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An all die Hobbypsychologen

J
Ich gebe Dir völlig Recht! Gefühle rauszulassen, beschleunigt die Heilung um Einiges. Wobei ich auch nicht zum
Backstein tendieren würde
Das Problem ist tatsächlich, dass eine Welle im Gange ist in unserer Gesellschaft aber auch in Fachkreisen, den Maßstab zu hoch zu setzen.
Unsere westliche, materialistische Kultur trifft seit dem Einzug des Internets in unser aller Leben, auf eine Schwemme östlichen Gedankenguts.
Dieses Gedankengut sehe ich nicht als schlecht an. Aber es ist völlig anders als jene Werte, die wir hier im Westen seit Ewigkeiten leben und daher sollte man sich nicht selbst unter Druck setzen.
Allein die immer wieder gelesene Aussage: Liebe kennt keine Angst und keinen Hass. Wenn Angst im Spiel ist, ist es keine Liebe, sondern Abhängigkeit.
Das ist einfach zu absolut. Wenn eine Frau z.B. von klein auf den Hauptwert vermittelt bekommen hat, dass Ehe und Familie das Wichtigste ist, dass man ohne Partner nichts wert ist, wie soll sie dann, wenn ihr Mann sie mit 50 Jahren wegen einer Jüngeren verlässt, plözlich ihr komplettes Wertesystem
über den Haufen schmeißen? Natürlich hat sie eine Abhängigkeit vom Mann. Weil ihr Wertesystem auf Ehe bist zum Tod ausgerichtet war. Da helfen dann auch keine buddhistischen Weisheiten à la: Wahre Liebe muß loslassen können. Man muß auch alleine glücklich sein können etc. Diese Frau wird damit nichts anfangen können und es geht eher darum ihr einen Weg aufzuzeigen, das Loch in ihrem Leben und Wertesystem neu zu füllen, einen neuen Sinn zu finden, von dem sie dann aber genauso abhängig sein wird. Sie wird nicht von heute auf morgen eine Art Buddha werden. Das ist ein Prozess, der ewig dauern kann.
Oft wird auch behauptet, es sei nicht gut, sich sofort in die nächste Beziehung zu stürzen. Auch das trifft nicht immer zu. Manche Menschen können einfach nicht gut allein sein und werden dann depressiv, grüblerisch. Sie könnten das Alte nie loslassen, wenn sie nicht einen neuen Partner hätten. Und auch MIT Beziehung kann man an sich und der Vergangenheit arbeiten. Die Menschen tendieren heute dazu, die völlige Unabhängigkeit zu propagieren. Wer nicht allein sein will/kann, gilt als unreif. Es ist ein schönes Ziel, völlig unabhängig von Anderen zu sein und dadurch letztlich auch eine wirklich reine Form der Liebe geben zu können. Aber dieses Ziel kann oft ein Leben dauern, bis man es erreicht. In diesem Fall wäre es besser, die Abhängigkeit von Anderen erstmal anzunehmen und sich Schritt für Schritt dem Ziel zu nähern TROTZ Beziehung.
Kurz: Diese Radikale Sichtweise, was richtig und gesund ist, ist nicht wirklich hilfreich. Sie widerspricht meistens den grundlegenden seelischen Bedürfnissen und Wertesystemen der Menschen. Und die Maßstäbe sind so hoch, dass die meisten dem nicht gerecht werden und aufgeben. Manche boykottieren sogar ihr eigenes Glück, weil sie davon überzeugt sind, alleine glücklich werden zu müssen und ansonsten unspirituell und schwach zu sein.

11.10.2015 15:34 • x 3 #16


P
....da dies ein Laienforum ist, hier allerdings der Berufsstand der Psychologen, dem ich ebenfalls angehöre, in ein aus meiner Sicht zweifelhaftes Licht gerückt wird, möchte ich dann doch gern Stellung zum Beitrag von Judith nehmen:

Zunächst zu:
Zitat:
Deine Aussage, ich klinge nicht nüchtern und fachlich genug, ist leider nur ein weiteres Symptom des Schwarz-Weiß-Denkens vieler User hier.
und
Zitat:
Psychologen sind auch nur Menschen, ebenso ich. Und viele Psychologen entscheiden sich gerade deshalb, Psychologie zu studieren, weil sie selbst in vielen Bereichen mit Problemen konfrontiert wurden, sie deshalb überhaupt nur Interesse an diesem Bereich haben.
Manche mögen das kritisieren à la: Wer selbst Probleme hatte, darf kein Psychologe werden. Ich sehe das anders. Es kann NUR jemand helfen, der überhaupt das Problem nachvollziehen kann. Und das kann man NUR wenn man selbst Mensch ist und diese menschlichen Probleme durchlebt hat.


Psychologie ist die Lehre vom Verhalten und Erleben von Menschen und hat die Aufgabe, dieses Verhalten und Erleben zu erklären. Tatsächlich mag es, wie in jedem anderen Beruf auch, persönliche Gründe geben, diesen Beruf zu ergreifen oder ein gesondertes Interesse hierfür zu hegen, allerdings gehört sowohl zu einem Studium der Psychologie und insbesondere in der Therapieausbildung die Teilnahme an Selbsterfahrungsstunden hinzu, mit der Aufgabe, seine eigenen, dysfunktionalen Muster und Pathologien zu erkennen, damit ebenjenes, dass du schilderst, nicht geschieht:

seiner eigenen Betroffenheit anheim zu fallen, sich selbst derart emotional zu involvieren, dass die Grenzen zwischen dem eigenen Problem und dem Problem des Klienten verschwimmt, dem eigenen Narzissmus und Größenphantasien anheim zu fallen, die einem vorgaukeln, man wisse GENAU, was der Klient empfinde, denke und erwarte, dem Irrglauben anheim zu fallen, nur wenn man selbst Gleiches erlebt hat, könne man ihm helfen.

Nochmal: Psychologie ist die Lehre vom Verhalten und Erleben und versucht, dieses zu erklären. Psychologie kann nicht den Anspruch haben, Andere zu retten, sie vollends zu verstehen oder sie vollends zu erkennen. Psychologie hat die Aufgabe, mit allen objektiven Kenntnissen und Erfahrungen einem Klienten zur Seite zu stehen und ihm behilflich dabei zu sein, mit diesem Wissen sein eigenes Erleben und Verhalten (selbst) insofern zu verändern, dass es ihm zu Stabilität verhilft.

Ja, auch wir Psychologen sind Menschen mit ganz menschlichen Problemen und Erfahrungen, die jedoch an einen Klienten niemals als objektive Wahrheit oder empirische Erkenntnis herangetragen werden sollte. Es ist von Zeit zu Zeit schwer, diese Trennung zwischen dem Menschen und der Rolle als Psychologe einzuhalten, doch auch hierfür gibt es verpflichtende Maßnahmen, wie z.B. regelmäßige Supervision oder Intervision durch Kollegen.

Es befremdet auch mich sehr, liebe Judith, in deinen Beiträgen eine solche Subjektivität und persönliche Involvierung vorzufinden, die einem therapeutisch tätigen Psychologen für gewöhnlich fremd ist.

Zitat:
Den fachlichen Abstand dennoch zu wahren ist eine Gabe, über die man verfügen muss. Hat man aber diese Gabe PLUS eigener Erfahrungen, sind das die besten Vorraussetzungen.


Den fachlichen Abstand wahren zu können, ist keine Gabe, sondern eine regelmäßig zu überprüfende Pflichtaufgabe des Psychologen/ Therapeuten, im Sinne der Qualitätssicherung seiner Arbeit und seiner Fürsorgepflicht gegenüber des Klienten. Eigene Erfahrungen erschweren i.d.R. den fachlichen Abstand allgemein und sind daher Kriterium, noch stärker und v.a. unter externer Kontrolle (z.B. durch Supervision) Sorge dafür zu tragen, dass die Professionalität im therapeutischen Handeln gewahrt ist.

Zitat:
Da gilt das darwinistische Prinzip des Stärksten, der sich durchsetzt. Wer schwach ist, ist selbst Schuld und geht unter.
In unserer Gesellschaft ist kein Platz für Schwäche. Es geht um Leistung und darum, sich nicht hängen zu lassen.
Viele Patienten kämen besser zurecht, wenn ihre Schwäche akzeptiert und nicht bewertet werden würde. Wenn man es einfach als gegeben hinnehmen und stattdessen menschliche Wärme vermitteln würde.


Diese Aussage ist dabei ein gutes Beispiel für eine Rollendiffusion, wenn der therapeutische Abstand nicht mehr gewahrt ist.
Psychologie hat nicht die Aufgabe, zu be- und verurteilen, sie hat nicht die Aufgabe, in einseitige, allzu menschliche Schuldzuweisungen zu verfallen und sie hat auch nicht die Aufgabe, zu moralisieren. Darüber hinaus zeichnet sie sich insbesondere dadurch aus, nicht in pauschalisierende, alltagspsychologische Schwarz-Weiß-Plattitüden zu verfallen oder solchen anzuhängen oder Sachverhalte zu beurteilen, deren Hintergrund sich ihrer Kenntnis entziehen.

Ein Beispiel:

Du bist die Bezugstherapeutin einer unter der Borderline-Persönlichkeitsstörung leidenden Klientin. Diese Klientin hat womöglich Traumatisches in ihrer Vergangenheit erlebt. Das Bindungsverhalten dieser Klientin dürfte instabil bis fragil charakterisiert sein. Als mögliche Trigger psychischer Krisen stellen sich wiederkehrend soziale Kontakt- und Beziehungssituationen heraus. Die Klientin berichtet dir wiederkehrend davon, sich in den Gesprächen mit dir zu stabilisieren, jedoch erneut in Krisen zu verfallen, sobald sie in einem Forum aktiv ist und sich mit Forenteilnehmern auseinandersetzen muss.

Aufgabe eines Therapeuten ist in dieser Situation zuallererst, dieses Verhalten der Klientin zu thematisieren und offen therapeutisch zu klären, weswegen sie wiederholt Situationen aufsucht, die sie in Krisen stürzt, welche Bedürfnisse sie damit zu befriedigen sucht und welche dabei frustriert werden. Dabei sollte auch die Frage nach der Belastbarkeit der therapeutischen Beziehung aus ihrer Sicht zu fragen, denn womöglich gibt es Widerstände, therapeutisch relevante Themen innerhalb des Therapiesettings zu klären. Hierbei dürfte es auch erforderlich sein, eine erneute Übereinkunft und Vereinbarung mit der Klientin zu treffen, inwieweit das wiederkehrende Aufsuchen destabilisierender Situationen es ermöglicht, das Therapieziel einer psychischen Stabilisierung zu erreichen.

Es gehört in keiner einzigen klinischen oder anerkannten psychotherapeutischen Disziplin zur psychologischen Praxis, in eine dysfunktionale Dynamik des Klienten mit einzusteigen und diese noch zu fördern, indem externe Symptombekämpfung auf Nebenkriegsschauplätzen betrieben wird. Dieser Mangel an Distanz ist es, der dafür sorgt, dass in einer Therapie am Problem vorbeitherapiert wird.

11.10.2015 15:42 • x 4 #17


A


An all die Hobbypsychologen

x 3


J
Liebe psycho-logika,
es ist ja sehr nett von Dir, mich über die Bedeutung und Aufgaben eines Psychologen aufzuklären.
Aber wie kommst Du darauf, zu wissen, wie ich mit meinen Patienten umgehe? Wie ich meine Patienten behandel ist eine Sache. Das hat absolut gar nichts damit zu tun, dass ich eine eigene Meinung habe und diese in einem Forum poste.
Das, was ich in diesem Forum poste, erzähle ich nicht meinen Patienten. Dort herrscht eine fachliche Distanz, und diese ist sehr wohl eine Gabe. Hat jemand diese Gabe nicht, kann er noch so viel tun, er wird sie sich nicht aneigen können. Supervisionen dienen lediglich dazu, diese Gabe zu verstärken und auszubauen. Aber bei Weitem nicht jeder Mensch ist in der Lage, trotz eigener Erfahrungen und Meinung, dennoch fachlichen Abstand zu wahren und die eigenen Probleme nicht auf den Patienten zu projizieren. Das kann nicht jeder erlernen. Und ich widerspreche Dir völlig, dass eigene Erfahrungen unnötig sind. Das ist Schwachsinn. Es gibt leider zu viele Kollegen Deiner Art, denen es dann letztendlich an Einfühlungsvermögen mangelt. Es sind letztenendes nicht nur die Lehrbücher, die über den Erfolg einer Therapie entscheiden. Denn auch die Lehrmeinung ändert sich stetig, wird erweitert oder verworfen. Wer es mit Menschen zu tun hat, muss diese verstehen können. Egal ob als Lehrer, Arzt oder Therapeut. Leider ist das zu oft nicht der Fall. Und es gibt leider zu viele Patienten, die eine Therapie abbrechen, weil sie sich völlig unverstanden fühlen.
Es ist auch interessant, dass ich keine Meinung haben darf bezüglich gesellschaftlichen Missständen. Das eine ist meine Arbeit mit den Patienten. Das Andere ist meine eigene Meinung, zu der ich auch unabhängig von der Arbeit mit meinen Patienten stehen kann.
Meinst Du, meine Patientin weiß, dass ich dieses Thema hier im Forum aufgegriffen habe? Bestimmt nicht. Aber diese Tendenz, psychisch kranke Menschen unter Druck zu setzen, sehe ich leider als gegeben an. Und daher bleibt es mir überlassen, dies in einem Forum wie diesem anzusprechen. Ich schreibe neben meiner Tätigkeit in einer Tagesklinik noch für ein wissenschaftliches Magazin. In meinem letzten Artikel ging es u.a. um den Einfluss gesellschaftlicher Normen auf die seelische Gesundheit des Einzelnen. Patienten zu behandeln ist eine Sache, es sei mir jedoch erlaubt festzustellen, dass das kranke Individuum immer in einen größeren Kontext eingebunden ist. Psychische Krankheiten zu eliminieren oder ihnen am beten vorzubeugen ist daher auch die Verantwortung der Gesellschaft. Und die psychische Gesundheit des Einzelnen hängt auch vom Wert des Einzelnen in der Gesellschaft ab.
Dies wirst Du nicht abstreiten. Da wir in einer Leistungsgesellschaft leben, die zudem stark individualisiert ist, tauchen auch damit assoziierte Probleme auf. Und wenn ich darüber kein Werturteil
fällen darf, habe ich auch kein Ziel und somit verändert sich auch nichts. Ich habe jedoch persönlich ein Ziel und ein Anliegen: Nämlich eine Gesellschaft zu haben, in der es mehr Integration und Akzeptanz psychisch Kranker gibt. Es ist sehr interessant, dass man als unfachlich gilt, wenn man eigene Ambitionen hat. Ich äußere mich nicht dazu, was ich von Dir als Therapeutin halte. Das zweifelhafte Licht könnte ebenso wegen Therapeuten wie Dir auf unsere Berufsgruppe geworfen werden.

11.10.2015 16:11 • #18


J
Hallo Judith,
ich stimme Deinem (gerade gelesenen) Eingangsthread zu. Werde wohl in Zukunft auch noch vorsichtiger und bedachter mit meinen Rat..Schlägen werden. Ich selbst kann eh auch besser mit reduzierten Infos/Worten umgehen.. evtl. Fragen, die mal zum Nachdenken anregen.
Danke für Deinen Beitrag/diesen Thread.
Dir alles Gute.

11.10.2015 16:18 • #19


R
Liebe Judith,

ich finde deinen Beitrag sehr wertvoll!
Manche haben auch bei mir Kopfschütteln ausgelöst.Für mich spiegelt das Forum
auch das Leben da draußen.........Menschen, die andere so annehmen können......und ihn da abholen wo er gerade steht. Dann gibt es die....die alles besser wissen....WERTEN .....oder die glauben man müsse nur positiv denken und das Leben wird dann schon...etc.

Ich finde es auch wichtig zu überlegen was der Hilfesuchende JETZT gerade braucht.
Es gibt in den Schulen für alles ein Fach.......wie man mit Lebenskrisen umgeht.....das lehrt uns keiner.
Therapie kann sehr helfen (habe ich auch in Anspuch nehmen dürfen) aber auch Foren wie dieses.... leisten ihren Beitrag........genauso wie Selbsthilfegruppen, Freunde, Familie, Partner u.s.w.
Auch die Therapie hat ihre Grenzen.......es gibt Menschen.....die sich am Ende für einen Suizid entscheiden.
Ich DANKE dir für deinen Post.
Liebe Grüße Ringelblume

11.10.2015 16:20 • #20


B
@ElGigo
Danke, mein Freund.

@psycho_logika
Wow, bist du Leonards Mutter? (BBT als Hinweis, falls die Frage und der Smiley nicht verstanden wird)

@Judith__
Ich habe deinen Text mehrmals durchgelesen und trotzdem nicht verstanden worauf du hinaus willst. Aber eine Zeile möchte ich aus dem Zusammenhang reißen und kommentieren.
Zitat:
Manche Menschen können einfach nicht gut allein sein und werden dann depressiv, grüblerisch. Sie könnten das Alte nie loslassen, wenn sie nicht einen neuen Partner hätten. Und auch MIT Beziehung kann man an sich und der Vergangenheit arbeiten.

Meine Ex konnte nicht allein sein, deswegen war sie mit mir zusammen. Ich konnte damals allein sein und war zufrieden. Dann kam sie und jetzt bin ich allein und unzufrieden und sie ist in der nächsten Beziehung glücklich. Ob sie jetzt in ihrer neuen Beziehung an sich arbeitet (reflektiert) oder ob sie sich die Seele aus dem Leib ..... ist mir schei.. Sie war durch mich für zwei Jahre nicht depressiv, grüblerisch., ich bin es seit zwei Jahren. Als Psychologe hast du eine Win-Win-Situation. Ein Patient geheilt, einen neuen bekommen.

11.10.2015 16:28 • #21


D
Sich verstanden fühlen ist das Wichtigste. Ich behaupte mal, dass die Meisten wohl deshalb auch hier sind.

Das Mitempfinden und oft zu gleicher Zeit das Miterleben des ekelhaften Gefühls des Liebeskummers gibt einem Halt.

Mit den Ratschlägen muss man schon selbst umgehen können.

11.10.2015 16:48 • #22


D
Danke!

Ich kann diese ganzen Sprüche auch nicht mehr hören.
Gerade ist für einen die Welt zusammengebrochen, man weiß weder ein noch aus (auch, ohne ein Borderliner zu sein), doch es heißt nur - das Leben geht weiter, findest was Besseres, du kriegst dein Leben nicht auf die Reihe, etc. ... Ist ja vielleicht nett gemeint, aber wenig hilfreich.
Ich habe nur ganz wenige Freunde gehabt, die mich einfach nur aufgefangen haben, ohne auch nur einen einzigen Rat zu geben. Ich durfte einfach kommen und da sein, zu jeder Tageszeit.
Und ich bin froh, dass ich in dieser schweren Situation erfahren habe, wer mein Freund ist und wer nicht.
Manch einer hat sich gar vollkommen abgewendet, von dem man vorher dachte, er ist ja so anständig, so perfekt, macht alles richtig.
Dann gibt es noch die Sorte, die obwohl sie um dein Leid wissen, dich als erstes trotzdem volllabern und nur von sich reden, ganz am Ende heißt es dann - ja, das tut mir ja so leid für dich, naja, das Leben geht weiter! ...
Die, die es gar nicht gut mit dir meinen, geben dir für alles die Schuld. Hättest du dieses, oder jenes anders getan, wäre das nicht passiert...

Danke, Judith!

11.10.2015 17:03 • #23


Mona Lisa
Ich finde sowohl Judith wie auch Aalem haben richtige und wichtige Aspekte geäussert, die den Sinn und Unsinn solcher Forem in Augenschein nehmen.

In Forem, gerade wie diese, wo es um Schicksalschläge und Trennungen geht, wird vieles projieziert und subjektiv betrachtet, weil eigene Erfahrungen, jeden Menschen individuell formen und prägen.
Nicht für jeden Menschen in solchen Situationen, sind Foren zu empfehlen, gerade wenn sie sehr labil und unsicher wirken oder sind. Aber es gibt User, denen hilft der Ausstausch mit Betroffenen und sie sieben für sich die passenden Antworten heraus, mit denen sie sich identifizieren können und verstanden fühlen.
Natürlich gibt es hier auch viele schräge/blöde/unsinnige und unqualifizierte Antworten, aber wenn man stark und klug genug ist, weiß man damit umzugehen.

Wenn Foren, wie Trennungsschmerz, wegfallen würden, dann wäre die Trauer und die Einsamkeit vieler User vermutlich noch viel ausgeprägter oder größer, weil nicht jeder eine Familie, Freunde, ein stabiles Umfeld oder ein Therapeut, als Auffangstation hinter sich stehen hat.

Insofern finde ich, dass jeder selbst entscheiden sollte, ob es für ihn passend oder unpassend ist. Und wenn es sich falsch anfühlt, dann war es eben ein Versuch, eine Erfahrung, ein Mittel zum Zweck...

Übrigens fände ich es auch sehr angenehm, wenn Leute, die sich beruflich damit auseinandersetzen, ihr Fachwissen hier mit einbringen würden,um hilfesuchende Menschen eine Stütze zu sein.

Alles Liebe

11.10.2015 17:04 • x 1 #24


S
Den fachlichen Abstand wahren zu können, ist keine Gabe, sondern eine regelmäßig zu überprüfende Pflichtaufgabe des Psychologen/ Therapeuten, im Sinne der Qualitätssicherung seiner Arbeit und seiner Fürsorgepflicht gegenüber des Klienten. Eigene Erfahrungen erschweren i.d.R. den fachlichen Abstand allgemein und sind daher Kriterium, noch stärker und v.a. unter externer Kontrolle (z.B. durch Supervision) Sorge dafür zu tragen, dass die Professionalität im therapeutischen Handeln gewahrt ist.

Genau... Und wer's nicht schafft, hängt bestimmt sein Studium an Nagel und sucht sich nen anderen Job. Z.b. Beispiel bei McDonalds oder so.

Ich war Ende letzten Jahres zum ersten Mal beim Psychologen - war kacke.
Ich bin dann 2 Monate in stationäre Therapie - war total kacke.
Dann hab' ich' bei noch nem Psychofritzen versucht - vergebens.
So Tabletten wegen Nonadrenalin und Serotonin im Köpfchen wurden an mir auch 3Monate getestet - könnten aber auch Placebos gewesen sein...

Aber wenn man bei der 2. oder 3. Sitzung immer nich nix davon hören will was einem selbst gut tut, dann ist man ja selbst schuld. Natürlich super für so nen Psychologen - freu ich mir nen Bagger ans Bein über Kleinigkeiten wie er sagt, ist alles toll und er hat seine Arbeit super gemacht. Bringen mir seine Geistesblitze nicht umgehend Besserung, bin ich selbst schuld und so kann man ja gar nicht mit mir arbeiten. Frau an anderen Kerl verloren, Firma bei der Frau gelassen, kaum noch Kontakt zum eigenen Kind, 2 nahe Angehörige gestorben, alles in 1,5Jahren nacheinander - kein Thema, einfach alles positiv sehen, dann wird auch wieder alles positiv. Aber Bitteschön in nen paar Wochen.

Heute war hier ein wunderschöner Herbsttag. Ich war ein paar Stunden in nem tollen Park Sonne tanken, hab was leckeres gegessen. Und trotzdem war es traurig und einsam wie immer im letzten Jahr. Trotzdem ist es ein Tag voller Leid - nein, all der Mist kann einem kein Zuhause samt Familie ersetzen(ich hab' auch ne echt tolle Singlebude über den Dächern des Zentrums einer Grossstadt, das pure Leben direkt vor der Tür, kann ich mich trotzdem nicht drüber freuen).

ICH brauche keinen Psychofutzi mehr, der mir dann immer noch erzählen will, dass ich selbst schuld bin, wenn ich nicht umgehend erzähle dass der Tag im Park Heute herrlich für mich war...

11.10.2015 17:07 • x 3 #25


R
Ich glaube, das was hier so passiert ist nichts anderes, was nicht auch unter Freundinnen am Abend beim Italiener geschehen würde...

Anteilnahme/Zuhören...
Nicht alleine sein....
Sehen, andere haben das gleiche Problem...
Sich verstanden fühlen...
Hier und da sicherlich auch eine Anregung mitnehmen....

Und das ganze unter dem Deckmäntelchen der Anonymität....
Und wenn es einem nicht passt, muss man ja nicht weiterlesen.

Also für mich erfüllt das Forum voll seinen Zweck. Schön, daß es dies gibt!

11.10.2015 17:20 • x 2 #26


D
Mir bereitet dieser Thread großes Unbehagen. Da wird einerseits richtige Kritik an Ratgebern geübt. Diese ratgeber werden jedoch derart allgemein genannt: Hobbypsychologen, so dass sich entweder jeder, oder niemand dazu zählen muss. Und das von einem Profi, das stört mich sehr.

Ich selbst bin auf dieses Forum aufmerksam geworden, als ich mal wieder ganz unten war und nur Tante Google zur Verfügung stand. Es geht mir wieder etwas besser, kann nicht mal sagen, weshalb. Aber das Forum gehört unbedingt dazu.

Und ja, es stimmt, es gibt immer mal wieder grenzwertige Angriffe auf TE's, die ich mir z. T. nicht erklären kann. Habe dies z. B. bei @onixe auch direkt angesprochen im Forum.

Ratschläge, Hilfestellungen, Anweisungen sind eh so eine Sache. Ich halte mich davon fern, wenn ich das in meinen Beiträgen bemerke. Gelingen tuts halt nicht immer.

Für mich steht der Leidensdruck des TE im Vordergrund. Dies war auch mein Grund, hier zu Lesen und zu Schreiben. Und da ist es wichtig, dass eine Antwort kommt. Eine, die ......ja, was schreibe ich jetzt?
Das Gefühl, nicht allein zu stehen ist für den TE sehr wichtig in diesem Forum. Therapie ist hier nicht zu leisten, das anzunehmen wäre absurd.

Meine eigene Erfahrung mit Profis ist eher weniger gut. Was wird nicht alles angeboten. Angefangen von: Wir haben da was... bis hin zu .....ach ihr könnt das selbst nachschlagen.

Doch, es gibt viele nette und freundliche und auch kompetente Therapeuten. Aber wie kommt man an so jemanden? Die sind im Netz. Oder belegt.
Und ja, man hat Anspruch auf eine Behandlung. Auch da empfehle ich den Thread von @ onixe, Umarme deinen Feind.....

Und ich selbst trug mich mal mit der Absicht, Therapeut zu werden. Ich habe es relativ schnell gesteckt, weil ich merkte, es gibt nur einen Fall, meinen. Soviel zur Professionalität.

Und das muss ich doch nochmal sichtbar machen,

Zitat Judith: Dort herrscht eine fachliche Distanz, und diese ist sehr wohl eine Gabe. Hat jemand diese Gabe nicht, kann er noch so viel tun, er wird sie sich nicht aneigen können.
So wie das da steht ist es nur eines: reaktionär.
Das ist Herrschaftswissen, das kann sich eben niemand aneignen, das ist angeboren. Um Missverständnisse vorzubeugen: Ich gehe nicht davon aus, dass jeder alles lernen kann. Nicht jeder ist wahlweise Einstein, Beethoven, Obama oder all das zugleich. Und nicht nur, weil es auch mich und Putin geben muss. Sonst heben sich die anderen nicht ab. Es gibt eine Reihe von Gründen, die jemanden gewisse Fähigkeiten erlernen lassen oder dies verschliessen. Und die Theorie, die dies mit den Genen erklärt, die kann ich auch nicht anerkennen, obwohl unsere genetische Ausstattung bestimmt einen Einfluss darauf hat. Es hat nicht nur mit den gesellschaftlichen Normen zu tun. Die gesellschaftliche materielle Realität trägt nicht minder dazu bei. Erinnert sei hier an das Phänomen strukturelle Gewalt. Wer bekommt weshalb welche Anteile am Sozialprodukt zugeteilt, und von wem. Im Thread: Wieder alles auf Anfang steht was darüber. Und wie es das Leid der TE zu einem fast aussichtslosen Ungetüm macht, das sie zu verschlingen droht. Und Hilfe? Ich habe keine Ahnung.

Als ich vor langer Zeit ganz unten war, habe alles verloren, da waren ein Haufen Leute da, denen ging es ebenfalls schlecht, weshalb die auch da waren. Und die haben eine Menge Zeugs abgelassen. Und das hat mir nicht wirklich geholfen. Aber dass die da waren, dass die mich anhörten, annahmen, helfen wollten, hat mir insoweit genutzt, dass ich wenigstens weiterkriechen konnte.

Und hier meinen Sermon ablassen kann.

der alte

11.10.2015 17:29 • x 1 #27


F
Ich schließe mich dem von Ragazza geschriebenen voll und ganz an. Ich hatte mich vor gut 2 Jahren hier angemeldet weil ich in derselben Situation steckte wie so viele, war am Ende, wusste nicht wie's weitergeht. Ich hatte nicht erwartert dass mir jemand meine Ex zurückholt oder sonst meine Probleme löst. Einfach nur lesen, seinen Kummer von der Seele schreiben, Anteilnahme der Mitleser, der eine oder andere Schulterklopfer, der eine oder andere Rat. Ich dachte über vieles nach, und vieles was ich hier gelesen habe hat mich erst zum Nachdenken und auch zum Verstehen gebracht. Ich muss danke sagen an den einen oder anderen Hobby-Psychologen .

11.10.2015 17:38 • x 1 #28


P
@Baba

Nein, Leonards Mutter bin ich nicht, sorry, professionelle Distanz ist m.A.n. auch nicht gleichbedeutend mit Empathielosigkeit. Für diejenigen, die das anders sehen, vielleicht folgender Denkansatz hierzu:

Wenn mich das Problem eines Klienten derart persönlich erzürnt, dass es in mir den Wunsch hervorruft, es persönlich richtigzustellen und einen Gesellschaftsumsturz anzustreben - bin ich dann mit meiner vollen Aufmerksamkeit, meiner vollen Unterstützung, meiner vollen Empathie bei meinem Klienten und dessen Problem, wegen dem er mich aufsuchte? Oder bin ich dann nicht doch eher bei mir und dem, was ICH mir wünsche?

Wenn ich so wenig Distanz zu mir und meiner eigenen Hilflosigkeit habe, dass ich, wie es im Fall von Sick geschehen sein mag, alles am Klienten ignoriere, was mich hilflos machen könnte und ihm stattdessen mit Plattitüden komme, er möge doch positiv denken, wo bin ich dann mit meiner Aufmerksamkeit? Bei mir oder bei ihm?

Therapeutischer Abstand heißt in erster Linie, sich darüber bewusst zu sein, dass es der Klient verdient hat und es unsere Aufgabe ist, mit aller Aufmerksamkeit bei ihm zu sein. Man kann einen anderen Menschen schlecht da abholen, wo er steht, wenn ich lediglich meinen Blick darauf lege, wo ich stehe und was ich mir wünsche, denn das versperrt mir den Blick für dessen eigenen Standpunkt.

11.10.2015 17:39 • x 1 #29


R
Genauso ist es. Ein bißchen Unterstützung um weiterkriechen zu können.

Alles andere liegt bei einem selber. Dem Einen reicht das Netz hier, der Andere bekommt ne Anregung und sucht einfach solange weiter, bis er seinen Therapeuten gefunden hat. Jeder, wie er will. Aber es gibt einfach hier Buchstabenfreunde (Danke Liva für die Wortkreativität), die da sind. Das ist oft in der großen Not schon sehr sehr viel.
Danke.

11.10.2015 17:41 • #30


A


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