapeutische Situation (bzw. in diese gerät man eigentlich schon vorher und geht aus ihr heraus die Beziehung ein).
Jemandem in einer schwerer Situation beizustehen ist ja gut. Aber man sollte sich besser hüten, die Gefühle, die dabei entstehen, überzubewerten bzw. falsch einzuschätzen und sich darauf einzulassen.
Es mag sich zwar anfühlen wie Liebe und auch diesen Anschein erwecken, aber in Wahrheit geht es hier um etwas anderes, es geht nicht um stabile Gefühle, weil der Betreffende selber ja nicht stabil ist.
Man verliebt sich auch nicht in ihn trotz seines katastrophalen und bedauernswerten Zustandes, sondern eben gerade deshalb.
Ich glaube, wäre er nicht in diesem Leidenszustand gewesen, sondern in seinem Normalzustand, hätte weder er sich in Dich verliebt noch Du Dich in ihn.
Wenn es aber nun so ist, daß man meint, es sei einem der / die Richtige begegnet, dann sollte man wirklich die Geduld aufbringen und abwarten, bis sich der Betreffende wieder gefangen hat. Sonst ist das, was Dir bedauerlicherweise passiert ist, nahezu vorprogrammiert.
Wenn man einsam, verlassen, orientierungslos und schon fast verdurstet in der Wüste steht, und es kommt jemand an mit einer Flasche Wasser, dann wird man nicht lange zögern, wird sich weder über die Person noch über das Wasser weiters Gedanken machen. Umgekehrt wird auch dieser nicht zögern und einem die Flasche Wasser reichen. Das ist einfach menschlich.
Nur muß einem auch bewußt sein, daß es hier nicht eigentlich um die großen Gefühle geht, die in diesen Momenten der Erleichterung und der Dankbarkeit bzw. des Helfenkönnens vielleicht ausbrechen. Auch wenn das zunächst diesen Anschein erwecken mag.
Zunächst mag sich zwar alles ganz wunderbar anfühlen, aber von Bestand ist das eben leider nicht, weil es auf ganz falschen Voraussetzungen beruht.
Und der Gerettete, Getröstete gerät irgendwann auch unter Druck, sobald er merkt, daß seine Gefühle ein Aufleuchten waren und dieses verglimmt, weil er ja für alles dankbar sein sollte. Und das kann dann unter Umständen auch zu einem abwehrenden oder gar bösartigen Verhalten führen, das natürlich den Adressaten verständnislos macht.
Ich möchte Dir wirklich keine Hoffnungen nehmen - aber ich würde jedenfalls derzeit gar nichts unternehmen und einfach abwarten, ob er von sich aus noch einmal auf Dich zukommt.
Liebe Grüße
05.08.2015 00:34 •
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