Liebe Jane,
ich finde, du hast schon viele tolle, hoffentlich für dich hilfreiche Antworten bekommen.
Ich lese schon seit Jahren still mit, aber dein Beitrag war jetzt der Auslöser, mich anzumelden.
Denn ich habe im letzten Jahr so ziemlich das gleiche wie du gemacht, sogar im gleichen Alter, lach. Und ich denke, ich kann sehr gut nachfühlen, wie es dir grad geht.
Ohne jetzt meine ganze Geschichte in deinem Thema zu erzählen: er war anfangs großartig, ich habe mich so geliebt, gesehen und geborgen gefühlt wie noch nie. Incl. love bombing vom Feinsten. Nur kannte ich bis dato den Begriff und so ein Verhalten nicht.
Da wir uns schon Jahre kannten, ich war seine Kundin, hatte er einen großen Vertrauensvorschuss. Ich habe mich zwar anfangs über das Tempo (schnelles Vorstellen bei seinen volljährigen Kindern z. B.) und seine überschwänglichen Liebesbeteuerungen gewundert, sah aber keinen Grund ihm zu misstrauen. Er war schließlich ein erwachsener Mann und wird schon wissen, was er will und meinen, was er sagt. Und ich kannte ihn ja quasi schon als vertrauenswürdig und hilfsbereit im Job.
Dann, als ich mich eingelassen und furchtbar verliebt hatte, der Rückzug, er kam immer später und ging immer früher, meldete sich immer weniger. Und als ich dann etwas ansprach (ein No Go für mich, das wusste er) und darum bat, dass diese Sache bitte so in der Form nicht mehr vorkommt, war es mit uns nach einem halben Jahr so schnell vorbei, dass ich nicht wusste wie mir geschah.
Wie du, habe ich in meiner Panik alles zurückgenommen: wir hatten ja nur ein Missverständnis und ich bin alleine schuld und überhaupt darf er alles was er will, es tut mir schrecklich leid und ich entschuldige mich.
Ich habe es bei meinen Freundinnen später so ausgedrückt, dass ich mich quasi vor ihm in den Staub geworfen habe. Ich tat es per Sprachnachricht.
Und soll ich dir was sagen, Jane? Er ist, auch per Sprachnachricht, im übertragenen Sinn kaltlächelnd über mich rüber gelatscht: er hätte sowieso an Trennung gedacht, ich hätte es mit meinem „Anliegen“ nur beschleunigt, eine Partnerschaft in der man Kompromisse eingehen müsse, wäre sowieso zum Scheitern verurteilt und noch so einiges mehr an Blabliblubb. Ähm, vor fünf Minuten war ich noch seine Traumfrau, mit der er alt werden wollte.
Das macht was mit einem, ich weiß das. Dieses in den Himmel gehoben werden und dann klatscht man ungebremst auf den Boden und fragt sich, was das war. Was überhaupt echt und was gefaked war.
Liebe Jane, verzeihe dir, falls noch nicht geschehen, deine „Aktion“. Du bist ein Mensch und du warst bzw. bist verzweifelt. Und du warst in dem Moment authentisch. Ich wünschte (auch), ich hätte mich nicht so erniedrigt. Aber ich sehe es inzwischen positiv: ich weiß, dass ich so etwas nie wieder tun werde und bin so später nicht die Versuchung gekommen, mir einzureden, ich hätte nicht genug „gekämpft“. Und so kam ich auch nicht in die Gefahr, dass er wieder bei mir ankommt und ich schwach geworden wäre.
Mal ehrlich, Jane, was willst du mit einem Mann, der schon im ersten Monat keine Lust hat, den Sonntag mit dir zu verbringen und sich stattdessen „ausruhen“ muss? Er hätte doch niemals dein, völlig berechtigtes, Bedürfnis nach Nähe erfüllt.
Ich finde es völlig normal, dass du enttäuscht warst. Und was willst du mit einem Mann, der eure Beziehung sofort beendet, wenn es mal ungemütlich wird? Ihr wart zwar nun noch ganz am Anfang der Kennenlernphase, aber ich vermute, der Mann ist in deinem Alter, da denkt man doch, er meint, was er sagt und weiß, was er will.
Und wie würdest du reagieren, wenn jemand, den du liebst, Mist baut und aus einer Panik heraus übertrieben reagiert? Sofort in den Wind schießen? Oder darüber reden und dann sagen Schwamm drüber und schlussendlich verzeihen?
Ich habe mir meine Anteile angeschaut. Und auch geschaut, woher diese große Verlustangst kommt, die mir so in der Form nicht bewusst war. Warum ich bereit war, meine Standards zu verraten, um bloß nicht verlassen zu werden.
Ich bin, eigentlich keine Überraschung, in meiner Kindheit fündig geworden. Und bei meinem Selbstwert. Vielleicht ist das auch passend für dich. Und mittlerweile sehe ich es so, dass dieser Mann eine wichtige Lektion für mich war, die einfach dran war. Man lernt am Meisten aus seinen Niederlagen und Krisen, das ist leider so.
Ich weiß, dass alles noch sehr frisch bei dir ist. Im Moment ist dieser Mann noch „die letzte Cola in der Wüste“ für dich. Liebeskummer ist schrecklich und in so einem Fall besonders schlimm. Da hilft leider nur aushalten, lieb zu sich sein, manchmal einfach nur liegen bleiben und atmen, Sport, Gefühle rauslassen, mit Freundinnen reden, Podcasts hören, Bücher lesen und auch ablenken. Vielleicht auch professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, wenn möglich.
Es wird besser und geht vorbei, das verspreche ich dir!
Nun wurde der Text doch sehr lang. Aber ich wollte dir unbedingt schreiben, denn du bist nämlich nicht allein! Andere, ich z. B., lach, machen nämlich auch so einen Sch***. Und eigentlich bin ich eine erwachsene gestandene Frau, die ihr Leben gut auf die Reihe kriegt.
Und ich hoffe, dass du aus meinem Roman etwas für dich mitnehmen kannst und er den Tag heute für dich ein kleines bisschen leichter macht.
Fühl dich ganz fest gedrückt und verstanden, liebe Jane.
P.S. Experience is the hardest kind of teacher. It gives you the test first and the lesson afterward (angeblich Oscar Wilde)
05.06.2024 09:23 •
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