Gute güte, was für eine krasse Situation!
Erstmal finde ich es wunderbar, das Du überhaupt darüber nachdenkst mit ihr eine Beziehung ein zu gehen, die meisten Menschen rennen schreiend davon, wenn sie in eine Situation kommen die der Deinen ähnelt. Krebskranke verlieren oft und schnell die Freunde, die nicht mit der Situation umgehen können und viel Angst haben - was keineswegs für einen schlechten Charakter, sondern für einen gesunden Selbstschutz spricht, der aber leider auch sehr, sehr, sehr verletzend und ungesund für die betroffene erkrankte Person ist.
Letztes Jahr war ich in entfernt ähnlicher Situation - ein Freund von mir hat gedacht Krebs zu haben und das leider auch gelebt. Er hatte hinterher keinen, lange Geschichte, hier fehl am Platze. Ich habe aber 2 Jahre geglaubt er hätte Krebs, wie sein gesammtes Umfeld bis zu seinem Tod auch.
Was ich dir also aus Quasi-Erfahrung sagen kann ist:
Es war sehr fordernd und belastend mit seinen Emotionen umzugehen und diese selbst auch auszuhalten, da sein Krebs ihn psychisch und auch körperlich stark destabilisiert haben. Das ganze zog einen Rattenschwanz hinter sich her, von dem ich vorher keine Ahnung hatte. Ich musste meine Kräfte sehr gut aufteilen um mit diesem für mich sehr wichtigen Menschen, meiner Ausbildung, meinem Privatleben und meinen eigenen Baustellen umgehen zu können. Das hat nicht immer funktioniert aber ich bin auch nicht völlig daran zu Grunde gegangen.
Wenn Du mit der Frau etwas anfängst wirst Du ihr eine großartige Stütze sein, so groß, das kannst Du Dir (noch) gar nicht vorstellen. Es bedeutet wortwörtlich die Welt, wenn man als betroffene/r einen Menschen hat auf den man zählen kann. Die paar Worte die ich hier schreibe können ihre Bedeutung nicht angemessen rüber bringen, glaube ich.
Die Zeit mit ihm war ohne eine Frage eine der Erfahrungen meines Lebens, sie hat mir sehr viel wertvolles beigebracht über Einfühlungsvermögen, Leid und den Umgang damit, Mitgefühl auch für Leute die scheinbar Dinge falsch machen, die Kraft sich auch unangenehmen Dingen zu stellen, das erhalten der Lebensfreude und Lebensqualität (so weit das möglich ist), Gelassenheit ohne Ignoranz gegenüber der Schwere eines Situation, Nähe/Distanz und die eigenen Grenzen, Liebe, ungemütliche aber unglaublich produktive Selbstreflexion, das trauern, fürchten und fühlen mit einem nahestehenden Menschen und auch über das sterben beigebracht. Und auch darüber das die Lebensqualität ab einem bestimmten zeitpunkt wichtiger ist als die Dauer des Lebens.
Allerdings bin ich nicht nur mit guten Erfahrungen da heraus gegangen. Als besagter Freund dann schließlich starb bin ich innerhalb von 4 Tagen weggeklappt und konnte NICHTS mehr. Das war Ende letzten Jahres. Heute bin ich immer noch angeschlagen, nicht in der Lage zu arbeiten.
Du hast völlig recht wenn Du wähnst mit dem eingehen der Beziehung viel Verantwortung ein zu gehen und es ist absolut gerechtfertigt und verständlich das Du zögerst. Diese Freundschaft die wir hatten war auch belastend und mir dampfte manchesmal der Schädel das in unserer Stadt Smogalarm ausgerufen wurde.
Unterm Strich sage ich Dir aber : Ich will ich die Zeit mit diesem Menschen nicht missen und bin unglaublich froh und schätze mich glücklich ihn gekannt und begleitet zu haben. Ich konnte da sein und manchmal sogar lindern. Ich bin durch diese Freundschaft und alles was sie mit sich brachte kein anderer aber ein reiferer Mensch geworden.
Und es ist auch bei Krebszellen die gestreut haben nicht gesagt, dass der betroffene Mensch daran sterben wird. Wenn sie gut auf die Therapie anspricht und Hoffnung besteht kann diese Frau durchaus überleben.
Wenn Du mit ihr eine Beziehung einghst wirst Du wahrscheinlich eine genau so wunderbare wie schwere Zeit haben, egal wie ihre Krankheit verläuft. Eins will ich Dir noch dringend ans Herz legen : Gehe sofort in eine Gruppe von betroffenen angehörigen, ab dem Tag ab dem ihr zusammen seid. Du wirst Leute brauchen mit denen Du Erfahrungen austauschen kannst wie Luft zum atmen.
Hoffe ich konnte Dir damit irgendwie helfen und habe Dich nicht einfach noch tiefer in die Grübelgrube gestoßen.
Kein schei., ich wünsche Dir massiv viel Kraft und gute Menschen um Dich und deine vielleicht-bald-Freundin herum und das die verfluchten Krebszellen sich bald zurückbilden!
07.09.2015 14:25 •
x 2 #2