Hallo Touchscreen,
klar, wer kennt das nicht?
Man kennt sich flüchtig, dann hat man beruflich mehr miteinander zu tun, findet sich sympathisch, redet dann auch mal über persönliche Dinge und da, wie aufregend, findet man Gemeinsamkeiten, die man gar nicht vermutet hätte etc.
Das ist eine sehr angenehme Annäherung, die das Herz höher schlagen lässt. Ach, guck an, wir kennen uns schon so lange... aber wer hätte das gedacht? Da gibt es so viele Übereinstimmungen?
Das Hochgefühl, das dabei entsteht, lässt dann aber die Realität etwas verschwimmen. Denn, ganz ehrlich, viele der Übereinstimmungen ließen sich auch mit Kollegin X und Kollege Y finden (sprich sind also nicht soo arg außergewöhnlich). Und dann ist es in so einer Phase der Bekanntschaft natürlich auch keine sooo große Kunst, bei vielen Dingen übereinstimmend zu denken. Schließlich gibt es noch keine wirklich wichtigen Entscheidungen, die man gemeinsam treffen muss. Da kann ich mich leicht (bei Dingen, denen ich keine größere Bedeutung beimesse oder über die ich mir bislang gar keine Gedanken gemacht habe) der Meinung meines Gesprächspartners/meiner Gesprächspartnerin anschließen (was ihm/ihr das Gefühl gibt: Ohh, toll, in dieser Frage ist er/sie ja auch meiner Meinung! Wir passen ja super zusammen, viel besser jedenfalls als mein Ehemann/meine Ehefrau und ich).
Wenn dein Kollege erklärt, zwischen seiner Frau und ihm sei schon lange nichts mehr als grauer Alltag, dann wertet er die Beziehung mit dir auf und die Beziehung mit seiner Frau ab. Er kann vor sich so die Außenbeziehung, Untreue und Unehrlichkeit rechtfertigen. (Ist ja sowieso nichts mehr. Wir sind zu weit entfernt...) Ob seine Frau tatsächlich derselben Meinung ist (Ne, ne, zwischen meinem Mann und mir tut sich schon lange nichts mehr. Ist alles öde und langweilig. Wir sind unglücklich miteinander. Wird Zeit, dass die Kinder aus dem Haus sind und wir getrennte Wege gehen können.), ist die Frage. Du bräuchtest eine Glaskugel, um zu sehen, ob sie nicht doch aneinander gekuschelt aufwachen oder heute am Sonntag vielleicht händchenhaltend spazieren gehen... (ähm, außer ihr beiden habt für heute Nachmittag ein Treffen arrangiert)
Damit will ich nicht sagen, dass dein Kollege dich anlügt, sondern dass er je nach Kontext seine Situation unterschiedlich interpretieren könnte. Gab's zum Beispiel zu Hause irgendeinen Knatsch, bevor ihr euch getroffen habt (und der könnte durchaus einfach wegen der heranwachsenden Kinder sein), könnte er geneigt sein, in einem Gespräch mit dir den Alltag zu Hause in den düstersten Farben zu sehen, dabei ist es eben ganz normaler Familienalltag, der eben auch mal Knatsch beinhaltet (und den ein erwachsener Mann auch aushalten sollte). Die Begegnung mit dir ist dagegen in seinen Augen makellos, erhebend und über alle Zweifel erhaben.
Freilich kann es auch sein, dass die beiden tatsächlich nur noch eine Zweckwohngemeinschaft führen. Aber wenn das so wäre, hätte er gar keinen Grund, eure Beziehung vor seiner Frau geheim zu halten. Wenn's nur darum geht, organisatorisch und finanziell noch zusammenzuarbeiten und sich bestmöglich ein Haus zu teilen, dann müsste es der Ehefrau egal sein, wenn ihr Mann eine neue Freundin hat. Anders dagegen, wenn eben doch noch Gefühle im Spiel sind (was ich eher vermute!).
Dein Ehemann ist womöglich schon etwas verunsichert. Da mir persönlich Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit besonders wichtig sind in der Beziehung, schließe ich mich OneWays Meinung an. Für außereheliche Verliebtheit kann man Verständnis aufbringen, eine gewisse Annäherung auch noch schlucken, ein einmaliges bzw. kurzfristiges Fremdgehen des Partners/der Partnerin als Gefühlswallung sehen und irgendwann überwinden - aber mehrmalige Grenzüberschreitungen, kontinuierliche Unehrlichkeit und ständige Lügen (begangen durch den Menschen, der einem am vertrautesten ist) sind ein Schock. Wie sollte ein Partner/eine Partnerin je damit umgehen?
Viele Grüße
Chiara
07.08.2011 12:23 •
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