Nachdem ich zuletzt hier sehr viel mitgelesen habe, habe ich mich entschlossen, diesen Faden zu eröffnen, um mal die Sicht einer darzustellen, die sich getrennt hat. Sowas fehlt mir hier ein bisschen. Es gibt viele Threads, die vom Schmerz derjenigen handeln, die verlassen wurden, die betrogen und unfreiwillig aus ihrem gewohnten Leben herausgerissen wurden. Und die haben auch ohne Frage alle ihre Berechtigung, der ganze Schmerz, der daraus entspringt, muss raus, und der Trost und und die Hilfe und vielen guten Ratschläge, die man hier bekommen kann, sind sehr wertvoll. Aber es gibt da ja auch noch die andere Seite, von der hier eher selten erzählt wird.
Und auch, um mir die Dinge von der Seele zu schreiben, die mich umtreiben. Da es hier in diesem Forum ja offenbar eher nicht so gern gesehen wird, wenn man verschiedene Themen in verschiedenen Threads behandelt, bei mir aber doch immer wieder so viele Fragen und Probleme auftauchen, die letztlich alle mit der Trennungssituation zu tun haben, werde ich nun versuchen, in diesem Faden davon zu erzählen. Und ich erhoffe mir natürlich auch Rat und Hilfe, und vielleicht auch mal Trost, und vielleicht kann ich ja auch anderen in meiner Situation damit weiterhelfen, und wenn es nur das ist, dass sie sehen, dass sie damit nicht allein sind. Und ganz vielleicht können ja sogar auch die Verlassenen etwas daraus ziehen, vielleicht ist ja auch ein Austausch möglich (mit einigen hier hatte ich den auch schon, auf sehr respektvolle und für mich sehr wertvolle Weise).
Um es euch zu ersparen, euch Informationen aus meinen früheren Threads zusammensuchen zu müssen, versuche ich nochmal, so konzentriert wie möglich, meine Geschichte zusammenzufassen:
Nach über 20 gemeinsamen Jahren, davon über 15 Jahre verheiratet, drei Kindern zwischen Grundschule und Pubertät, habe ich mich letztes Jahr von meinem Mann getrennt. Dem vorangegangen sind einige Jahre, in denen ich immer mal wieder den Gedanken an Trennung hatte - ohne ihn wirklich zuzulassen, vor mir selbst, und schon gar nicht gegenüber meinem Mann. Ich versuche gerade immer wieder, zu ergründen, wo unsere Probleme eigentlich angefangen haben - die keine offensichtlichen, keine konkret greifbaren waren, aber ich war schon lange nicht mehr wirklich glücklich und erfüllt in dieser Beziehung. Irgendwie hat alles angefangen, als wir Kinder bekommen haben. Wir waren da ca. 10 Jahre zusammen, haben schon einiges durchgemacht, Studium, Berufsanfang, Schicksalsschläge, aber ich habe mich immer sehr geborgen gefühlt, hatte das Gefühl, in dieser Beziehung sehr viel Halt und Sicherheit zu haben, mit meinen ganzen Unzulänglichkeiten bei diesem scheinbar perfekten Traummann gut aufgehoben zu sein.
Die Kinder waren absolute Wunschkinder. Und doch hab ich mich bereits mit der ersten Schwangerschaft nicht mehr richtig angenommen gefühlt. Jegliche Körperlichkeit, von liebevoller Zuwendung im Alltag bis hin zuS.nahm immer mehr ab bzw. war kaum noch vorhanden. Es gab Aufs und Abs - aber immer hatte ich das Gefühl, die Gebende, die Zuwendende zu sein. Ich war diejenige, die das Fehlen ansprechen musste, von ihm kam so gut wie nichts. Er fand das normal nach Geburt und längerer Beziehungsdauer. Wir hatten eine mehr oder weniger klassische Rollenverteilung - er machte Karriere, und zwar so richtig, ich hielt ihm den Rücken frei und übernahm die Kinderbetreuung. Ich habe aber nach der Elternzeit immer noch Teilzeit 50 % gearbeitet, ich liebe meinen Job und ein Stück Unabhängigkeit war mir immer sehr wichtig, auch wenn er es am liebsten gesehen hätte, wenn ich mich Vollzeit um Haus, Garten, Kinder gekümmert hätte. Sein Interesse an meinem Beruf ging zunehmend gegen Null.
Er sagte mir nicht mehr, dass er mich liebt (an das letzte Mal, dass er das gesagt hat, kann ich mich nicht mehr erinnern). Er suchte selten mal körperliche Nähe zu mir. Der selteneS.war mehr oder weniger Pflichtprogramm - irgendwie mussten ja die drei Kinder entstehen, und ich wollte das nicht ganz aufgeben, es irgendwie am laufen halten, hab immer gehofft, dass es schon irgendwann wieder besser würde, wenn wir wieder mehr Zeit für uns hatten. Aber wir waren zunehmend nur noch Eltern, immer weniger Paar. Auch wenn wir immer wieder geschaut haben, dass wir mal ab und an zusammen ausgehen, mal hin und wieder ein Wellnesswochenende zusammen verbringen - da war keine Nähe mehr. Keine echte Verbundenheit. Es war mehr eine gute Freundschaft als echte Partnerschaft. Wir waren ein gutes Team. Wir haben nie gestritten. Aber die Problematik auch nie angesprochen. Ich habe mich nicht getraut. Ich hatte solche Angst, dass, wenn ich es ansprechen würde, ich ein Riesen-Fass aufmachen würde, eine Lawine lostreten würde, an deren Ende er mich verlassen würde. Ich habe ihn geliebt und wollte auf keinen Fall eine Trennung.
Aber ich habe mich in den letzten Jahren immer öfter fremdverliebt. Das waren Spinnereien, nur in meinem Kopf, das jeweilige OdB hat davon nie etwas erfahren, es gab nichtmal Flirts. Ich hab es damit abgetan, dass die Gedanken frei sind und ich ja nichts Böses mache. Diese Verliebtheiten haben mich aber in meinem drögen Alltag zunehmend bei der Stange gehalten. Ich konnte mir wenigstens in kleinen Tagtraum-Inseln mal schöne Gedanken machen. Und kam doch immer wieder darauf zurück, dass es eh keinen tolleren gibt als den Mann an meiner Seite, den ich immer noch sehr geliebt habe. Und ich hatte eine so tolle Familie, ein so tolles Leben, sorgenfrei, unbeschwert, gesunde Kinder, liebe Freunde.
Aber irgendwann ist diese Liebe immer mehr gestorben. Immer mehr beschlich mich das Gefühl, dass auch seinerseits keine wirkliche, keine partnerschaftliche Liebe mehr da war. Freundschaftliche Liebe, ja, auch Dankbarkeit, weil ich die Mutter seiner Kinder bin, Gemeinschaft - aber keine Tiefe, keine Wahrhaftigkeit. Sein Schweigen, wenn er irgendwas mißbilligte. Dazu kam das Gefühl, nicht genug zu sein. Nicht gut genug zu funktionieren. Nicht gesehen zu werden, nicht angenommen zu werden mit den Dingen, die mir wirklich wichtig sind. Sein demonstratives Desinteresse. Nicht nur das - sondern geradezu abgelehnt zu werden, mit dem, was mich ausmacht. Wohlstand und materielle Sicherheit sind es jedenfalls nicht. Ich wurde immer trauriger. Fühlte Beklemmung. Gedanken daran, dass ich mit 80 oder 90 auf dem Sterbebett um mein nicht gelebtes Leben trauern würde. Dass es das so nicht gewesen sein kann. Ich konnte diese Gedanken immer weniger verdrängen, aber sie auch nicht aussprechen. Eine Trennung war undenkbar. Schon allein wegen der Kinder.
Bis ich mich dann ganz real verliebt habe. In einen Mann, zu dem ich wirklich engen Kontakt hatte. Der diese Gefühle erwidert hat. Der sich in einer ähnlichen Situation befand wie ich. Zu dem immer mehr Nähe entstand, Nähe, die ich so mit meinem Mann nie oder jedenfalls schon sehr sehr lange nicht mehr hatte. Und in diesem Moment war der Gedanke ganz klar und laut in meinem Kopf: ich muss mich trennen. Für mich war vollkommen klar: wenn ich solche Gefühle für einen anderen habe, dann wars das.
Leider habe ich das nicht straight durchgezogen und erstmal eine heimliche Affäre mit diesem anderen Mann angefangen. Ich habe meinen Mann belogen und betrogen. Ich hab zwar ein paar mal das Gespräch zu meinem Mann gesucht, hab mich endlich mal getraut, alle Probleme auf den Tisch zu bringen, alles, was mich schon so lange beschäftigt, auszusprechen - aber es kam sehr wenig von ihm zurück. Auch da konnte er nicht aussprechen, dass bzw. ob er mich noch liebt. Zwei Monate habe ich gebraucht, bis ich mich endlich dazu durchringen konnte, ihm zu sagen, dass ich mich trennen will. Er forderte von mir, es nochmal in einer Paartherapie zu versuchen. Ich lehnte ab. Ich hatte keine Gefühle mehr für ihn in mir, die über das gemeinsame Elternsein hinausgingen. Und doch ist mir eines wichtig zu betonen: ich habe mich nicht für oder wegen des anderen Mannes getrennt. Der war ja gar nicht verfügbar, selbst langjährig verheiratet, und er sagte mir immer wieder, dass er sich nicht trennen würde. Aber für mich war völlig klar: Dann bleibe ich eben allein. Ich konnte nicht ohne Liebe, für die Kinder, für das bequeme, angenehme und sorgenfreie Leben in dieser Ehe bleiben. Ich glaube an die Liebe. Und ich glaube daran, dass es da draußen jemanden gibt, der meine Liebe annehmen kann, nicht in Form einer Leistung oder eines Beitrags zum gemeinsamen Leben, sondern als Gefühl, als Zuwendung, der sich dafür öffnen kann - und mich umgekehrt auch annehmen und lieben kann, einfach, weil es mich gibt. Jedenfalls konnte ich länger in einer Beziehung leben, in der all das nicht stattfand.
Es folgten furchtbare und zugleich wunderschöne Monate. Wir mussten es den Kindern sagen, der schrecklichste Tag meines Lebens. Ich sah, wie mein Mann unter Schock stand, kaum noch gegessen und geschlafen hat, wie für ihn die Welt zusammenbrach. Gleichzeitig hat sich meine Affäre urplötzlich doch von seiner Frau getrennt, um mit mir zusammensein zu können - was wir dann ganz offiziell auch ein paar Monate lang waren, ich war sehr verliebt und konnte mir eine Zukunft mit ihm vorstellen. Ich bin aus unserem Haus ausgezogen, habe mir eine Wohnung gesucht, nachdem wir kurz Eltern-WG versucht und Nestmodell angemacht und wieder verworfen hatten, haben wir uns auf das Wechselmodell (mit etwas höherem Anteil meinerseits) geeinigt. Mein Mann hat für seine Kinder unglaubliche Kräfte entfaltet, wir sind immer im Gespräch geblieben, was das Organisatorische angeht, wir sind Eltern und Familie geblieben, trotz Trennung und obwohl wir uns mit dieser und den Gründen nie wieder auseinandergesetzt haben.
Der andere Mann ist dann doch wieder zu seiner Frau zurück und ich habe schlimmen Liebeskummer durchlitten, gleichzeitig zog ich in meine Wohnung ein und versuchte, einen Alltag mit meinen Kindern zu finden - und nicht zuletzt auch, die Trennung von meinem Mann irgendwie zu verarbeiten.
Nun ist es ca 1 Jahr her, dass ich erstmals diese Trennungsgedanken klar vor Augen hatte. Den Liebeskummer wegen des anderen habe ich mittlerweile überwunden - es gab noch eine kurze Zeit, in der er mich nicht in Ruhe gelassen und versucht hat, wieder eine heimliche Affäre mit mir anzufangen. Aber er ist dann (im Nachhinein: zum Glück für mich) aufgeflogen und hat eine Kontaktsperre eingeleitet. Die haben wir beide (ohne Blockieren und obwohl wir uns beruflich früher oder später wieder über den Weg laufen werden) bisher konsequent durchgehalten, was für mich eigentlich gar nicht schwer und auch sehr wohltuend und befreiend war. Jeder Tag, an dem ich nichts von ihm höre oder sehe, ist ein Tag auf dem haben-Konto und bringt mich ein Stückchen weiter von ihm weg.
Ich versuche, das Scheitern meiner Ehe aufzuarbeiten - vor allem, wie es so weit kommen konnte. Warum meine Liebe so unwiderbringlich gestorben ist. Warum es keine Nähe (mehr) zwischen uns gab. Keine Kommunikation. Warum ich so lange so viel verdrängt habe. Ich versuche, meinen Kindern durch die schwere Zeit zu helfen. An mir zu arbeiten. Meine eigenen Anteile zu erkennen. In mir selbst aufzuräumen. Ich sehe, es ist ein langer Weg. Aber ich will ihn unbedingt gehen.
Bereut habe ich bisher nichts. Auf den Betrug und die Lügen bin ich nicht stolz, das war falsch, es ist durch nichts zu rechtfertigen - und doch kann ich nicht sagen, dass ich wünschte, es wäre nie passiert, denn es war für mich auch sehr schön, das gebe ich ehrlich zu.
Und es tut mir unendlich leid, dass ich meinen Mann und meine Kinder so verletzt habe. Aber ich kann es nicht rückgängig machen. Die Trennung war alternativlos. Welche Entscheidung auch immer ich treffen konnte - sie war sch..
Ich wollte nie zurück. Vor ein paar Wochen hatte ich mal eine kurze Krise, hab mir schwere Vorwürfe gemacht, nie eine Paartherapie versucht zu haben, so kampflos aufgegeben zu haben. Das Schiff einfach so auf Grund laufen gelassen zu haben. Hab mich gefragt , was wäre gewesen wenn. Was, wenn er mich doch noch geliebt hat. Ich habe auch mein bisheriges Leben vermisst, die Familie, die Geborgenheit. Die Einfachheit. Aber es war einfach schon zu spät. Eine Liebesbeziehung zu meinem Mann ist für mich nicht mehr vorstellbar. Ich würde eingehen wie eine Primel.
Ich fühle Schuld, große Schuld. Aber von der erzähle ich ein andermal.
Und abschließend eins noch: mir ist schon klar, dass sich hier einige allein durch die Erwähnung des Wortes Affäre getriggert fühlen und womöglich hier wieder die ewiggleichen Diskussionen losbrechen. Das kann ich nicht verbieten oder verhindern, aber ich hoffe, dass es nicht nur darum gehen wird, denn das ist nicht mein Thema. Für mich ist die Sache abgeschlossen. Sie war ein Nebenschauplatz, ein Auslöser, ein Symptom, aber nicht die Ursache für das Scheitern meiner Ehe, aber auch nicht im Geringsten. Das ist vorbei, der Mann ist ein unreifes A. und ich bin letztlich froh, ihn los zu sein. Und ich habe daraus gelernt, never ever werde ich mich je wieder auf einen gebundenen Mann einlassen. Da bleibe ich wirklich lieber allein. Was ich ja jetzt auch schon eine ganze Weile und tatsächlich erstmals im Leben bin, und es ist nicht alles Ponyhof, aber es geht erstaunlich gut.
03.05.2024 07:56 •
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