Zitat von Kakao33:
Ich suche ja keine Fehler bei ihr. Wie gesagt sie ist hübsch, lieb und süß. Aber jetzt wird es momentan immer schlimmer, sie verlangt immer mehr. Ich weiß, sie ist unglücklich. Aber sie kann ja nicht ihr Wohlbefinden davon abhängig machen
Leider finden immer wieder Menschen zusammen, die irgendwie passen wie der Deckel auf den Topf, aber dann doch keine Beziehung leben können.
Du bist da Paradebeispiel für einen vermeidenden Bindungsstil. Das sind diejenigen, die anfangs meinen, den Traumpartner gefunden zu haben. Wenn es aber in eine richtige Beziehung übergeht, machen sie Rückzieher. Auf einmal sehen sie ihre Autonomie, ihr Zeitmanagement in Gefahr, auf einmal werden andere Dinge wie Sport etc. wieder sehr viel interessanter. Und da sie dann das Gefühl von Vereinnahmung und Freiheitsverlust verspüren, boykottieren sie die Beziehung. Z.B. indem sie weniger schreiben, weniger sprechen, Entscheidungen über ihre Freizeitgestaltung treffen, die ohne die Partnerin stattfindet. Alles andere wird wieder wichtiger als die Beziehung.
Und mit der Zeit kommt dann die Abwertung der neuen Partnerin. Ach, die schon wieder mit ihren traurigen Augen ..., jetzt habe ich ihr was geschrieben, aber es passt jetzt doch wieder nicht, letzthin hat sie geweint, weil ich angeblich gar nicht mehr für sie da bin. Endstation ist dann: Uff, das wird mir alles zuviel, ich will da weg und die einstige Traumfrau ist keine Traumfrau mehr, sondern ein nerviges Anhängsel.
Die Partnerin (es geht natürlich auch umgekehrt) ist diejenige, die ganz geflasht war von den Liebesbekundungen des neuen Mannes und dann auf einmal merkt, wie er sich immer mehr zurückzieht, sein Ding macht. Sie fühlt sich innerhalb kurzer Zeit nicht mehr wie die Königin in seinem Leben, sondern fragt sich, was bin ich denn für ihn. Sie bekommt Angst, dass der Traum zerplatzen könnte und beginnt dagegen zu arbeiten. Sie fordert auf einmal etwas ein oder sie wird traurig, und will dem Partner damit zeigen, dass sie zunehmend unglücklicher wird.
Sie will eine Beziehung, mit allem,. mit Hand und Fuß. mit gemeinsamer Freizeitgestaltung, stösst aber mehr und mehr auf Ablehnung. Wlll sie eine Beziehung? Vordergründig ja, unbedingt und sie weiß auch mit wem. Sie verspürt Liebe und möchte dass die Zielperson sie erwidert. Aber sie ist im Grund genommen aus demselben Holz geschnitzt, denn auch sie vermeidet enge Bindungen, weil sie sich unbewusst Partner sucht, die auch so sind. Allerdings sind die passiven (=leidenden)Bindungsvermeider so, dass sie auf der bewussten Ebene zwar eine Beziehung wollen. Aber das Unterbewusstsein ist dagegen und führt sie zu Partnern, mit denen das gar nicht möglich ist. Weil das Unterbewusstsein, wo die Bindungsängste herkommen, im Grund genommen gar keine Beziehung will. Der passive Typ verkleidet die Bindungsängste.
Sie fühlt Unglücklichsein, Verlustängste (oh Gott, ich verliere ihn womöglich), Versagensängste (ich bin nicht gut genug, deswegen geht er lieber mit seinen Jungs feiern) und ein vermindertes Selbstwertgefühl (ich bin es nicht wert geliebt zu werden, das beweist er mir ja tagtäglichI). Die bewusste Ebene wird traurig oder aggressiv, je nach Naturell, das Unterbewusstsein aber lehnt sich bequem zurück und sagt sich: passt, es gibt ja gar keine Beziehung, zumindest keine enge.
Tja, glücklich wird man damit nicht. Weder der aktive, der ja weiß, dass er mehr investieren sollte, aber in dem sich irgend etwas massiv dagegen stemmt noch der passive, der merkt, dass er nur der Partner auf der Ersatzbank ist.
Und noch eine gute Nachricht: Bindungsängste ziehen sich meist wie ein roter Faden durchs Leben, denn die Muster wollen ja ausgelebt werden. Und Bindungängstler sind Chamäleons, sie können in einer Beziehung die aktive Rolle einnehmen und in einer anderen zum passiven mutieren.
Bindungsängste sind nicht oder kaum heilbar, denn meist liegt der Ursprung schon in der Kindheit. Kaputte Famileinverhältnisse, Ehescheidungen, der Verlust wichtiger Bezugspersonen usw. sind dafür ein guter Nährboden. Das Kind merkt, es ist ausgeliefert und steht daneben und wird nicht weiter wichtig genommen. Es bekommt Angst und sehnt sich doch nach Liebe und Zugehörigkeit. Wenn das zu wenig gegeben wird, werden die Ängste ins Unterbewusstsein verschoben, wo sie angeblich nicht mehr spürbar sind. Aber sie sind doch da und steuern das Bindungsverhalten-
Ohne tiefgreifende Therapie geht damit meist nicht viel, aber wer bekommt das schon und wer traut sich, sich wieder in sich hinein zu fühlen? Nicht viele. Und so wurschteln sie sich halt so durch, nicht selten von Beziehung zu Beziehung, die allesamt scheitern, weil das Unterbewusstsein sagt: Bindungen sind gefährlich, sie halten nicht, sie machen Angst, also vermeide ich sie lieber.
Man kann damit leben, wenn man sie kennt und sie relativieren kann. Und sich sagt, Moment mal, ich habe jetzt eine Beziehung und die fordert auch was von mir. Die Alternative ist, dass die Beziehung kaputt geht und man wieder allein ist - bis zum nächsten Versuch.
Der aktive steckt es leichter weg, denn der ist erst mal erleichtert, weil er keine Forderungen mehr spürt. Denn Forderungen machen Druck und Druck muss entweichen - durch Schweigen, durch Totstellen, durch Gegenreden, durch Aggressionen.
Der passive leidet meist mehr, denn er verspürt den Schmerz, den er schon von der Beziehung her kennt, nur dass er jetzt noch schlimmer ist. Er muss sich entlieben und das braucht Zeit, viel Zeit.
Der eine geht fröhlich pfeifend zum Fußball, der andere weint noch die Kopfkissen voll. That's life.
Das genannte Buch kann ich Dir auch empfehlen. Ich staunte Bauklötze, wie gut ich mich darin wieder fand. Was da beschrieben wird, ist praktisch ein Drehbuch für ein 2-Personenstück von zwei Menschen, die ja gerne wollen würden, aber nicht können.
Die Lösungsmöglichkeiten die dort aufgeführt sind, sind allerdings eher dünn.
Wenn es z.B. heißt, bleiben sie autark und erwarten sie nicht zu viel. Ja, wissen täte es man ja, aber wie soll man das umsetzen, wenn in dem einen alles schreit, ich will diese Forderungen an mich nicht mehr spüren und im anderen die Traurigkeit oder Wut wütent?
Gefühle interessieren sich nicht für den Verstand, sie führen ihr Eigenleben.