149 Tage ist es jetzt her seit der Trennung.
Noch immer keine Spur von Angekommensein in einem neuen Leben.
Tastende Versuche und fiebrige Aktivitäten, zu wenig Ruhe, vor allem innere, das ist so die Quintessenz.
Und die erschreckende Beobachtung, dass die Zeit trotz allem nicht stillsteht sondern unaufhaltsam weiter vergeht.
Nichts wird von alleine gute, keine Wunde, die die Zeit von alleine heilt. Die Zeit ist im Gegenteil eine große Herausforderung.
Stillstand bedeutet ja nicht, dass die Zeit nicht mehr vergeht - sondern die Gefahr, dass nichts mehr passiert, nichts Wesentliches mehr in der Zeit.
Wer´s mag: Die Gefahr des Stillstands, sich der Welt Verschließens ist sehr schön in einem Gedicht von Joseph Brodsky beschrieben. Wer nicht, kann hier einfach aufhören mit Lesen....
JOSEPH BRODSKY
Geh nicht aus dem Zimmer!
Geh nicht aus dem Zimmer! Ein Irrtum, verläßt du das Haus.
Wozu brauchst du Sonne, wenn du deine Blättchen rauchst?
Hinter der Tür ist alles sinnlos, besonders Glücksgeschrei.
Nur rasch bloß aufs Klo und dann gleich wieder herein.
Oh, geh nicht aus dem Zimmer, ruf keinen Motor.
Weil der Raum ohnehin nur aus einem Korridor
besteht und mit dem Stromzähler endet. Und kommt eine
Milka mit offenem Mund: jag sie weg! ohne sie zu entkleiden.
Geh nicht aus dem Zimmer; betrachte dich als erkältet.
Die Wand, der Stuhl: gibts Interessanteres auf der Welt? Es
bringt nichts, warum rausgehen, ja was nützt es,
wenn du abends als der Alte wiederkommst, nur leider verkrüppelt?
Oh, geh nicht aus dem Zimmer. Kapier doch, tanz Bossa Nova
nur im Mantel, ganz *beep*, und in Schlappen die bloßen Sohlen.
Auf dem Flur riechts nach Kohl und nach Schmiere für die Skier.
Du hast viele Buchstaben geschrieben; noch einen und es wären zu viele.
Geh nicht aus dem Zimmer. Als einziges soll so
das Zimmer erraten, wie du aussiehst. Und überhaupt: inkognito
ergo sum, sagte die Substanz zur Gestalt, zornig und zankig.
Geh nicht aus dem Zimmer! Draußen ist ohnehin nicht Frankreich.
Sei kein Idiot! Sei das, was die andern nie waren, nie im Leben.
Geh nicht aus dem Zimmer! Gib dich einzig den Möbeln
hin, verschmilz mit den Tapeten. Sperr dich ein, verbarrikadier dich zum Schluß
mit dem Schrank gegen Chronos, Kosmos, Eros, Rasse und Virus.
05.03.2019 11:35 •
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