@meerweh
Lieber TE
Ich finde das eine fantastische Idee von Dir, vielen Dank dafür. Auch ist es schön, dass hier einige sich wirklich über dieses Thema austauschen können und ein (mit einer Ausnahme) ein sehr vorsichtiger und respektvoller Umgang gepflegt wird.
Leider weiss ich genau wie Du fühlst und meist kommt die Depression auch nicht aus heiterem Himmel, sondern hängt schon länger wie ein Damoklesschwert über einem. Ich habe solche Phasen immer mal wieder in meiner Jugend gehabt und im jungen Erwachsenenalter noch den einen oder anderen Schicksalsschlag verkraften müssen. Von Todesfällen innerhalb der Familie bis zu meiner eigenen Scheidung gab es eine Bandbreite an Ereignissen und dennoch schien die Depression von einem Tag auf den anderen gekommen zu sein, begleitet mit mühsamen Schlafstörungen.
Ich stand eines Morgens in der Wekstatt meiner Firma und mein Vater kam auf Besuch, um einen Kaffee zu trinken. Es war wie wenn er den Braten gerochen hätte. Wir sprachen kurz und ich sagte, ich wisse nicht was los sei, aber ich könnte einfach nur weinen, ohne Grund. Dann klingelte das Telefon und mein Vater fragte, ob ich da nicht rangehen müsse? Ich sagte dann doch und wollte rangehen, wusste aber nicht mehr wie das geht... Da nahm mich mein Vater und schickte mich umgehend zum Arzt. Dann bekam ich erstmal regelmässig die Möglichkeit zur Therapie und Medikamente. Die chemischen Medis habe ich lange abgelehnt, weshalb wir zunächst mit pflanzlichen Mittel versuchten eine Besserung zu erzielen. Damals nahm ich also vor dem ins Bett gehen Redormin und über den Tag verteilt Relaxane. Mit Hilfe der Therapie kam es auch rasch zu einer Besserung.
Da ich aber nicht sehr viel an meinem Leben änderte, ging es mir auch rasch wieder schlechter, sodass ich nach rund 4 Monaten entschied auf die chemischen Substanzen zurückzugreifen. Natürlich sagt jeder Arzt und Psychiater, dass diese AD's kein Problem wären und man sie jederzeit absetzen könne. Wir starteten also mit 7,5mg Mirtazapin. Diese nahm ich dann für 4 Tage, nachdem ich jeden Morgen einfach nicht mehr richtig wach wurde und mit dem Auto zur Arbeit musste. Dieses Mirtazapin mag ja gut sein, für Menschen, die es sich erlauben können 12h oder länger im Bett zu liegen, da ich aber auch im Beruf jederzeit funktionieren musste, hörte ich nach 4 Tagen wieder auf und meldete dies meinem Psychiater. Danach versuchten wir es mit Escitalopram, dass anders als Mirtazapin nicht zur Schlafförderung beiträgt, sondern den Antrieb steigert und die Stimmung aufhellt (oder in vielen Fällen auch einfach dämpft). Diese taten mir gefühlt sehr gut, allerdings mit erheblichen Nebenwirkungen. Aufgrund des Escitaloprams (ich nahm 10mg morgens) bekam ich Erektions- und Orga. Störungen. Zunächst war also kein S. Höhepunkt mehr möglich, völlig egal was ich probierte. Nach einem halben Jahr ging es dann, aber nur nach langer Zeit und mit erheblicher Anstrengung.
In dieser Zeit bekam ich eine neue Psychiaterin, da der Vorgänger den Standort wechselte. Diese Ärztin verschrieb mir dann ein Neuroleptikum namens Quetiapin, welches gemäss ihr ebenfalls den Antrieb steigern sollte und den Gehrinnebel etwas lösen sollte. Nun, weit gefehlt, Quetiapin dient eigentlich auch eher zur Schlafförderung und als ich es zum ersten Mal nahm, hatte ich keine Chance mehr um wach zu bleiben. Danach versuchten wir noch Sertralin, quasi die grosse Schwester vom Escitalopram, was auch nicht besser wirkte. Also verharrte ich rund 2 Jahre beim Escitalopram, welches vom Empfinder her wirkte, aber auch Nebengeräusche machte. Nun bin ich seit rund einem halben Jahr ohne Medikamente unterwegs. Das Absetzen war auch ein bisschen uncooler als es die Ärzte beschreiben, weshalb ich auch ein bisschen das Vertrauen in diese Medikamente verloren habe.
Heute nehme ich im äussersten Notfall mal eine halbe Temesta, bei euch in DE sind das glaube ich Tavor. Dies aber nur, wenn ich zu jenem Zeitpunkt einfach funktionieren muss. Da muss man aber vorsichtig sein, denn die machen stark abhängig. Ansonsten gibt es für mich keine Medikamente mehr, auf die ich zurückgreifen würde. Ich habe einfach auch zu viel wissenschaftliche Studien zum Thema AD gelesen.
Ich habe für mich selbst aber Mittel und Wege gefunden um gegen meine Depression anzukämpfen. Ich habe verschiedenste Dinge ausprobiert und folgendes kann ich wärmstens empfehlen:
- Lesen (Vorallem Sachbücher; Derzeit lese ich die 1% Methode, für Depressive wirklich hilfreich)
- Schreiben (Tagebuch oder Stcihwortartig was gut am Tag war)
- Schlafhygiene (1h vor dem ins Bett gehen keine elektronischen Geräte mehr und keine elektronischen Geräte im Schlafzimmer)
- DIE WIM HOF-METHODE (extra alles gross geschrieben, denn die hat mein Leben wirklich nochmals signifikant verbessert. Breathwork, Eisbad und Meditation)
- Ernährung (bewusster Essen und vorallem Supplemente Vitamin D3, B12, Folsäure. Magnesium und Zink)
- Sport (Joggen oder einfach nur Spaziergänge in die Natur)
Habe ich noch was vergessen? Der Beitrag ist eh schon lang geung Vielleicht grätsche ich hin und wieder ergänzend rein. Nochmals vielen Dank @meerweh, finde ich eine tolle Idee was Du hier machst.
Zitat von Hermine47: In anderem Zusammenhang, schrieb hier im Forum mal jemand, das Depressive meist sehr egoistische Menschen sind -
von mir kann ich das nicht behaupten .... ich bin/werde meist dann am depressivsten wenn ich zu wenig auf mich achte.
Somit hilft ein gesunder Egoismus sogar dabei Depressionen vorzubeugen.
Tut mir leid, aber die Aussage von diesem Jemand in diesem Forum ist quatsch, eher das Gegenteil ist der Fall. Ohne jetzt auf mich schliessen zu wollen, das masse ich mir nicht an. Ich kenne aber andere Depressive, die gerade erst in so Situationen kamen, weil sie zuerst an alle anderen denken, statt mal an sich selbst. Genau wie Du über dich auch sagst.