Du redest nicht viel, Du bist eher von der stillen Sorte und ein zurückhaltender, vorsichtiger Mensch. Das ist eine Wesensart genauso wie Menschen, die zu viel reden, glauben, jeder interessiert sich dafür, was sie sagen und die gerne im Mittelpunkt stehen und die Aufmerksamkeit auf sich lenken.
Diese Wesenart hat mit Beziehungsunfähigkeit nichts zu tun. Man kann durchaus Beziehungen führen und trotzdem nicht viel reden. Ich rede zu Hause auch nicht sehr viel. Ich behalte viele Dinge für mich und mache sie mit mir aus. Ich rede auch wenig über berufliche Probleme zu Hause, weil mir das nichts bringt. Erstens bekäme ich keine konstruktiven Ratschläge und zweitens begebe ich mich damit wieder in eine negative Stimmung.
Ich sehe mich nicht als beziehungsunfähig an, auch wenn ich nicht so viel rede. Man kann eine Verbundenheit mit dem Partner auch leben und halten ohne ständig zu reden.
Wichtiger ist die nonverbale Kommunikation, die man nicht so kontrollieren kann wie Worte. Körperhaltung, Mimik, Ab- und Zuwendung unterliegen meist nicht oder wenig der eigenen Kontrolle, sie zeigen unbewusst, wie man zum Partner steht. Der Partner nimmt diese Dinge auch unbewusst wieder war und kann daraus ableiten, wie man zu ihm steht. Worte sind oft genug Gequassel und sagen im Grund genommen wenig aus. Sie können auch im Gegensatz zu nonverbalen Signalen stehen und das wird dann auch wahrgenommen. Ich sage z.B. Du bist sehr wichtig für mich und tecke meine Nase in ein Buch. Beim Partner kommt an, dass es nur hohles Gerede ohne Inhalt ist.
Ich glaube, das Problem bei Dir ist eine große Angst und die wiederum rührt von einem gestörten Selbstbild her. Du hast wenig Selbstwertgefühl (wer sollte mich schon wollen und warum?) und daher wenig Selbstvertrauen. Reden hat meist auch mit Selbstvertrauen zu tun. Ich vertraue mir mit dem, was ich sage und ich vertraue dem Anderen, dass es ihn interessiert und ich ankomme.
Wenn Du Dein Selbstwertgefühl stärkst, kannst Du im Leben auch mehr Vertrauen schenken, denn Du versendest die Botschaft: Du bist okay und ich bin okay.
Deine Botschaft an die Welt aber ist: Du bist wahrscheinlich okay, aber ich bin ganz und gar nicht okay.
Ohne Selbstliebe (auch wenn sich dieses Wort sehr hochtrabend anhört) aber stelle ich mich selbst ins Abseits. Wer interessiert sich denn schon für mich? Ich bin kein wertvoller Mensch. Ich habe nichts zu sagen, ich habe meinen Mitmenschen nichts zu sagen und ich habe der Welt nichts zu sagen. Ich glaube nicht an mich und meinen Wert.
Diese Botschaft sendest Du ohne Wort an Deine Umwelt.
Ergo: Menschen, die ein Gegenüber auf Augenhöhe suchen, wenden sich von Dir ab, Du interessierst sie nicht, weil Du den Menschen nicht auf Augenhöhe begegnest. Somit bist Du oft ein leichtes Opfer für Betrüger, für unehrliche Menschen und für solche, die gerne die Machtposition einnehmen.
Du wiederum spürst, dass Du als wertvolle Person nicht wahrgenommen wirst und führst das auch Dich zurück. Ich wusste ja gleich, dass ... Klar, ich bin nicht für Beziehungen gemacht. Zwar hätte ich gerne Jemanden, der mich nimmt wie ich bin, aber ich bin es ja nicht wert.
Du besorgst dir damit praktisch selbst die Bestätigung, dass Du unattraktiv und ungenügend bist.
Ein Kreislauf und Deine inneren Dämonen, die Dir immer einreden was willst Du denn? Du wirst doch gar nicht wahrgenommen, Du bist nicht interssant, das haben wir Dir schon immer gesagt, hahaha! kriegen wieder Oberwasser.
Ich kenne das Problem auch. Zwar habe/hatte ich eine Beziehung, die so dahin lief, aber schon reichlich inhaltslos war. Dann kam ein AM in mein Leben, dem nich mich praktisch vor die Füße warf. Meine Botschaft an ihn: Bitte rette mich, ich bin keine besonders tolle Frau, aber bitte gib Du mir das Gefühl, dass ich toll und wertvoll bin.
Damit hatte er die Oberhand und ich? Ich hatte mir selbst die unterlegene Position zugeschrieben. Ich glaubte nicht an meinen Wert, an meine Attraktivität, an meine positiven Seiten, nein, ich brauchte dazu die Rückmeldung aus der Umwelt, bevorzugt von einem Mann. Natürlich scheitere die Affäre, denn Affären sind nichts von Wert. Und ich war bei mir angekommen, denn ich hatte ja versagt. MeinTraum vom Glück zerplatzt und ich war da, wo ich eigentlich immer stand: im Abseits, auf der Müllkippe, denn wer sollte mich schon lieben können?
Als ich begriff, dass das alles mit mir zu tun hatte, konnte ich erstmals Gegenmaßnahmen ergreifen. Ich begann, meine Stellung in der Welt, zu Mitmenschen, zum Partner, zu Kollegen, zu Freunden anzuschauen und sagte mir immer wieder: Du bist so gut wie jeder andere auch. Du machst manche Dinge sogar besser. Also stehe dazu.
Du bist nicht das Mauerblümchen, auf das jeder tritt, sondern Du bist eine Blume, die gefällt.
Ich begann mich zu loben, immer wieder. Ich begann, meine negativen Eigenschaften nicht deutlicher wahrzunehmen als meine positiven. Ich arbeitete regelrecht an meinem Selbstbild und das zeigte nach viel Übung auch Wirkung. Meine Stellung zu meiner Umwelt hat sich geändert, denn ich bin ebenso wertvoll wie andere und damit sende ich auch andere Signale.
Die Signale eines Menschen, der sich selbst annimmt mit allen Ecken und Kanten, lautet: Du bist okay, ich bin okay.
Und damit stehen mir auch Mitmenschen anders gegenüber und diejenigen, die gerne Macht ausüben wollen, bleiben weg, weil sie keinen Adressaten mehr in mir finden.
Du hast so wenig Selbstvertrauen, dass Du Dir auch keine richtige Beziehung zugestehst. Du gehst in eine Schutzhaltung und beginnst eine halbherzige Affäre, die aber Dein negatives Selbstbild wiederum verstärkt. Klar, es ist wie immer, ich werde eben nicht geliebt, ich bin nicht für Beziehungen gemacht.
Um Dich zu schützen, gebibst Du Dich in eine unverbindliche Nicht-Beziehung. Du signalisierst dem Affärenpartner, Du bist mir eine richtige Beziehung nicht wert und ich bin mir auch keine richtige Beziehung wert.
Du verursachst damit also wiederum Deinen Kreislauf: ich tauge nicht, ich bin Liebe nicht wert, weil ich eh nicht an mich glaube und weil Liebe verletzlich macht.
Du willst Kontrolle behalten und leidest andererseits unter der Unverbindlichkeit und damit bekommst Du wieder eine schlechte Rückkopplung für Dich. Du lebst in sich selbst erfüllenden Prophezeihungen und verstehst nicht, dass Du sie selbst herbei rufst, denn sie bestätigen Dein inneres Programm. Damit tust Du Dir permanent und immer wieder selbst weh.
Mein Rat:
1. Weg mit der Affäre, sie gibt Dich nicht das, was Du brauchst und möchtest. Du leidest darunter, also tut sie Dir mehr weh, als sie Dir nützt.
2. Ein positives Selbstbild gewinnen und verinnerlichen, So blöd es sich anhört, das ist Arbeit und man kommt sich manchmal blöd dabei vor. Aber damit kannst Du Dein inneres Programm ein wenig umschreiben. Du musst Deine Festplatte anderes programmieren. Wer das nicht von zu Hause aus mitbekommt wie ich, muss es später selbst machen. Ist leider so.
3. Nur wer sich selbst lieb haben kann und wer sich selbst achtet, macht sich offen für Gegenliebe und Achtung.
Es liegt alles an Dir. Wenn Du mehr an Dich glauben kannst, glauben auch andere an Dich. Sie nehmen Dich anders wahr als angenehmen und interessanten Menschen, der nicht viele Worte macht, aber eine positive Ausstrahlung hat. Vielredner sind nicht immer interessant, eher oft das Gegenteil, weil sie ermüden und den anderen als Publikum missbrauchen.
Du bist eine tolle Frau, Du bist wertvoll und Du bist liebesfähig. Aber nur, wenn Du lernst, an Dich zu glauben.
Ich empfehle Dir die Autorin Stefanie Stahl. Sie hat einige Bücher geschirieben z.B. über Bindungsängste, aber auch über das innere Kind, das man pflegen soll. Sie erklärt derlei Mechanismen anschaulich und empathisch. Daraus könntest Du am Anfang einiges ziehen
Fang heute gleich bei Dir an und sage Dir: Mann, ich habe heute ins Forum geschrieben und ich habe Antworten bekommen. Das ist doch toll! Das habe ich gut gemacht. Und die Menschen im Forum haben gleich erkannt, woran es bei mir hakt. Also kann ich meine Festplatte auch neu beschreiben: mit positiven anstatt mit negativen und mich selbst abwertenden Worten.
Bleib dran bzw. fange an. Du eröffnest Dir damit ein besseres Leben, glaub mir!
18.02.2021 19:00 •
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