Hallo ihr Lieben,
In letzter Zeit war ich hier im Forum viel in den Geschichten anderer Menschen unterwegs. Jetzt merke ich, dass meine eigene Geschichte weiter erzählt werden will. Weil ich immer deutlicher spüre, dass ich Meter um Meter wieder auftauche aus meinen Tiefen. Dass es heller wird um mich.
Als ich vor einigen Monaten hier im Forum das erste Mal aufgeschlagen bin, befand ich mich in einem heftigen Flashback. Meine Trennung nach langjähriger Ehe ist zwar schon länger her und ich habe seitdem so viel erreicht, dass ich selber manchmal kaum glauben kann. Aber so richtig gelöst hatte ich mich nicht. Wie weit ich damit jetzt bin ? Mal schauen. Im Moment geht es gut voran.
Am Anfang hier im Forum drehte ich mich stark um die Frage, WARUM NUR ich immer noch derart heftig an meiner Trennung zu knabbern hatte. Ja, ich hatte viel verloren. Ja, mein Lebenstraum war den Bach runtergerauscht. Ja, ich bin in meinem ganzen bisherigen Leben noch nie so tief verraten worden.
Aber - ich hatte doch mich. Eine starke, warmherzige und loyale Frau. Das ist es, was meine Freunde über mich sagen. Wieso nur konnte dieses wunderbare Wesen sich nicht um sich selber kümmern ? Wieso konnte sie ihre eigene Schönheit nicht sehen ?
Wieso drehte sie sich derart um ihn ? Um einen egozentrischen Menschen, dem Vertrauen so fremd ist wie einem geprügelten Hund. Dann dieses misshandelte Kind in ihm - ach, wie einsam und verlassen es doch war und immer noch ist. Wieso war sie derart zwanghaft auf ihre Sehnsucht nach ihm fixiert ? Was zum Teufel konnte da überhaupt so eine Sehnsucht wecken ?
Inzwischen habe ich so einiges über die Dynamik solcher Beziehungen gelesen. Ich verstehe jetzt besser, warum ich bis heute so heftig auf ihn reagiere und auch, warum ich in den Jahren mit ihm immer schwächer wurde. Ich glaube nicht mehr, dass es ein Zufall war, dass er genau dann aus unserer Ehe ausbrach, als meine Batterie am Erlöschen war. Kein Zufall, dass er sich umgehend einen Ersatz beschaffte.
Nun ja, in gewisser Weise könnte man das fast als Akt der Barmherzigkeit sehen. Aber damit hatte es natürlich wenig zu tun. Es glich eher einem seelischen Gemetzel.
Es gab und gibt Gründe, warum ich dennoch bis heute den Kontakt zu ihm halte. Und damit habe ich ihm lange ein Tor geboten, mich weiterhin zu binden. Er hat es genutzt, um mir immer wieder mal Hoffnung zu machen. Dann folgte irgendwas, was mich heftig vor den Kopf gestossen hat. Zuletzt landete ich in diesem heftigen Flashback, in dem ich nochmal durch die ganzen heftigen Gefühle der Trennung musste.
Ich wollte ihm diese Macht über mich nehmen. Aber wie ? Kontaktabbruch kommt in meinem Falle nicht in Frage. Wie dann ?
Das Forum hier hat mir sehr geholfen, darauf ein paar Antworten zu finden. Die wichtigste Antwort auf die Frage WARUM NUR lautet, dass mein Ex ein hoch manipulativer Mensch ist. Nur, wenn ich unser Muster unter diesem Gesichtspunkt betrachte, ergibt alles einen Sinn. Sein Verhalten ebenso wie meine Reaktionen darauf.
Zu verstehen wie diese Manipulation funktioniert - worauf ich anbeisse und was von seiner Seite dahinter steckt - das ist enorm hilfreich. Es ist, als wenn mir diese Sicht einen emotionalen Schutzwall schenkt. Hinter dem kann ich einen eher sachlichen Standpunkt einnehmen.
Was mich auf dem Weg zu diesem Schutzwall lange total verwirrt hat, war die Frage danach, was denn eigentlich real ist. Ist das, was ich da neuerdings denke, so eine Art später Rache ? Deklariere ich etwa im Nachgang meinen Ex als bösen, kranken Täter, nur um selber als das gute, reine Opfer dazustehen ?
Mag sein. Doch die Opferrolle, obwohl sie ihre psychologischen Vorzüge hat, liegt mir nicht. Ich möchte schlicht an einen Punkt kommen, an dem die Bausteine zusammen passen. An einen Ort, von dem aus ich mit einem Schmunzeln die schönen Stunden würdigen kann, die wir auch hatten, natürlich. An einen Ort, an dem ich ihn so nehmen und lassen kann wie er nunmal ist. Ohne ausgerechnet bei ihm die Erfüllung meiner Wünsche zu suchen. An einen Ort, an dem ich mich verneigen kann vor ihm und mich bedanken für seine Lehren.
Ich schätze an der Stelle werden einige schreien, dass ich einem solchen Menschen, wie ich ihn hier beschreibe, doch wohl nichts zu verdanken habe. Nun, ich finde diese buddisthische Sicht auf die Dinge sehr reizvoll. Niemand muss sie teilen.
Immer, wenn es mir gelingt, für ein Weilchen diesen Standpunkt einzunehmen, fühle ich mich ruhig und klar. Es ist ein Ort, an dem die Dinge einfach nur geschehen. Der Ort, an dem die Taube, die mir im Vorbeiflug auf den Kopf kackt, dies nicht tut, um mich zu ärgern. Sie folgt einfach ihrer Natur.
Von diesem Ort aus kann ich meinen Ex mit einem Lächeln betrachten. Ich fühle für ein Weilchen, dass es nichts zu verzeihen gibt. Und gleichzeitig darf ich an meinem sehr menschlichen Urteil festhalten, dass er mir Unrecht getan hat. Ich darf ihn zugleich für unerträglich halten und immer noch lieben. Aber letzteres nun ja, aus seeehr angemessener innerer Distanz.
Ich wünschte so sehr, ich könnte an diesem Ort verweilen. Doch ich weiss, es wird neue Herausforderungen geben. Irgendwas kommt ja immer. Und dann wird es vermutlich wieder ganz schnell vorbei sein mit der Gelassenheit. So bin ich eben. Aber irgendwann, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche, kommt der Tag, an dem er mich mit seinen Spielchen nicht mehr aus der Ruhe bringen kann. Und ich fühle, wie dieser Tag jetzt immer näher rückt.
Danke für Eure Aufmerksamkeit
03.02.2015 23:42 •
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