Zitat von Toretto:Erinnert man sich an Jugendzeit zurück so war man ja auch mal ohne Partner vollkommen.
Interessant. Ich habe noch nie einen vollkommenen Jugendlichen getroffen. Ich kenne nur Jugendliche, die meisten voller Feuer, weil sie im Aufbruch sind, ihre Möglichkeiten entdecken und darangehen wollen, sie zu realisieren. Wären alle menschlichen Möglichkeiten realisiert (was ohnehin nie möglich sein kann, da sie a priori unendlich sind), wäre man vollkommen. Das ist aber gerade nicht das Zeitalter der Jugend. Es ist ein tastendes Probieren. Übrigens haben die meisten jungen Männer, die ich kenne, nichts als Mädchen im Kopf. Weiß nicht, ob die jungen Frauen da anders sind. Aber nach meiner Erfahrung mit den Töchtern von Freunden, die zum Beispiel über ihre Klassenkameraden sprechen, eher auch nicht.
Zitat von Toretto:Ich bin vollkommen deiner Meinung dass man tatsächlich erst vollkommen ist wenn man versteht und fühlt dass man niemanden wirklich braucht.
Und ich bin vollkommen anderer Meinung. Wen wir nicht glauben, den anderen zu benötigen für unsre seelische Entwicklung, dann würden wir uns ja schließlich nicht verpaaren. Oder höchstens eine Hipster-Beziehung light, so´auf Wolke 4 ohne viel Emotion, ganz nett, ohne großes Risiko, wenn es vorbei ist, ist es eben vorbei. Oder sonst noch um Kinder zu bekommen, denn ansonsten stürben wir ja aus, es sei denn erzeugen Kinder nur noch via in-vitro-Fertilisation. Soweit stimme ich einer Grundthese aus David Schnarch´s Psychologie der S. Leidenschaft zu.
Ich war mit meiner Frau zusammen, weil sie mir so viel gegeben hat und ich ihr hoffentlich auch. Denn wenn ich für meine Entwicklung niemanden bräuchte, dann brauche ich ja auch keine Beziehung einzugehen.
Was aber stimmt, ist - und dass macht es so kompliziert, dass der Mensch ein komplexes Wesen mit vielen Hinsichten ist, voller Möglichkeiten und unendlichen Perspektiven und wenn in der vom Eros geprägten Beziehung zwei Menschen zusammenkommen, um als Mann und Frau gemeinsam sich dialektisch gegenseitig und damit sich selbst helfen, ihre Möglichkeiten zu verwirklichen, es desto mehr zu komplizierten Hemmnissen und Verstrickungen der menschlichen Natur sui generis geschuldet kommt. Und dann ist es erforderlich, die dann unheilvolle Verstrickung im allzu unbedingen Verschmelzungsprozess mit dem anderen zu erkennen, sich auf sich selbst zurückzubesinnen und sich zu lösen, zeitweilig. Ein Teil des Weges vielleicht allein oder zumindest in größerer Distanz zum anderen zu gehen. Sonst und nur dann ist es wirklich so, dass wir unsere Identität aufgeben zugunsten eines vermeintlichen Ideals, das nicht mehr unserem Wesen entspricht, das was man landläufig als Anklammern und damit sich Abscheiden von der Welt bezeichnet. Dann ist das in der Tat so, dass man sich zum Puzzleteil degradiert, liebe Mayla.
Das aber ist nicht das Ziel einer Liebesbeziehung. Wie - in dem vielleicht schönsten existierenden klassischen Text über die Liebe, dem Symposion (das Gastmahl) von Platon, in dem in unterschiedlichen Reden die vielen Facetten des Eros beschrieben werden, an ganz zentraler Stelle Diotima zu Sokrates sagt: Der ero. Drang ist nicht Liebe zum Schönen, sondern ein Drang zum Zeugen und Hervorbringen im Schönen Also innerhalb der Liebe der Welt zu geöffnet sein ,mit Kraft etwas Schönes und Wertvolles schaffen zu können. Kreativ sein und Gutes tun, einfach weil der Himmel blau und das Meer klar ist. Das ist Liebe.
Und für den, der sich zu Erfüllung einer Liebesbeziehung bekennt, ist auch der ebenfalls im Symposion überlieferte Kugelmenschen-Mythos sinnvoll, den der Komödiendichter Aristophanes erzählt. Dass die Menschen ursprünglich sehr mächtige Wesen waren, mit vier Armen und Beinen, zwei Köpfen und so mächtig, dass sie selbst den Göttern gefährlich wurden so dass Zeus beschloss, sie zu teilen. So dass ab dann jeder in der Welt auf der Suche sei nach seiner verlorenen Hälfte.
Nein, man kann sicherlich den Eros den Trieb, der nicht von ungefähr bei Platon ein Zwischending ist zwischen Göttlichem und Menchlichem oder an beidem Anteil hat, anders verwirklichen, in der Liebe zur Kunst, in einer Gemeinschaft außerhalb der Liebesbeziehung, etwa in einer mönchischen Gemeinschaft.
Und man muss sicherlich eine in sich ruhende Person entwickeln um fähig für eine reife Form der Liebesbeziehung zu werden.
Aber wenn man sich auf das Abenteuer, das Wagnis, vielleicht aber auch das schönste existentielle Erlebnis, das möglich ist, einzulassen, dann muss man schon akzeptieren, dass man seine eigenen Person ein Stück weit in dieser Beziehung aufhebt, in dreifachen Wortsinn der Bedeutung (hochhebt, auflöst und gleichzeitig erhält, nach Hegel) und und damit auch erkennen, dass es ein existentielles Bedürfnis ist - und eben auch ein existentieller Verlust, wenn es eben aus dem Ruder läuft.
Und konkret: Ich bin in meinem realen Leben erstaunlicherweise nur mit Menschen befreundet, die in mehr oder weniger glücklichen Beziehungen stecken. Und all diese sagen mir, wie wichtig es sei, allein klarzukommen, wie gut und wichtig es sei, eine längere Phase allein zu sein und wie gut es Ihnen selbst täte, mal die Stille zu genießen.
All denen kann ich nur sagen, dass sie das so wenig innerlich nachvollziehen können wie eine tödliche Erkrankung oder einen schweren tödlichen Verlust. Man weiß nicht wirklich wie das ist, wenn man es nicht selbst erlebt. Ich selbst habe immer wieder die Stille gesucht und war regelrecht glücklich, mal ein paar Tage für mich allein zu haben oder auch mal eine Woche. Und ich sage, jeder Abend allein in der Wohnung fühlt sich sowas von anders an, am Anfang regelrecht bedrohlich. Mittlerweile weiß ich damit umzugehen und komme klar. Aber diese Empfindung von Leere, die wird bleiben. Und vor allem: Ich will das auch gar nicht genießen und damit zu frieden sein. Das entspricht mir nicht.
Und nachdem, was ich geschrieben habe, bekenne ich mich zum persönlichen Kataklysmus meiner gescheiterten Ehe. Ich beschönige da gar nichts vor mir und halte auch die Schiffsmetaphorik für absolut treffend.