Liebe tiefes Meer,
ich habe gerade den folgenden Beitrag in dem Thread für Angehörige von Narzissten gefunden. Er stammt von Lassy. Ich hoffe, ich darf ihn hier zitieren?
Zitat:Grausam, der 14. ist Valentinstag. Da wird mir jedes Mal so richtig bewusst, was ich vermisse und Jahrzehnte lang vermisst habe.
Valentinstag war natürlich wieder so ein klassischer Tag für Ex-N, um ihn zu übergehen und zu vergessen, wie auch sonst möglichst alles, was Einsatz seinerseits bedeutet hätte. Und ich war auch noch so blöd und stimmte ihm zu, das sei ja ein künstlicher Tag usw. So wenig spürte ich meine wahren Bedürfnisse. Ich kam mir in meinem Helfersyndrom und dem christlichen Deckmäntelchen auch noch toll vor, wie Mutter Theresa oder so was.
Diese Worte haben mir einmal wieder die Augen geöffnet. Die Augen für mich geöffnet. Denn ich habe den Eindruck, dass Menschen wie Du und ich (und viele andere hier) dazu neigen, einen unglaublich tiefen Blick und ein genauso großes Mitgefühl für andere zu haben, jedoch Schwierigkeiten haben, diese Gefühle auf sich selbst anzuwenden.
In Deinem ersten, wunderschön geschriebenen Beitrag erwähnst Du, wie sehr Du unter Deinem Ehemann gelitten hast. Und Du schreibst auch, dass es für Dich nicht damit getan ist, Dich als Opfer und ihn als Täter zu stilisieren. Denn die wesentliche Frage ist doch Warum ist mir das passiert? Und ich bin da ganz bei Dir, sofern ich Dich überhaupt richtig verstanden habe?
Blauer Himmel
Zitat:Erstaunlicherweise liebt man den Verursacher des Leids in gewisser Weise immer noch - wären wir sonst dankbar für seine Lehren?
Tiefes Meer
Zitat:Ja, das ist das Wesen der bedingungslosen Liebe. Den anderen sein lassen wie er ist. Das bedeutet auch, den anderen freilassen.
Ich kenne all diese Gedanken und Lassys Beitrag zeigte mir, wo hier (und also auch bei mir denn ich habe eine ähnliche Liebesgeschichte hinter mir) möglicherweise Dein blinder Fleck liegt (bitte lies dies hier nicht als Unterstellung. Ich bin nur auf Spurensuche...).
Ich und viele andere hier waren mit einem Partner zusammen, der sehr herzlos und egozentrisch war. Ich glaube, es ist der falsche Weg, den Partner zum Täter zu stilisieren denn damit kommt man sich selbst nicht auf die Spur.
Aber ich denke, dass es ein genauso falscher Weg ist, den Ex-Partner mit diesem Mutter Theresa Blick anzuschauen (ich meine das nicht ironisch. Ich gebrauche diesen Begriff nur, um plakativ darzustellen, worum es mir geht):
Zitat:Wo liegt nun mein Hader ? Die Liebe ist ja nicht damit getan, dass ich einen anderen im Alltag einfach nur sein lasse. Es gibt Situationen, in denen ich Wünsche an den anderen habe. Ich habe kein Recht, die Erfüllung dieser Wünsche zu fordern. Ich habe das Recht meine Wünsche zu äußern, ich habe das Recht mir meine Wünsche selber zu erfüllen und ich habe das Recht zu gehen, wenn es mir nicht passt.
Ich stimme Dir zwar vollkommen zu aber es ist doch die Frage, ob ich mit einem Menschen zusammen bin, der überhaupt imstande ist, zu geben, zu lieben, Verantwortung zu übernehmen, verlässlich zu sein usw., oder ob ich mit einem Menschen zusammen bin, der dazu nicht imstande ist.
Im ersteren Fall finde ich Deine Haltung Ich habe kein Recht, die Erfüllung dieser Wünsche zu fordern richtig und beziehungsförderlich.
Im zweiten Fall aber nimmt man eine selbstlose Mutter Theresa Haltung ein und ich habe es lange getan.
Was mich selbst betrifft, sehe ich es heute so: ich habe mich in der Beziehung zu einem sehr kranken Menschen selbst verleugnet. Die Steigerung der Selbstverleugnung war dann meine Mutter Theresa Haltung. Mit dieser Haltung war ich noch immer mehr bei ihm und noch weiter weg von mir selbst.
Anstatt mich lieben zu lassen (von einem Menschen, der dazu fähig ist), beginne ich, mir philosophische Fragen zu stellen, frage mich, was ich überhaupt verlangen darf usw.
Zitat:An dieser Stelle brüllt etwas in mir innerlich auf. Ich fühle mich klein und ungeliebt. Ich höre nur noch - Du kannst ja gehen, wenn es Dir nicht passt. Ich fühle mich emotional erpresst. Ich höre nur noch - Du bist es mir nicht wert, dass ich Dir Deine Wünsche erfülle. Und ich empfinde Angst.
Für mich liest sich das in etwa so:
Du bist ein kleines Kind und hast großen Hunger. Vor Dir steht ein leerer Teller. Zunächst versuchst Du diesen Teller mit Deiner Liebe zu füllen und so wächst Dein Hunger. Dann beginnst Du Dich zu fragen, ob Du überhaupt Hunger haben darfst, was überhaupt Hunger ist...
Noch also kreisen all diese Fragen um diesen leeren Teller.
Es gibt aber gefüllte Teller. Teller, die Du ohne große Gedanken fröhlich leerfuttern darfst und die Du dann mit Deiner eigenen Liebe wieder füllst...und so geht es von ganz alleine hin und her...unbeschwerter als man annehmen mag.
Ein leerer Teller ist immer ein ungeeigneter Bezugspunkt für die eigenen Bedürfnisse (und auch für das, was man zu geben hat).
Wie geht ein Liebesasket mit einem übervollem Teller um, den man ihm vorsetzt?
Zitat:Und wie würde ich mich entscheiden, wenn der andere Hilfe braucht ? Ich weiss es. Bin ja ein loyaler Mensch. Toll ! Kommt mir grad vor, wie ein unfaires Geschäft. Ich hänge da fest an der Vorstellung, dass ich dem anderen gestatten muss mich im Zweifelsfall im Stich zu lassen, auch wenn ich mir das selber nicht gestatten würde und wenn, dann zum Preis ewiger Schuldgefühle.
Ja, es wäre ein unfaires Geschäft Dir selbst gegenüber.
Lässt Du einen Menschen wirklich im Stich wenn Du Dich dem Leben zuwendest?
Ich habe sehr kranke Angehörige. Lasse ich sie im Stich wenn ich mich dafür entscheide, glücklich zu sein?
Nehme ich einem anderen Menschen etwas, wenn ich für mich sorge?
Sei es dadurch für mich sorge, dass ich Grenzen setze und meine Bedürfnisse ins Zentrum stelle?
Kann ich einem anderen Menschen helfen, indem ich gemeinsam mit ihm um diesen leeren Teller kreise?
Zeugt es nicht von Liebe, wenn ich die Verantwortung für sich selbst an einen Menschen zurück gebe? Zeugt es nicht auch davon, dass ich ihm zutraue, ohne mich für sich sorgen zu können?
Lasse ich jemanden wirklich im Stich wenn ich ihn sich selbst überlasse?
Und was bin ich für ein Vorbild wenn ich demonstriere, dass ich mir selbst nicht genug Wert bin?
Zeugt es nicht von Größenwahn, zu glauben, ich könnte in das Schicksal eines anderen Menschen eingreifen? Ich könnte es ändern oder mit helfen, es zum Glück zu richten? Sogar dann, wenn dieser Mensch nicht darum bittet (statt dessen aber immer wieder aufgefangen werden will, wenn er zusammen bricht).
Steckt dahinter nicht eine Illusion?
Ich bin der Überzeugung, dass wenn ein Mensch sich ändern will, dann entscheidet er sich ganz allein dazu. Niemand und nichts kann ihn da heranführen.
Es zeugt meiner Meinung auch von Akzeptanz, von Respekt anderen Menschen gegenüber, ihnen diese Entscheidung zu überlassen und da nicht mit hinein wirken zu wollen.
Loslassen ist das, worum ich bemüht bin. Meinen Weg gehen- für mich. Wenn ein Mensch versteht, wenn er fühlt, dann wird er das ganz ohne meinen Einfluss tun. Und umgekehrt wird er nie dahin kommen, zu fühlen, zu verstehen, ganz gleich, wie sehr ich ihm beistehe, wenn er es nicht selbst will.
Vielleicht bedeutet Loslassen, auch einen kindlichen Traum loszulassen. Den Traum daran, dass die Liebe alles heilen kann.
Es gibt so viele Menschen, die jahrelang geliebt wurden, die jahrelang therapeutisch begleitet wurden...aber es hat nichts in ihnen berührt oder verändert.
Zeigt dass nicht, dass deren innere Entscheidung unabhängig von unserem Wirken ist?
Für mich ist es an der Zeit, dies zu akzeptieren und mich für mich zu entscheiden.
Ich kämpfe jetzt darum, mich selbst nicht mehr im Stich zu lassen, so wie ich darum kämpfte, einen anderen Menschen nicht im Stich zu lassen.
Und so ist es richtig. Jeder Mensch ist für sich selbst verantwortlich.
Das sind meine Gedanken dazu. Es ist ein längerer Text geworden, als beabsichtigt und ich würde mich freuen, von euren Erfahrungen, Gedanken diesbezüglich zu erfahren.