Anpassungsstörung in Verbindung mit Trennung

L
Hallo Zusammen,
ich weiß gar nicht so richtig wo ich anfangen soll...Also erstmal der grobe Rahmen:
Mein Freund(33) hat sich im Oktober letzten Jahres von mir (30) getrennt. Wir waren sieben Jahre zusammen und haben acht davon zusammen gelebt. Nach unserer Trennung haben wir noch fast ein Jahr zusammen in unserer gemeinsamen Wohnung gewohnt. Vor zwei Wochen ist er nun endgültig ausgezogen und ich wohne hier alleine weiter. Mir ist klar, dass sein Auszug richtig und notwendig war. So weit so gut.
Aber ich komme einfach gar nicht mehr mit mir und der Situation klar. Ich versuche unsere bzw. meine Geschichte mal kurz, knapp und nachvollziehbar darzustellen.
Als wir uns beide kennengelernt haben, waren wir beide frische Singles. Ich war eigentlich gar nicht interessiert an ihm. Ich war 22 und der Meinung er wäre nicht hübsch genug für mich. Aber irgendwie habe ich mich doch zu ihm hingezogen gefühlt. Er war ganz anders, als die Männer die ich bis dahin kennengelernt habe. Wir haben uns durch gemeinsame Freunde kennengelernt und sind irgendwie immer wieder bei mir zu Hause gelandet und haben die Nächte durchgequatscht. Nach zwei Monaten waren wir dann ein Paar. Das hat sich einfach ganz natürlich ergeben.
Er war damals depressiv, hatte Panikattacken und hat auch Antidepressiva einnehmen müssen. Er war eher ein Misanthrop. Ich war vermeindlich das komplette Gegenteil. Ich war fröhlich, offen und empathisch. Ich habe mich aufopferungsvoll um ihn gekümmert. Seine Launen haben mich schon auch genervt, aber eine Depression ist nun mal eine Krankheit und ich wollte sowohl für ihn, als auch für mich, für uns, dass es ihm besser geht. Wenn er eine Panikattacke hatte, habe ich ihn auch mitten in der Nacht irgendwo abgeholt. Ich habe ihn am Telefon beruhigt, ihn zu seinen Terminen beim Psychiateter begleitet. Das brauchte er in dem Moment einfach und es war selbstverständlich für mich, das auch zu tun.
Ansonsten war unsere Beziehung sehr ambivalent. Wir haben sehr viel Zeit mit einander verbracht. Waren viel unterwegs. Wir waren abends fast täglich spazieren, haben sehr viel zusammen unternommen, wir haben über alles und nichts gesprochen und haben das auch beide genossen. Andererseits war er auch oft ziemlich gemein zu mir und hat mich von sich weg gestoßen. Kuscheln und Küsschen war nicht oder nur selten. Er war mir gegenüber auch sehr oft reserviert und kalt.
Nach seiner Trennungsansprache im vergangenen Jahr hat er auch erwähnt, dass er vielleicht einfach immer das wolle, war er nicht haben könnte und mich konnte er ja ganz offensichtlich haben.
Klasse Statement, vor allem hinsichtlich des ganzen Hintergrunds! Ich kenne ihn schon ziemlich gut und bin eingentlich immer davon ausgegangen, dass er einfach so ist. Er ist eine Miesepeter, er ist introvertiert und neigt zu Depressionen.
Die vergangenen neun Monate, getrennt und doch zusammen waren ein einziges hin und her. Wir haben nach wie vor oft zusammen gesessen und über Gott und die Welt gequatscht, wir haben auch miteinander geschlafen und wir haben auch noch ab und an was zusammen unternommen.
Einerseits hat er mir gegenüber auch immer mal wieder Unsicherheiten bezüglich der Trennung geäußert. Er sei sich auch nicht sicher und was wäre das denn nun zwischen uns, hat er MICH! gefragt usw.
Andererseits hat er mir aber auch ganz direkt gesagt, dass er mich nicht liebt. Das hat für mich natürlich beides überhaupt nicht zusammen gepasst und es war mir lieber an das einerseits zu glauben, als an das andererseits.
Er ist allerdings der Meinung er hätte sich immer klar und deutlich positioniert und er hätte mir keinerlei Anlass für Hoffnung gegeben. Das habe ich natürlich ganz anders gesehen und allein diese völlig unterschiedlichen Ansichten hinsichtlich unserer Situation haben dazu geführt, dass wir unendlich viele, langwierige, anstregnede, emotionale und verzweifelte Diskussionen über all das geführt haebn. Neun Montate lang.
Krass ist, dass ihn diese nervenzehrenden Gespräche nicht davon abgehalten haben, mit mir weiter zusammen wohnen zu wollen, mir vorzuschlagen, wir könnten doch auch zusammen in den Urlaub fahren. Ich hatte mehrere Nervenzusammenbrüche vor seinen Augen und irgendwie dachte er zwei Tage später immer wieder, es sei nun alles in Ordnung. Er hat meine emotionale Verfassung überhaupt nicht akzeptiert. Er hat überhaupt nicht akzeptiert, dass ich unter der Trennung leide.
Und ich dachte mir, er würde mir das doch nicht antun. Er sieht doch wie schlecht es mir geht und er würde mir doch nicht so viele Hoffnungen machen, wenn er sich sicher sei, dass wir keine Zukunft haben.
Tja und nun bin ich depressiv. Die Trennung ist nicht der Grund für meine Depression. Die Trennung hat mich emotional so dermaßen geschwächt, dass all die Probleme, die ich früher immer verdrängt habe, all meine psychischen Defizite und seelischen Belastungen in den Vordergrund getreten sind. Ich habe eine Anpassungsstörung. Das ist nicht die erste Krise die ich durchstehen muss, aber es ist die erste, die ich allein bewältigen muss. Ohne Partner. Natürlich habe ich Freunde, aber die haben ja auch ihr eigenes Leben. Mir ist einfach auch bewusst geworden, dass ich im Laufe meine Entwicklung keinerlei Bewältigungsstrategien für solche Lebenskrisen entwickelt habe. Ich reagiere immer noch wie ein Kind darauf. Ich bin völlig besessen von dem Gedanken, allein, ungeliebt und abgewiesen worden zu sein.
Ich bin in der Lage es intelektuell zu begreifen, dass das nichts mit mir zu tun hat und dass mich das nicht zu einem schlechten Menschen macht, aber irgendwie ändert das nichts an meinen Selbstzweifeln.
Er fehlt mir aber auch einfach so sehr. Es ist unbegreiflich für mich, ihn nicht mehr um mich zu haben. Wir waren im Sommer immer zwei/drei Mal die Woche baden und dieses Jahr war ich noch nicht einaml im Wasser. Es würde mich auch zu sehr an ihn erinnern...
Wenn es nach ihm ginge, hätten wir ja auch weiterhin regen Kontakt, aber das funktioniert halt nicht für mich.
Ich habe auch mit einer Verhaltenstherapie angefangen, aber muss jetzt erstmal noch zwei/drei Wochen warten, bis die Genehmigung hierfür von meiner Krankenkasse kommt.
Ich kann einfach keinerlei Freude empfinden. Nichts macht mich glücklich.

Vielleicht hat ja jemend von Euch schon ähnliches durchgemacht und überwunden.

Vielen Dank schon mal

19.07.2016 18:55 • #1


A
Du schreibst sehr schön, wow, so viele Informationen und dennoch total über sichtlich !Ich denke ich weiß so ein bischen wie Du Dich fühlst und mir fällt auf, daß man gar nicht heraus lesen kann, daß Du vielleicht auch wütend bist auf Deinen Ex?Ich mein...es klingt ja als hättest Du Dich für ihn echt “reingehangen“ und dann wird man so abserviert...mir hilft es immer wenn ich auch mal meinen Zorn zulasse!

19.07.2016 20:20 • #2


A


Anpassungsstörung in Verbindung mit Trennung

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Askius
Hallo Lenchen86,

du scheinst ja schon einiges durch gemacht zu haben. Und du kannst stolz auf dich sein ihn so lange untersützt zu haben, das macht dich zu einer tollen Person Sei dir dessen auf jedenfall bewusst.
Auch wenn es sehr schwer sein wird, hänge bitte nicht so viel an ihm. Ja es braucht viel Zeit, um darüber weg zu kommen, und es ist schlimm, wie das mit euch geendet hat. Nimmt er vielleicht immer noch Antidepressiva? Aus meiner Sicht ist er nie aus der Depression raus gekommen und das zeigt sich auch in seinem verhalten wieder. Er hat nie so ganz weiter gelernt. Er denkt sich vieles in seinem Kopf aus, was nicht der Realität entspricht. Und solang er das nicht schafft, auch nicht mit der Therapie, könnte das leider nie was mit euch beiden Werten.
So wie du es beschrieben hast, hast du ihm mehr gegeben, als du wieder bekommen hast. Und das lief dann halt irgendwann falsch.

Jetzt, da du aber alleine bist, wirst du alles selber erlernen müssen. Und ja, das macht einem sehr große Angst am Anfang. Bei mir war es genau so, auch wenn ich nicht die gleiche Situation wie du erlebt habe. Aber es hilft schonmal, darüber zu reden. Auch wenn du eine Therapie in ein paar Wochen startest, kannst du hier einen Grundstein legen, damit du langsam besser in deinem Leben zurecht kommst
Schreib hier gerne alles auf, was du sagen/schreiben möchtest. Es hilft viel, sich einfach alles von der Seele zu schreiben. Wenn du einiges nicht hier öffentlich schreiben möchtest, kannst du es dennoch machen und einfach wieder löschen. Hauptsache es ist mal ausgeschrieben. Und vielleicht findest du hier ja auch noch jemanden, mit dem du dich gut unterhalten kannst und über die Dinge reden kannst, über die du nicht schreiben/reden möchtest. Hier kannst du so oft du willst darüber schreiben, du wirst mich zumindest damit nicht nerven können ;D

Falls du Tipps für einen Alltag alleine brauchst, hab ich einige wenige: Ich weiß nicht, welche Hobbys du so nach gehst, aber Bücher lesen helfen deinen Alltag zu strukturieren. Versuch einen Rythmus aufzubauen, wann du schlafen gehst und wann du auf stehst. Wenn du zu viel grübelst, such dir Dinge die dich geistig fordern. Mach z.B. Kreuzworträtsel, Sudoku oder kognitive Tests. Die helfen dir dich auf den Test zu konzentrieren und nicht so lange zu grübeln. Geh öfter raus, schaff dir Platz für einen Spaziergang oder mach Sport. Wichtig ist auch, dir immer mal wieder was zu gönnen, was dich erfreut. Sei es ein Eis, ein heißes Bad, vielleicht eine Massa. oder Shoppen gehen? Mach es einfach, ohne wenn und aber. Du wirst dich danach gut fühlen. Lass dich von deinen Freunden ablenken, ohne die ganze Zeit über deine Probleme zu reden. Aber! Du darfst über deine Probleme reden!
Schaff dir am Tag eine bestimmte Zeit, um deine Ängste und Probleme an zu schauen und darüber nach zu denken. Gib dir keine bestimmte Zeitspanne von 2 Stunden oder so an, sondern lass dir Zeit, wie du es brauchst. Aber danach solltest du dich mit anderen Dingen beschäftigen, die deinen Tag füllen. Einmal am Tag über deine Ängste und Probleme nach zu denken hilft dir auch schon das zu verarbeiten. Und wenn es dir zu viel wird, schreib hier auf, was dir zu deinen Problemen aufgefallen ist oder worüber du nachgedacht hast. Hier gibt es viele Menschen, die dir viele Tips und Anregungen geben können.
Du musst nicht alles auf einmal machen, aber schaff dir nach und nach einen Rythmus in deinen Alltag und es wird sich dann von selbst ergeben. Mit der Zeit wirst du deinen Alltag mit immer mehr Dingen füllen und das alles verarbeiten. Hab keine Angst davor, das schaffst du schon Es gibt viele, die etwas ähnliches durch gemacht haben, so wie ich. Ich hatte anfangs auch meine Probleme mit dem Alltag. Aber wenn man sich ab und zu dazu zwingt ein paar Kleinigkeiten in seinen Alltag nach und nach ein zu bauen, dann schafft man das auch.

Zu guter Letzt bekommst du von mir noch ein herzliches Willkommen und ein festes Geb dich nicht selbst und schau positiv in die Zukunft.

LG

Askius

19.07.2016 20:41 • #3


L
Vielen Dank, für Eure lieben Worte.
Doch natürlich bin ich wütend auf ihn. Sehr sogar.
Ich habe das Gefühl, dass ich in tausend Stücke zerbrochen bin und mich völlig neu ordnen muss. Ich weiß gerade gar nicht wer ich bin und wer ich sein möchte und überhaupt sein kann.
Ich glaube schon, dass das nötig für meine persönliche Entwicklung ist und dass es gut ist, dass ich mich neue definiere bzw. überhaupt erst einmal wirklich definiere. Ich habe immer sehr viel verdrängt, ich bin immer sehr verschlossen gewesen und habe mich lieber mit den Problemen anderer beschäftigt, als mit meinen eigenen.
Auch wenn es längerfristig nur positiv für mich sein kann, ist es kurz- und mittelfristig gerade richtig beschissen und er ist nicht für mich da.
Er hat sich getrennt und das ist der Auslöser für das alles und somit ist er natürlich auch nicht die Person, die mir an der Stelle weiterhelfen kann.
Aber es macht mich trotzdem sooo wütend, dass er seinen ganzen schei. mit meiner Hilfe überstanden hat und ich jetzt allein dastehe.
Er fährt in den Urlaub. trifft sich mit seinen ganzen Single-Freunden - meine Freunde sind alle in einer Beziehung, meine beste Freundin hat jetzt einen vier Monate alten Sohn, also kann ich das Singleleben nicht mit den mir vertrauten Menschen feiern so wie er das kann und auch tut.
Ich habe ihn darin unterstützt sein Selbstvertrauen aufzubauen, haben ihn darin bestärkt auf neue Leute zuzugehen und was soll ich sagen, es hat funktioniert. Und nun geht es ihm so gut, dass er mich nicht mehr braucht und verlässt mich? Das ist doch nicht sein ernst, denke ich mir immer wieder...Das was ich noch für ihn empfinde schwankt zwischen Liebe und Hass. Es ist sicher gut, wenn wir uns nicht sehen, dann vertreibt der Hass die Liebe immer mehr. Aber der Hass zerfrisst einen auch irgendwann.
Es ist einfach schwierig.

22.07.2016 17:20 • #4


L
Hallo Lenchen86,

wenn man jemanden unterstützt sollte das bedingungslos sein.
Wenn das in einer Beziehung oder Freundschaft abläuft und man dafür Gegenliebe erwartet, ist es das Helfersyndrom, in dem man meint sich Liebe verdienen zu können, daher rührt auch die Wut.
Ich hatte lange das Helfersyndrom und hatte es für besonders viel Liebe gehalten, doch ich hatte mich im Grunde einseitig engagiert um mir Liebe zu 'verdienen'.

Liebe ist ein Geschenk,
sie ist ein Kind der Freiheit,
und sie basiert auf Selbstliebe und seelischer Selbständigkeit.

24.07.2016 17:55 • #5




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