Guten Morgen Tami,
das, was du erlebst, ist worst case und niemand ist auf solch einen Schicksalsschlag vorbereitet. Es gibt auch keine Patentrezepte um das zu verarbeiten. Das ist ein langer Weg. Aber es kann hilfreich sein, die verschiedenen Ebene auseinander zu halten und sie einzeln zu bewältigen. Je besser diese verschiedenen Bereiche auseinander gehalten werden, um so besser wird es mit der Verarbeitung. Ich versuche diese Ebenen mal zu definieren.
1. Die Wohnebene. Dein Mann ist noch nicht ausgezogen? Er will sofort zur Geliebten ziehen? Wohnt er etwa noch mit dir unter einem Dach? Das sollte geändert werden. Es müssten ja fast vier Wochen sein seit dem Geständnis. Es kann zwar hilfreich sein, im Gespräch zu bleiben, aber das ist für ihn einfacher als für dich. Und es geht jetzt nur um DICH. Also setze das durch, was DIR gut tut. Er kann in eine Übergangsbleibe gehen, das ist gut für die Demut und er spürt dann, was er sich selber genommen hat.
Er wird vermutlich so schnell wie möglich zu seiner Geliebten ziehen. Das schadet nicht, denn dann holt ihn auch schnell die Realität ein. Die Affäre geht seit Oktober, da ist der erste Hormonschub verbraucht, jetzt ist die Beziehung fragiler geworden. Sie bekommt zwar Aufwind durch den Willen zusammen zu leben, aber die Realität einer Wohnung mit Kind, der Verlust des schönen Hauses und die enormen Schuldgefühle dir gegenüber wirken sich auch auf die Hormonproduktion aus. Es ist alles weniger farbig, realistischer, kälter. Der Alltag muss erlernt werden und er wird mit 55 wenig von dem aufgeben wollen, was für ihn normal war. Das belastet die neue Beziehung sehr und es ist gut, wenn das schnell für ihn sichtbar wird. Da es dir gar nicht gut tut, daran beteiligt zu werden, verbitte dir jede Schilderung und lass ihn damit allein. Treffen möglichst an neutralem Ort und mit dem Ziel, ein oder zwei Sachthemen zu erläutern. Und wenn er dann irgendwann mal das Thema darauf bringt, dass sein neues Leben auch nicht Sahne ist, weißt du, welche Stunde geschlagen hat und kannst ihm sagen, ob ein Neuanfang für dich noch in Frage käme oder völlig ausgeschlossen ist. Das entscheidet du alleine. Das braucht aber etwas Zeit.
2. Die Sachebene. Das hast du schon begonnen. Anwalt einschalten, Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich (Rentenansprüche) einschätzen lassen. Das können erhebliche Summen sein und die sollte er bald erfahren. Diese Summen können dir auch eine gewisse Sicherheit bieten, wobei ein Krieg ums Geld zwar trennende Komponenten hat (deine Gefühle für ihn also abschwächen), aber meistens tun sie auch dem nicht gut, der gewinnt. Es gibt bessere Lösungen.
3. Der Blick auf die Beziehung Er ist augenblicklich völlig verstellt durch den Betrug. Aber dazu gehört auch das:
Zitat:Wir haben uns immer sehr gut verstanden vieles unternommen, da wir vieles gemeinsam haben, vor ein paar Jahren haben wir uns ein Motorrad gekauft ,mit dem wir viele Touren und Reisen unternommen haben. Wir haben die Fahrten immer sehr genossen und wir haben es geliebt. Sind in all den Jahren durch Höhen und Tiefen immer gemeinsam gegangen und haben alles geschafft, haben ein schönes Haus wo er viel Eigenarbeit und Liebe gesteckt hat, drei tolle Kinder und drei wunderbare kleine Enkelkinder.
Das alles ist nicht weg. Es ist nicht auf Null gesetzt durch seinen Ausbruch. Das alles gehört zu dir, deiner persönlichen Geschichte. Und dein Mann spielt darin eine sehr wichtige Rolle. Es gibt zwar im Moment diesen Mann nicht mehr in deinem Leben, aber das ändert nichts daran, dass ihr ein gutes Team ward, euch das Leben gemeinsam angenehm gestaltet habt und euch ehrlich geliebt habt, wenn auch auf immer wieder sich verändernde Weise. Es ist auf Dauer gut für dich, wenn du all das gemeinsam Erlebte in einen sehr großen farbigen Karton packen könntest. Den kannst du in den Keller bringen, wenn er dich bei der Bewältigung der Trennung stört. Aber den kannst du dir jederzeit wieder anschauen. Der ist nicht weg und den nimmt dir auch keiner weg. Eure Beziehung ist nicht gescheitert, sondern sie ist beendet. Gescheitert ist nur der Plan, dass sie lebenslang dauern sollte. Das ist aber heute (durch den Wegfall aller historischen Säulen, die eine Ehe automatisch unauflöslich machten) sowieso ein Ideal, das man als Maßstab nicht mehr anlegen sollte. Es ist wunderbar, wenn es gelingt, aber man kann es nicht nur erarbeiten. Es ist auch Geschenk.
Der Karton aber mit dem wunderbaren gemeinsamen Leben gehört dir. Immer wenn dir danach ist und es nicht allzu weh tut, kannst du ihn ins Wohnzimmer holen und darin stöbern.
4. Der Blick auf die Trennung. Ja, das ist wirklich eine eigene Ebene und es tut dir gut, diese Ebene auch getrennt von der Beziehung selber anzuschauen, wenn du das mal erfolgreich erarbeiten willst. Du hast zwar den Zustand der Beziehung zu dem Zeitpunkt, an dem er ausgebrochen ist, mitgestaltet und mit erschaffen. Aber das generiert keine Mitschuld an seinem Ausbruch. Sein Ausbruch ist das Ergebnis eines großen Berges an Gedanken, Sehnsüchten, Träumen, Wünschen, Verdrängungen, Irrtümern und Illusionen, die er selber erzeugt hat. Die berühme Mitlifecrisis gibt es. Ich habe sie selber erlebt und es ist ein Hammer, was da in einem vorgeht. Ich war völlig unvorbereitet und mehr oder weniger wehrlos. Aber wenn ein bestimmter Punkt überschritten ist gibt es trotz allen guten Willens kein Zurück mehr (ob er diesen guten Willen aber hatte, weiß ich natürlich nicht). Das fühlt sich für den TÄTER meistens nicht viel besser an als für das OPFER. Der Täter fühlt sich also als Opfer seiner Gefühle. Das ist dem verlassenen Partner gegenüber unfair, aber ein realistisches Gefühl. Aber das ist sein Problem und nicht deines.
Zitat:Dann hat er sich plötzlich im Oktober letzten Jahres verändert wurde ruhiger, zog sich zurück. Im Januar würde es immer auffälliger und fragte ihn, er meinte es wäre nichts ausser viel Arbeit und er wäre halt müde, schlief angeblich am Fernseher ein oder kam spät und Bett und drehte sich zur Seite.
Dein Mann hat dich also ein halbes Jahr lang belogen. Aus seiner Sicht musste er das tun, weil er natürlich gehofft hat, die Affäre wieder beenden zu können und dann vermutlich bei dir zu bleiben. Wenn es dann trotzdem entdeckt wird, entscheidet sich oft in wenigen Momenten, ob es zum Versuch eines Neuanfangs kommt oder zur Trennung und dem Leben mit der Geliebten. Das kann man meistens nicht steuern, es ist ein Selbstläufer. Alle Beteiligten sind in einer Ausnahmesituation und haben das, was zu tun ist, nie gelernt oder nie geübt. Das ist Neuland und man ist schlecht darin, eine solche Grenzsituation gut zu bewältigen. Das gilt für deinen Mann ebenso wie für dich. ER war allerdings bei der Wortwahl unverschämt und hat dabei keinerlei Rücksicht auf deinen Seelenzustand gelassen.
Zitat:sein bisheriges Leben mit mir sei zu langweilig er wollte was erleben Spass haben und mit mir ginge das nicht mehr er würde mich nicht mehr lieben.
Diese Ausdrucksweise wirft ein ungutes Licht auf seinen Charakter. Das klingt nach verbrannter Erde und dem Abreißen alles Brücken. Wirklich übel. Er hat offenbar keinen Wert darauf gelegt, von dir verstanden zu werden, sondern er hat dir mit der Formulierung (mit dir keinen Spaß mehr haben zu können) sehr weh getan. Das musste ihm klar sein. Dieser Satz wird dir vermutlich lange in Erinnerung bleiben.
Zitat:Es zog mir den Boden unter den Füßen weg, das er uns keine Chance mehr gab und dabei ist es geblieben. Habe alles versucht aber ich kam nicht mehr ran habe gefragt ob da schon jemand wäre was er immer wieder hoch und heilig mit und den Kindern gegenüber vehement abstritt. Nun kam mir der Zufall zu Hilfe und ich habe herausgefunden das er schon seit Monaten eine Beziehung mit einer Kollegin hat die 20 Jahre jünger ist, da kann ich natürlich nicht mithalten.
Ich finde übrigens, dass euer oben genanntes Gespräch für ihn die letzte Chance gewesen wäre, dir gegenüber ehrlich zu sein. Es hätte bedeutet, dir noch einen gewissen Respekt zu zollen. Das hat er verspielt und wir werden sehen, ob dir das beim Abschließen vielleicht helfen kann.
Zitat:Er meinte gestern zu mir, sie hätte ihm gesagt, seit sie bei ihm arbeiten würde, er ist ihr Chef hätte sie schon Gefühle gehabt und hätte dich verliebt, das Leuchten dabei in seinen Augen, ich hätte k. .Können.
Ich hoffe du hast ihm gesagt, er soll dich mit solchen Erkenntnissen verschonen. Es gibt da einen schönen Satz eines ehemaligen Ministerpräsidenten, den man anwenden könnte Einfach mal Fresse halten! Du musst deinen Mann nicht hassen, aber er darf wissen, wo deine Grenzen sind und muss Deutlichkeit aushalten. Denke dabei nur an dich.
5. der Status Quo.Zitat:Mir geht's zur Zeit sehr schlecht kann nicht schlafen noch essen heule unentwegt und stehe fassungslos vor den Trümmern meines Lebens das ich mit ihm leben wollte.
Wie lange ist die Offenbarung her? Gibt dir wenigstens 4-6 Wochen, bis du das, was da geschieht, überhaupt an dich mit allen Konsequenzen heran lassen kannst. Und lass dabei nicht zu, dich in einen bodenlosen Strudel hinein ziehen zu lassen.
Du fällst tief, aber niemals ins Bodenlose. Es gibt ein Ende des Fallens, es gibt einen festen Boden im Tal, den man irgendwann erreicht und auf dem man wieder handlungsfähig wird. Ich wünsche dir, dass das bald geschieht. Und ich hoffe, ich konnte dir ein paar hilfreiche Gedanken dafür an die Hand geben.