@Heiter
Ich kann deine Reaktion verstehen. Vielleicht muss ich einige Hintergründe erklären.
Mein Mann hatte seinen Burnout im März. Überforderung im Job und Angst, dem nicht gewachsen zu sein. Er brauchte einfach eine Auszeit, die hat er bekommen. In der Zeit hat er all das gemacht, was ihm Spaß macht, gekauft was ihm gefällt usw. und ich habe dafür nicht nur Verständnis gehabt, sondern ihn auch ermutigt.
Und das konnte ich nur deshalb, weil ich selber seit 2011 mit Depressionen zu tun habe. Im Gegensatz zu ihm (das gibt er offen zu) war mir immer wichtig, zu verstehen, warum ich in die Depression gefallen bin (weil augenscheinlich keine Auslöser da waren), zu verstehen, mit welchen Maßnahmen ich die Situation lebenswert für uns beide mache und mich zum Thema sehr belesen.
Er war und ist sehr dankbar, dass ich durch meine eigenen Erfahrungen all dieses Verständnis aufbringen und ihn stabilisieren konnte. Mich hat ja nicht die Tatsache, dass er der anderen so nahe gekommen ist, verletzt. Ich weiß, dass in der Käseglocke alles anders ist und dass er dort nunmal gut ankam (er hatte Angst, dass er nur mit Psychos wie er es nannte, umgehen musste).
Er weiß, dass er mich nicht beeindrucken kann und nicht muss (weder durch tolle Klamotten, schönes Auto, Geschenke usw). Nun kam er dort an (hat er mir selber alles erzählt) und durch sein Auftreten war er ohne viel Zutun der Große Zampano. Er hat es genossen - und wie schon von mir zu Anfang ehrlich erklärt - ich habe es ihm von Herzen gegönnt.
Weil es ihn aus meiner Sicht stabilisiert hat. Und um weiterem Mitleid für meinen Mann entgegenzuwirken: er hatte noch nie in seinem Leben eine Depression, nichtmal eine depressive Phase. Er ist nicht bipolar, hat (außer vor der Rente und dem bestehen müssen im Job) keinerlei Ängste und kennt Panikattacken nur als Wort.
Was den S. angeht: seit 2 Jahren klappt es bei ihm nicht mehr gut. Seit er die Tabletten nimmt, geht gar nichts mehr (seine Aussage) und nicht mal die Lust auf S. wäre vorhanden. Darüber haben wir nicht ausführlich (ist ihm peinlich) aber doch hin und wieder gesprochen. Dass er nach all der Zeit keinen Stän... mehr bekommt, wenn ich mich ausziehe, ist mir völlig klar. Meine Libido ist seit der Einnahme von SSRI ebenfalls nahezu weg. Es hat uns beide nicht gestört und niemand hat den anderen unter Druck gesetzt oder setzen müssen, weil wir damit beide leben konnten.
Ich habe ihm auch in diesem, wie in jedem anderen Punkt immer alle Zeit gelassen, mit sich selber klar zu kommen und ihm meine Unterstützung gegeben oder angeboten.
Zurück zum Ausgangspunkt der Übergriffigkeit: ER wollte von mir wissen, was er tun soll, damit er sie vergessen kann, weil er mit mir neu anfangen will. Ich habe ihm gesagt, dass das für mich der einzige Weg wäre, damit ich ihm ein Stück weit vertrauen kann, dass er es ernst meint. Ich gehe durch die Hölle und soll ihm noch mehr Zeit lassen? Soll am besten noch darum buhlen, bei ihm wieder in der Highscore-Liste noch oben zu steigen? Nein, nein und nochmal nein.
Wie gesagt, er wollte es von sich aus beenden (allerdings nur, weil ich ihn erwischt habe und per Whatsapp). Ich finde das gegenüber jedermann ätzend. Das macht man einfach nicht. Wenn die emotionale Bindung wirklich so stark war und er sie loslassen WILL (das war mir wichtig, dass ich es nicht verlange), dann ist für alle Beteiligten am besten, sich das persönlich zu sagen. Schließlich hat es ja auch nicht Whatapp begonnen, sondern mit intimen Gesprächen.
Ich denke, du siehst das genauso. Dass ich mithöre, hat er ihr am Telefon gesagt. Und nachdem er Schluss gemacht hat (sie hat es übrigens ziemlich entspannt mit den Worten das dachte ich mir schon hingenommen), hat er sie und mich gefragt, ob wir beide sprechen möchten.
Ich habe ihn also nicht dazu gezwungen, wie du es verstanden hast.
Das, was ich am wenigsten will, ist ein Ehemann, der tut und lässt was ich sage. Ich wünsche mir einen Partner, der mich mit Respekt behandelt, wie er von mir behandelt wird. Und das, was er die Tage abgezogen hat, war respekt-, gefühl- und lieblos.
Den Raum, wie du schreibst, ihn selber entscheiden zu lassen, wie er fühlt --- den HABE ich ihm gegeben. Ich wusste schon Tage vor seinem offiziellen Auffliegen Bescheid und habe abgewartet. Ihm den Ball zugeworfen. Er hätte ihn nur fangen müssen. Ihm gefiel aber einfach zu sehr, dass er sich so verliebt fühlte und das erwidert wurde.
In der Hinsicht war er höchst egoistisch. Wir hatten wirklich schöne Tage, in denen ich dachte und hoffte, dass es sich tatsächlich verflüchtigt und wieder normalisiert, sobald er wieder angekommen ist. Ich habe das getan, was aus meiner Sicht klug ist (ihn nicht überfallen oder eine Szene machen, sondern abwarten). Er hat sich auch nicht verstellt, sondern ihm hat unsere Zeit genauso gefallen. Er hat sich über mein Willkommen gefreut, über den liebevollen Brief, den ich ihm in die Reha geschickt habe, über meinen Besuch und die Zeit, die wir dort verbracht haben.
Aber er hat sich auch über die Bewunderung, über die Nähe der anderen gefreut. Sogar das kann ich verstehen. Welcher Mann um die 60 würde eines davon ausschlagen, fliegt ihm doch beides zu?
26.11.2022 19:34 •
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