Hallo liebe Community,
ich habe mich hier angemeldet, um meine Geschichte niederzuschreiben zum Thema Borderline, wovon es hier zwar schon Threads zu Hauf gibt, meine Geschichte sich jedoch doch etwas anders verhält. Ich schreibe hier sowohl, um die große Belastung von meiner Seele zu befreien und gleichzeitig Gleichgesinnte anzusprechen und Tipps/Einschätzungen zu bekommen.
Zunächst zu meiner Geschichte. Ich M, heute am Ende meiner 20er, habe mich vor 6 Jahren in das Mädchen verliebt, dass für mich die absolute Liebe meines Lebens ist. Ich hatte zuvor nicht viel Beziehungserfahrung, nur eine Fernbeziehung die zwar von vielen Streitereien aber nicht von großer Liebe geprägt war. Die Trennung von der Fernbeziehung ging von meiner Ex-Partnerin aus, ich war zwar betrübt, jedoch nach 4 Wochen über den Berg.
Als ich dann meine langjährige Liebe kennenlernte war auf einen Schlag alles anders. Ich war nie der große Frauenverführer und plötzlich schrieb Sie mich von sich aus, nach einem Zusammentreffen in einer Bar, an und besorgte sich sogar von einem Freund meine Nummer.
Danach ging alles recht fix, viele Treffen, lange Wanderungen mit ganz besonderen Gesprächen verdrehten mir komplett den Kopf. Zuvor war meine Ex-Partnerin auch nur in einer Beziehung die jedoch auch sehr lange hielt (seit Jugendzeiten).
Nachdem unsere Beziehung immer intensiver wurde und wir auch relativ schnell den ersten Urlaub zusammen verbrachten, wurde es immer schöner für mich. Wir teilten so viele Leidenschaften, sie war wunderschön und sympathisch. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Sie vertraute mir schnell sehr intime Details ihrer Jugend und aus ihrer vorherigen Beziehung an und über eine Essstörung und das ich der erste Mensch sei der sie wirklich versteht.
Die Gespräche mit ihr waren so inspirierend und tiefgründig, wie ich es nie zuvor mit einem Menschen erlebt habe. Auch ich konnte mich völlig öffnen und wurde ausnahmslos geliebt für das was ich war. Dieses Gefühl, nicht den harten Typen geben zu müssen, sondern meine einfühlsame Seite völlig offen zu legen, waren für mich neu.
Unsere Beziehung entwickelte sich für mich augenscheinlich gesund und normal. Wir gingen zusammen in eine neue Stadt und zogen zusammen. Insgesamt ging unsere Beziehung über 5 Jahre von denen wir 3 zusammen wohnten und die für mich fast ausnahmslos positiv waren und sich genauso entwickelten wie ich mir das Leben vorstellte (und sie sich auch, dachte ich).
Wir sprachen sehr früh in der Beziehung über unsere Wünsche und Vorstellungen vom Leben und waren hier 100% auf einer Wellenlänge.
Natürlich gab es während der 5 Jahre immer mal wieder große und kleine Krisen, die ich jedoch als völlig normal im Hinblick ihrer Geschichte betrachtete.
Auffällig war für mich nur der ständige, teilweise unberechenbare Stimmungswechsel. So gab es Momente wo wir gemeinsam in den Urlaub fahren wollten auf den wir uns so lange gefreut haben und plötzlich am Tag der Reise wollte Sie zu Hause bleiben und alles absagen. Solche Momente gab es zahlreich, auch vor Partys, Bewerbungsgesprächen etc.
Ich konnte die Wogen jedoch immer Glätten und im gemeinsamen Gespräch konnten wir die Situation auflösen. Kurz darauf war auch alles wieder gut.
Wir erlebten in den Jahren die tollsten Momente und ich fühlte mich erstmals in meinem Leben total sicher und angekommen. Ständig schworen wir uns immer füreinander da zu sein. Es gab nie Gewalt etc. und auch keine Untreue (soweit ich weiß).
Das einzige was immer Mitschwang war die unbegreifliche, plötzliche Trauer, eine dauernde, spürbare Anspannung und die Unberechenbarkeit bei Entscheidungen.
Der zerstörerische Prozess kam für mein Gefühl schleichend über uns. Ich merkte wie mein Verständnis für die Trauer und Gefühlsausbrüche zunehmend nachließen. Ich wollte meine weiteren Lebensziele wie die Gründung einer Familie und die Anschaffung von Wohneigentum voran treiben. Unser Band der Initimität wurde geringer, ich merkte förmlich wie die Distanz zunahm.
Mich machte dieser Zustand immer unruhiger. Ich wurde zunehmend wütend, sagte auch mal fiese Sachen (das Kinder nicht möglich sind wenn man nicht mit sich selber klarkommt) und versuchte durch beleidigtes Verhalten und Druckaufbau meine Wünsche und Ziele durchzusetzen. Gleichzeitig versuchte ich weiter alles für unsere Beziehung und für Sie zu tun, um unser Band wieder herzustellen.
Wir hatten oft lange Gespräche, die uns beide leider eher destabilisierten, waren jedoch weiterhin sehr offen. Ich versuchte mich immer mehr in der Rolle des Therapeuten und war enttäuscht über mangelnden Erfolg, da sie mir oft nicht mehr folgen konnte (wollte) . Der Wechsel von tollen Momenten und Trauer nahm immer mehr zu. In den Momenten der Trauer übermannte mich immer mehr das Gefühl der Machtlosigkeit und Hilflosigkeit, sodass ich oft selber völlig fertig und weinend am Boden war.
Dieses Fass musste irgendwann zum Überlaufen kommen, ich wurde Eifersüchtig, sie wurde ebenfalls Eifersüchtig und ich versuchte ihre ständig nachlassende Aufmerksamkeit und den Rückzug aufzuhalten. Als die Stimmungswechsel für mich immer unberechenbarer wurden, bekam ich regelrechte Angst vor Reaktionen und teilte ihr dieses mit.
Damit eskalierte die Situation und es kam zu einer ersten vorläufigen Trennung auf Zeit. Ich war am Boden zerstört, mein Selbstwert war am Ende. Das letzte womit ich bewusst gerechnet hatte war der Verlust dieser Frau. Ich versuchte alles, dass wir uns wiederfinden und es nochmal versuchen. Ich wollte einen wirklichen Neuanfang und habe versucht an mir zu arbeiten, weil ich zunehmend auch eigene Defizite in den Vordergrund stellte. Ich hatte auch den Eindruck es funktioniert (bei mir) das Vergangene hinter uns zu lassen.
Ich stellte jedoch schnell fest, dass der Speicher der negativen Erlebnisse bei ihr voll aktiv waren und eine falsche Reaktion meiner Seite wieder zu einer Eskalationsspirale führten. Laut ihrer Aussage begannen wieder die Essstörungen und ich wurde erstmals offen dafür verantwortlich gemacht. Ich fühlte mich elend und am Ende. Wieder kamen wir jedoch auf die Beine.
Einige Wochen später kam dann die Nachricht per SMS, dass sie aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen würde. Ich saß wochenlang in der Wohnung mit all ihren Sachen und schlief im gemeinsamen Bett. Es war die Hölle auf Erden.
Bis zu diesem Punkt hielt ich das ganze für eine normale, extrem heftige Trennung. Ich versuchte alles um sie wiederzubekommen, vom Liebesbeweis bis zur Kontaktsperre war alles dabei. Immer wieder hatten wir Kontakt, wo auch sie mir Phasenweise wieder größte Liebesbeweise, Trauer und Gefühle offenbarte.
Sie fasste wieder Vertrauen zu mir und wir hatten schöne Tage und planten den Neuanfang. Ich war so im Glück, wir schrieben uns Nachrichten voller Liebe und Emotionen, planten den Neuanfang. Von einem Tag auf den anderen kam jedoch wieder der Kontaktabbruch, ohne erkenntlichen Grund für mich. Alles zuvor Gesprochene wurde als Illusion dargestellt und mir gesagt, ich würde mich nicht ändern.
Ich machte mir in den kommenden Wochen so viele Vorwürfe, versuchte hart an mir selber und meinen Defiziten zu arbeiten. Für alles Geschehene und mein klammerndes Verhalten hasste ich mich zunehmend.
Mit der Zeit ging es mir erstmalig besser. Ich konnte aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen und einen Neustart versuchen. Da kam meine Ex-Partnerin plötzlich aus dem Nichts und fragte, ob wir nicht mal wieder was unternehmen wollen (die eigentliche, nie offen ausgesprochene Trennung war nun ca. 3 Monate her).
Ich war natürlich sofort im Glück, dachte diesmal klappt es. Die folgenden Wochen waren toll, wir schmiedeten Pläne und hatten intime Momente wie zu Beginn unserer Beziehung. Zum ersten Mal nach Monaten war ich wieder rundum glücklich. Alles war so eng, so Vertraut. Unbeschreiblich. Sie war so reflektiert, offen und voller Reue, ich glaubte jedes Wort.
Wir telefonierten wieder regelmäßig und sie offenbarte mir, dass sie ein neuen Mann kennengelernt hat, wo jedoch nichts läuft. Ich war außer mir und wütend, sprachen wir doch soeben über unsere Zukunft und Familienplanung! Meine Meinung teilte ich ihr wütend mit, was die Stimmung augenblicklich explodieren ließ. Danach brach der Kontakt jeh ab. Ich wurde mit Anschuldigungen und Vorwürfen konfrontiert, bevor der Kontakt eiskalt eingestellt wurde.
Ich war am Boden zerstört. Völlig desillusioniert. Erstmals konnte ich mir absolut kein Reim mehr aus dem Verhalten machen - was hatte ich nur falsch gemacht?
Ich stieß erstmals auf das Wort Borderline, erinnerte mich an eine für mich unbedeutende Situation in der Beziehung, wo dieses Wort schon einmal aufgetaucht war. Und plötzlich fügten sich die Teile wie ein Puzzle Stück für Stück.
Ich verschlang jedes Buch und jede Website zu dem Thema Borderline in Beziehungen und fand unglaublich viele Parallelen, aber auch viele Unstimmigkeiten (z.B. Die Länge und das lange gute Funktionieren der Beziehung, keine Gewalt, kein Betrug).
Nun hatte das Kind endlich einen Namen und plötzlich wurde mir auch mein eigener Anteil bewusst. Ich hielt mich immer für einen starken Typen mit starker Schulter und gesunder Vergangenheit. Durch die unermessliche Trauer (die ich nach 5 Monaten immer noch Empfinde), dass Gefühl der vollständigen Zerstörung aller meiner Lebensinhalte und Glaubenssätze verlor ich völlig den Halt. Dies führte mich zu einer tiefen Reise zu mir selbst. Ich stehe noch ganz am Anfang, bin mir jedoch meiner massiven Verlustängste und meines mangelhaften Selbstwertes mittlerweile Bewusst.
Auch die Ursachen in meiner Kindheit, die ich immer für glücklich und gesund gehalten habe, werden mir immer mehr bewusst (z.B. ein schwerer Trauerfall einer nahen Bezugsperson, mit der komplettem Destabilisierung des Umfelds, die nie verarbeitet wurde).
Ich habe mir nun professionelle Hilfe gesucht, weil das Loch und der Schmerz unendlich erscheint. Ich denke immer noch ständig an meine Ex, würde alles für ein Leben mit Ihr geben und habe Angst, teilweise Panikattacken.
Ständig bin ich versucht sie zu kontaktieren. Gerne würde ich ihr von meinen Erkenntnissen berichten, vor allem auf meiner Seite, aber auch über den Verlauf unserer Beziehung.
Ich habe immer noch das Verantwortungsgefühl in mir und fühle, dass ich nur mit ihr offen darüber reden kann.
Insgeheim hoffe ich, dass sie doch kein Borderline hat oder so reflektiert ist, dass wir beide die Chance auf einen wirklichen Neuanfang mit einem ganz anderen Wissenshintergrund haben.
Daher nach meiner langen Ausführung nun die große Frage:
Würdet ihr sie mit meinen Erkenntnissen noch einmal zu einem Gespräch bitten? Sie mit meiner Theorie zu meiner eigenen Bindungsstörung und ihren Borderlinesymptomen zu konfrontieren?
Da sie sich nun gar nicht mehr gemeldet hat, habe ich Angst vor der bitteren Wahrheit, dass sie einen neuen Spiegel hat und zu keiner gemeinsamen Aufarbeitung bereit ist.
Danke wer den langen Text bis hier gelesen hast. Aber vielleicht findet sich ja der ein oder andere hierdrin wieder)
Liebe Grüße
09.01.2022 01:35 •
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