Liebe Leidensgenossen,
ich spreche gerade zum ersten Mal über das, was ich die letzten 6 Wochen durchgemacht habe. Genau vor 6 Wochen hat mich meine Frau verlassen und mir von jetzt auf gleich zu verstehen gegeben, dass sie eine Auszeit benötigt - nach nicht einmal 10 Monaten Ehe.
Aber erstmal von Anfang an: Nach einer langjährigen, sehr glücklichen Beziehung (das kann ich uneigeschränkt über uns beide sagen), hat sie mir einen Heiratsantrag gemacht und ich natürlich ja gesagt. Ich berappelte mich gerade von der Trauer um einen sehr guten Freund. Das ist mir damals sehr an die Nieren gegangen. Dieser tolle, offenherzige Freund starb, weil er durch eine Fehldiagnose zu spät behandelt wurde. Alle seine Freunde wandten sich von ihm ab, weder in seinen letzten Tagen noch bei seiner Beerdigung hat sich auch nur einer blicken lassen. Vielleicht kommen viele mit sowas besser klar, aber das hat mich Monate extrem beschäftigt. Nicht einmal ein Jahr später (keine 2 Wochen nach dem Heiratsantrag) bekam ich die Nachricht, dass meine geliebte Mutter unheilbar erkrankt ist. Mein Vater war nicht mehr in der Lage, sich um die Dinge zu kümmern und ich fuhr Woche für Woche bis zu 500km. Die Hiobsbotschaften rissen nicht ab (weitere, schwere, unheilbare Folgeerkrankungen im Monatsrythmus) und obwohl sie bei der Erstdiagnose noch eine Lebenserwartung von 5-10 Jahren hatte, verstarb sie noch im selben Jahr - an meinem Geburtstag. Wir heirateten dennoch 3 Monate nach ihrem Tod, weil ich meine Freundin ja unbedingt heiraten wollte. Es war keine leichte Entscheidung, aber alle, mit denen ich darüber geredet habe, waren wie ich der Ansicht, dass es das richtig ist. Auch wenn meine Mutter an diesem Tag sehr gefehlt hat, haben wir doch das beste daraus gemacht und es wurde ein wunderschöner Tag. Nach der Hochzeit waren wir beide irgendwie ausgepowert - und ich wurde krank. Ich war sooft beim Arzt wie die letzten 20 Jahre nicht mehr und hatte selber Angst, sterben zu müssen. Ich war in diesen Monaten arbeitsunfähig und hatte sehr mit mir und meinen Schmerzen zu kämpfen. Zudem bekam auch noch mein Vater wenige Wochen nach der Hochzeit die Diagnose Alzheimer. Im Nachhinein sehe ich auch deutlicher, dass die Distanz dadurch ziwschen uns immer grösser wurde. Sie zog sich weiter zurück und ich verkrocht mich irgendwie komplett aus dieser Welt. Ich berappelte mich nur sehr langsam und erst seit ca. 2 Monaten geht es mit mir langsam wieder bergauf. Vor 5 Wochen bemerkte ich dann, dass sich meine Frau zunehmend seltsam verhielt. Sie ging mir mehr und mehr aus dem Weg und dann explodierte die Bombe: Sie sagte mir von jetzt auf gleich, dass sie ein paar Tage Abstand braucht und erstmal bei einer Freundin ist. Sie packte ihre Sachen und war weg. Das haute mich völlig um. Bis zu dem Tag, an dem sie ging, sagte sie mir eigentlich täglich, dass ich ihr absoluter Traummann bin und sie die glücklichste Frau der Welt. Ich denke bis heute, dass es im jedem Leben Phasen gibt, die traurig sind und nur schwer zu verarbeiten sind, aber unsere Liebe habe ich nie in Frage gestellt. Ich war immer der Überzeugung, dass es ihr da genauso geht. Ich möchte an dieser Stelle dazu sagen, dass ich ein Typ bin, mit dem man reden kann. Mir war der Ernst der Lage nicht bewusst, vielleicht auch, weil ich so mit mir selber zu kämpfen hatte. Nun war sie weg. Ich war so perplex, als Gründe nannte sie mir, dass ihr alles zu eng vorkommt und sie auch mal gerne alleine zu Hause sein möchte, da ich ja immer da bin (ich war immer da, weil ich mich nur in den eigenen vier Wänden wohl fühlte und das war auch nur in dieser schweren Zeit so). Sie würde mich nicht mehr vermissen. Da war sie nun weg und ich ehrlich gesagt völlig ratlos. Ich wurde misstrauisch und stellte Nachforschungen an und siehe da: keine 2 Tage, nachdem sie ausgezogen war, ist sie zu einem anderen Mann gefahren, den sie gerade mal 2 Wochen vorher kennengelernt hatte und übernachtet bei ihm. Ich weiss zu 100%, dass dieses Treffen das einzige war. Ich weiss, dass sie an diesem Tag ihre Tage hatte. Aber wie sie nach wenigen Monaten der Ehe, nach diesen schweren Zeiten dazu im Stande ist, schockiert mich zutiefst. Als ich dies erfuhr (1 Woche nach ihrem Auszug), rief ich sie an und wir redeten das erste mal wieder miteinander. Ich konfrontierte sie mit meinen neuen Erkenntnissen, sie stritt alles ab, bis zu dem Punkt, als ich Beweise lieferte. Sie sagte mir dann, dass sie es nur getan hat, weil dieser Typ in ihrem Kopf grösser wurde, als ihr lieb war und sie mit sich ins Reine kommen wollte. Es wäre nichts passiert (S., etc). Ihre Auszeit, sagte sie, hätte damit nichts zu tun und die Gründe würden nicht bei diesem Mann liegen. Sie wäre am nächsten morgen weggefahren und sie hätten seitdem keinen Kontakt mehr gehabt. Da wäre einfach nichts gewesen. Und auch, wenn ich 1000 Gründe habe, ihr das alles zu Glauben(und die habe ich, ohne hier naiv wirken zu wollen), ich tue es einfach nicht. In diesem ersten Gespräch war sie extrem kalt und schlug sogar vor, dass sie für 2 3 Monate sich eine eigene Wohnung nehmen will - um unsere Beziehung zu retten. Und obwohl ich meine Frau bis zum heutigen Tag über alles Liebe, sagte ich ihr gleich, dass ich mich dann trennen würde und ich keine Lösung darin sehe. 3 Tage später und nach einigen, langen und hitzigen Gesprächen, kam sie dann zurück und sie ist seitdem wie ausgewechselt. Sie bereut ihre Auszeit total und ist sehr bemüht, wieder alles ins Lot zu bringen. Ich nahm sie wieder auf und war trotz meines massiven Kummers bereit, der Sache eine Chance zu geben. Sie sagt, dass sie vieles runtergeschluckt hat(meine Trauer, meine Apathie) und mich nicht weiter mit ihrem Sorgen belasten wollte und es dann wie ein Korken aus ihr herausgeschossen ist. Wir sind seit fast 10 Jahren zusammen, ich würde 90% dieser Zeit als die glücklichste in meinem Leben bezeichnen und ich weiss, dass es ihr da genau so geht. Sowas schmeisst man doch nicht einfach weg, sondern kämpft darum. Je länger sie da ist, desto mehr habe ich aber ein Problem mit dem Geschehenen. Das Vertrauen zu ihr ist für mich völlig zerstört. Sie hat mich in den letzten Wochen oft angelogen, wahrscheinlich aus Feigheit und Scham, ich war mir immer sicher, dass wir ein sehr ehrliches Verhältnis hatten. Ich ertrage manchmal noch nicht mal ihre Nähe, die sie momentan extrem sucht. Ich weiss einfach nicht mehr weiter. Ich will ihr verzeihen, kann es aber irgendwie nicht. Jetzt steht auch noch in 4 Wochen ein gebuchter 2 wöchiger Urlaub an und ich kann mir aktuell einfach absolut nicht vorstellen, wie dieser gehen soll. Ich will auf keinen Fall hier alles im Affekt beenden, sehne mich nach einer glücklichen Zukunft mit dieser Frau, aber habe keinen Schimmer, wie das funktionieren soll.
Mit Bitte um Rat und Einschätzung
24.02.2017 11:52 •
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