Hallo nichtgari!
Es ist sehr schön, daß Du ehrlich zu Dir bleibst und die Trennung langsam verarbeitest. Ich weiß nicht wie alt Du bist, das ist aber ein Zeichen von Reife, daß Du Dir Zeit nimmst --- finde ich super. Bei mir war es so, daß ich mit mir selbst nicht so ehrlich war und die Trennungsschmerzen damals zu kaschieren versuchte. Ich habe auch damals nach der Trennung zufällig jemanden kennengelernt, war aber innerlich noch nicht so weit (ich bin aus der Wohnung ausgezogen, obwohl die Trennung nach meinem Verständnis eher von ihm ausging, indem er sich immer mehr und mehr entfernte). Ich finde also wirklich klug und stark, daß Du Dich Zeit nimmst.
Die Wahrnehmung, daß ich auch an mich denken sollte und nicht nur an ihn, fing schon während wir noch zusammen wohnten --- wenn auch nur als Gedanke. Doch sowas zu denken ist sehr anders als es zu machen. Ich wußte damals nicht, wie an mich selbst denken konkret ausschauen sollte... ich habe also ganz langsam lernen müssen, die Bedürfnisse anderer nicht über meine eigenen zu stellen. Er, so wie in dem Fall von Deinem Ex, kapselte sich immer mehr ab und wurde zum Teil sogar manchmal aggressiv (eher passiv-aggressiv... die Aggressivität war nie offen, sondern eher versteckt... das gab mir zu denken, das Ungleichgewicht wurde immer klarer) --- erst heute sieht er es anders und bedankt sich für meine ständige Unterstützung... doch damals wollte er alles allein lösen und sah das Besprechen von seinen eigenen Problemen als Schwäche.
Zitat:Im Gegensatz zu deinem Exfreund ist mein Exfreund auch nicht so gewillt Hilfe anzunehmen oder sich Rat einzuholen. Das machte es natürlich noch schwieriger.
Ich habe durch diesen Prozeß gelernt: Man darf nicht jemandem helfen, der nicht geholfen werden will. Das ist zwar manchmal schwer zu akzeptieren, doch leider zeigte sich in meinen Erfahrungen immer als wahr. Viele Frauen haben eine gewisse Weichheit und Prädisposition, anderen helfen zu wollen (sag Dir den Begriff Helfersyndrom was?), doch das ist nicht immer die richtige Sache zu tun. Vor allem in Bezug auf sich selbst: Man verkauft sich unter Wert, wenn man anderen zu verhelfen versucht, die das nicht gefragt haben und daher nicht zu schätzen wissen. Es kann auch manipulativ sein, jemandem helfen zu wollen, der das aber nicht will. Nach meinem Verständnis muß man das respektieren und ernst nehmen.
Aber zurück: die Trennung von 2 Jahren hielt so lange weil er dabei war, seine Sachen zu lösen (Berufwechsel, Wohnungswechsel, spirituellen Themen), und ich genauso mich auf mich zu konzentrieren lernen mußte (ich habe dann langsam mein Selbstwertgefühl wieder aufgebaut und eigenen Interessen gefolgt). Irgendwann waren wir auch beide in anderen Beziehungen. Doch die Bindung brach nicht. Es war immer schwer, als wir uns trafen: eine gewisse Spannung und auch eine starke Betroffenheit. (Hellinger erklärt sehr gut, wie das mit der ersten großen Liebe ist. Die Bindung ist groß... es ist sehr schwer, davon los zu kommen... es braucht Zeit und Bewußtheit... einen Text von Thomas von Stosch über Trennung hat mir dabei geholfen. Kannst danach googeln, vielleicht ist es interessant für Dich auch). Die anderen Trennungen waren kürzer. Wir konnten dann nicht mehr miteinander aber auch nicht ohne. Wenn ich das jetzt schreibe, frage ich mich, wo ich mit dem Kopf doch war! Ständiges On Off --- vielleicht mit eher gelegentlichen Begegnungen als mit gelegentlichen Trennungen.
Seine Problemen empfand ich nie so kritisch wie er sie sah. In meinen Augen war und ist er lebenstüchtig, äußerst intelligent und hat eigentlich sehr viel Glück im Leben. Doch mit seinen Augen sah er immer viele Schwierigkeiten und hatte vor allem sehr viel Angst (er ist halt ein ängstlicher Typ. Das ist ein Charakterzug --- manchmal wird es milder, manchmal stärker. Doch mit Angst wird er sich glaube ich immer beschäftigen).
Wie ist das mit Deinen Freund? Ich bin auch eher positiv und versuche immer die guten Sachen aus den Erfahrungen zu sehen. Ich verstehe, daß es kein Problem ist, wenn nicht alle so veranlagt sind, nur ist es schwer, wenn die Negativität herrscht. Es ist unmöglich, gewisse falsche Einstellungen bei Menschen zu verändern. Das kann nur einer selbst tun --- und das geht nicht mal willentlich, sondern eher durch Zulassen und Vertrauen. Oder sogar nur durch Schicksalsschlag.
Ich verstehe Dich vollkommen, daß es weh tut, daß er Dich einfach so gehen lassen konnte. Das war auch immer eine große Quelle von Leiden für mich. Diese Fragen ohne Antworten tun wirklich weh... aber Du mußt einsehen: Es liegt nicht an Dich. Er hat Issues mit sich, und so hart es auch klingen mag, sind seine Issues in dem Moment für ihn die wichtigste Angelegenheit (was für eine Zeit völlig verständlich ist). Das macht Dich keinesfalls kleiner oder weniger wertvoll. Du bist genau so wertvoll wie vorher.
Als ich meinen jetzigen Freund kennenlernte, war ich schon einiger Zeit von meinem Ex getrennt, aber wie gesagt, gelegentlich traf ich den Ex noch (wir wohnen nun in der selben Stadt). Ich hatte sogar ein intimes Treffen mit ihm, als ich mit meinem jetzigen Freund halb zusammen war... doch es erwies sich als Irrturm, da er wieder nicht zu mir stand. Ich machte aber nie ein Geheimnis daraus gegenüber meinem jetzigen Freund --- es war mir immer wichtig, mit ihm so ehrlich wie nun möglich zu sein, und das hat sich wirklich gelohnt. Ich gebe zu, daß ich gelitten habe, als der Ex sich jetzt wieder gemeldet hat... deswegen landete ich hier und spürte den Drang, zu schreiben. Doch bin ich mit meinem Freund glücklich. Auch wenn ich nicht 100% frei für ihn bin, will ich mit ihm sein und bin äußerst dankbar, daß es ihn gibt und wir uns immer näher kommen.
Ja, Du wirst wieder lernen, auf Dich und Deine Bedürfnisse wieder zu schauen! Ich bin mir sicher. Vergiß also für manche Momenten ihn und denke an Dich. Was willst Du?
Wenn Deine Bedürfnisse jetzt sagen würden, daß Du wieder bereit wärest, mit ihm zu sein, würde ich das ganz klar vermitteln. Nichts von Stolz oder Spielchen, sondern Ehrlichkeit gegenüber den eigenen Gefühlen. Da sparen sich sehr viele Unklarheiten... . Das mit der Angst, Druck zu machen, ist nach meiner Sicht ein Fehler. Du reagierst dann wieder und ehrst nicht das, was Du fühlst. Frag Dich also erstmal, wie Du Dich selbst fühlst, was Du selbst willst, und handele ehrlich danach. Die Wahrheit wird sich schon zeigen.
Je früher Du Deine Wahrheit spürst und zeigst, desto besser. Wenn eine Enttäuschung kommt, tut es zwar weh, aber dann weißt Du, wo Du bist, und kannst Dich neu einstellen. Willst Du es aber wissen oder willst Du es nicht wirklich wissen?
Mein Fehler bei dem Ex war, vor allem aus Angst/Stolz keine Farbe eindeutig bekannt zu haben. Nur deswegen kam es zu einer so langwierigen Verstrickung. Er hatte noch mehr Schwierigkeiten als ich, das zu tun, wäre ich also mit der Zeit nicht klarer geworden, wäre ich bis jetzt 100% verstrickt.
Ich weiß nicht genau, ob das Dein Fall ist. Ich würde mich aber selbst besinnen und fragen, was ich will, und dann ehrlich danach handeln.
Ganz liebe Grüße zurück!
Irina