Hallo liebe Foristen,
ich wäre eigentlich nie auf die Idee gekommen, so etwas in einem Forum zu schreiben aber ich vermute, ich muss es tun, um nicht völlig wahnsinnig zu werden, während ich hier sitze und einfach nur warte. Ich bin seit 6 Jahren verheiratet. Meine Liebesgeschichte empfand ich als märchenhaft: Ich wuchs in den USA auf und bekam in der Schule eine deutsche Brieffreundin. Wir entwickelten eine enge Freundschaft durchs Schreiben und begannen zu merken, dass wir die Seele des anderen wirklich liebten. Wir tauschten Photos aus. Ich besuchte sie dann irgendwann in Deutschland und wir waren völlig zerrissen, als ich mich am Flughafen von ihr verabschieden musste. Ich wollte nur noch aus Amerika raus, ich arbeitete, zog meinen Schulabschluss vor und wanderte nach Deutschland aus. Wir heirateten, damit niemand mehr uns trennen konnte.
Wir kommen beide aus schrecklichen Elternhäusern: Mein Vater beging 2011 Selbstmord nach einem ganzen Leben voller Alk. und Zwangsneurosen (Händewaschen in fünfminütigen Perioden, er konnte mich nicht anfassen, er hatte zahllose panische Phobien vor normalen Gegenständen) . Ihre Eltern vernachlässigten sie. Ihre Eltern ließen sich scheiden, ihr Vater behandelte die Kinder eher, als wären sie nur störend. Er gab ihnen alles nötig Materielle aber emotional konnte er nicht. Ihre Mutter holte Männer ins Haus, die sie vor den Kindern herumschlugen und Dro. nahmen. Überall wurden persönliche Grenzen überschritten und die Kinder wurden schon zu Erwachsenen verformt. Irgendwann stellte meine Frau auch fest, dass ihr Onkel väterlicherseits sie s.uell missbraucht hatte. Wir wohnten in einem Familienwohnhaus zusammen und dieser Onkel wohnte direkt über uns. Sie musste da weg. Ihr Onkel gestand der Familie alles, als meine Frau ihn darauf ansprach, aber er wollte uns nicht finanziell beim Umzug unterstützen. Wir verbrieten unsere Ersparnisse, zahlten drei Mieten gleichzeitig: Sie wollte in die Stadt, um näher an der Uni zu sein, ich wollte in der Umgebung bleiben, wo Schule und Arbeit waren. Wir beschlossen, getrennt zu wohnen, bis ich die Schule fertig hatte. Wir hielten es manchmal kaum aus, saßen nur noch zusammen, bekamen keine wirkliche Hilfe, Anrufe oder Unterstützung von der Familie und versuchten uns gegenseitig zu trösten, was aber irgendwann nicht mehr möglich war, weil jeder für sich selbst einfach überlastet und traumatisiert war. Wir gerieten oft aneinander, ich wollte mehr Ruhe und Abstand. Ich arbeitete häufig von 8 bis 17 Uhr für eine Zeitarbeitsfirma im Büro, wurde dort regelmäßig gemobbt und angeschrien und ging von 18 bis 22 Uhr auf die Abendschule. Ich schlief im Durchschnitt 3 bis 4 Stunden, wenns gut lief. Ich schaffte die Schule mit 1,0. Womöglich musste ich mir irgendwie beweisen, dass ich in wenigstens einer Sache nicht völlig ohnmächtig war. Meine Frau hatte irgendwann Streit mit der Mitbewohnerin der WG, in der sie damals war. Am Ende hatte die Mitbewohnerin und ihre Untermieterin meine Frau so zusammengemobbt, dass sie psychisch am Ende war. Sie wollte schnellstmöglich raus und suchte eine gemeinsame Wohnung für uns aus. Das hatte mich eigentlich geärgert, weil ich in der Zeit fürs Abitur lernte und hätte mich gerne daran beteiligt, weil ich immerhin auch dort wohnen würde. Ich nahm es aber auch irgendwie hin, wollte ich doch, dass sie schnell da raus konnte. Am Ende redete ihre ehemalige Mitbewohnerin dem Vermieter ein, meine Frau hätte Sachschäden hinterlassen und jetzt muss sie ihre Kaution zurückklagen. Auch die Maklerprovision musste sie zurückklagen, weil sie zu Unrecht behoben wurde: Der Vermieter besitzt auch die Maklerfirma.
Wir zogen schließlich in der Stadt dann zusammen. Ich begann auch zu studieren. Meine Frau war schon in einem späteren Semester, weil sie kurz nach unsrer Heirat schon ihr Abitur gemacht hatte. Sie zeigte ihren Onkel an, ging zum Weißen Ring und bekam einen Anwalt. Der Prozess steht im Februar bevor. Meine Frau erträgt häufig keine Ruhe, sie wird im Kopf von endlosen Gedanken- und Bilderketten heimgesucht, sie verharrt manchmal in einem zwanghaften Zergrübeln der Probleme und Auseinandersetzungen, die anstehen, kommt damit aber nirgendwohin und fängt an zu verzweifeln. Sie beginnt dann nur noch gewisse Sätze zu wiederholen und zu weinen: Ich will einfach nur mein Geld wiederhaben! (wenn sie nicht aufhören kann, an die Kautionsklage zu denken). Sie kann oft nicht loslassen. Sie hat dazu starke Verlustängste, ist manchmal so anhänglich, dass es einem wehtut. Als Kind hatte ihr niemand Liebe gegeben, sie scheint völlig bodenlos zu sein und hat kein Urvertrauen. Sie kommt sich nur noch wie eine Last vor. Sie hat mich oft verbal sehr schlecht behandelt, vermutlich weil sie sich diese Art der Kommunikation schon in der Kindheit als Selbstschutz zulegen musste. Ich hingegen bin sehr sensibel, wurde von einer sehr sensiblen und auf Gefühle achtenden Mutter erzogen, also war ich umso mehr empfindlich und verletzt, wenn sie bei Annäherungsversuchen meinerseits nach mir ausholte, während ich ihr Blößen gab.
Ich habe versucht, für die anstehenden Klausuren meines Studiums zu lernen, aber sie konnte einige Wochen lang nachts nicht einschlafen, wollte, dass ich ihr Märchen vorlese und sie ins Bett bringe. Das habe ich eigentlich immer gemacht, nur kommt es mir aufeinmal krankhaft vor. Ich fühle mich, als würde ich in die Rolle einer Vaterfigur gedrängt, die sie sich irgendwie durch mich besorgen will/muss. Am Anfang hatte ich noch Geduld, ich konnte sie noch trösten, aber als es kein Ende nahm und ich häufig übermüdet und gestresst aufstehen musste, begann ich nach Möglichkeiten zu suchen, innerlich und äußerlich Abstand zu halten, wenn sie solche Anfälle hatte. Ich spürte, wie es mich mitnahm und mich allmählich zermürbte. Ich bin auch sehr co-abhängig, sodass ich auf mich auch gar nicht mehr selbst achte und sehr darunter leide. Hinterher merke ich, dass ich für mich wichtige Aufgaben vernachlässigt habe und werde dann traurig und frustriert. Das merkt sie wiederum und fängt an, sich Vorwürfe zu machen, zu sagen, dass sie nur noch eine Last ist und alle stets von sich stößt, alles nur noch kaputt macht, mein Leben kaputt macht. Es ist wie eine unaufhörliche Spirale.
Sie behauptet dann plötzlich, niemand würde mir Ruhe und Zeit für mein Studium vorenthalte, dass ich mir diese Dinge einfach nicht gönne. Warum ich das tun sollte, hat sie noch nie erklärt. Wenn ich versuche, ihr klarzumachen, dass ich besorgt bin, weil sie keine Ruhe erträgt und an Gedanken leidet, dann dreht sie häufig den Spieß um und sagt, ich hätte eigentlich das Problem, weil ich damit nicht klarkomme, dass sie z.B. Weinkrämpfe hat, während denen sie unansprechbar ist und nicht reagiert oder sich hinsetzt, den Nacken mit den Händen bedeckt und schreit. Dabei merke ich, wie sehr diese Verhaltensmuster mich retraumatisieren, denn ich habe ähnliches schon in meiner Kindheit erlebt: Ich sehnte mich als Kind so sehr nach einem Zuhause, indem ich einfach ausspannen, ein Buch lesen und mich mit etwas beschäftigen konnte, aber mein Vater saß im Wohnzimmer, besoffen wie ein Zombie oder geriet in Hysterie bei Erinnerungen an seine Vergewaltigung und schrie das ganze Haus zusammen. Eines Tages wäre er fast drauf gegangen, als er sich die Adern aufschlitzte. Ich fand ihn im blutbespritzten Badezimmer und konnte mit meiner schreienden Mutter gerade noch rechtzeitig den Krankenwagen rufen.
Ich bin so emotional erschöpft und ertrage es alles nicht mehr. Ich sehne mich nach einem Rhythmus, einer berechenbaren Regelmäßigkeit, nach dem Wissen, dass zu Hause Ruhe und Frieden für Lesen, Entdecken und Kreativität da ist. Meine Frau sagt, es läge an mir, das zu schaffen und mich irgendwie von ihr zu distanzieren, wenn sie ihre Anfälle hat aber ich fühle mich durch solche Abweisungen verletzt, weil ich den Eindruck habe, ich wäre verrückt oder hätte allein das Problem. Ich beginne, den Sinn unsrer Beziehung zu bezweifeln, ich beginne sie nur noch als Belastung zu empfinden. Ich atme tief ein, bevor ich die Wohnung betrete und weiß nie, ob ich zu meiner Uni-Arbeit komme oder nicht, ob ich Schlaf finde oder nicht. Ich möchte ihr das nicht vorwerfen, aber es ist einfach keine stabile, sichere Zuflucht mehr. Die Welt erscheint mir als riesiger Zwinger, in dem man nur noch überall hingehetzt wird, aber nirgends ist ein sicheres Bett, in das man sich verkriechen kann.
Als sie vorgestern geweint und wiederholt hat, dass sie für mich keine Last sein wollte, fiel es mir schwer, mit ihr zu reden. Sie hatte sich auf der Couch zusammengekauert und ich kam mir vor wie der Erwachsene und sie wie das verlorene Kind. Wenn ich mich ihr nähere oder eine Blöße gebe, dann kommt sie mit spitzen Bemerkungen oder verletzenden Worten, sodass ich langsam abgestumpft und verhärtet bin. Ich empfand Mitleid aber ich hatte Angst, es zu zeigen, weil ich befürchtete, ausgenutzt zu werden. Ich war enttäuscht, weil ich auf eine Stipendiumfeier eingeladen war, ich freute mich darauf, mit einem Freund einfach nur da zu essen und auf einmal war mir klar, dass ich den Abend würde nicht genießen können, weil ich im Hinterkopf wüsste, was mich zu Hause erwartete. Ich verwarf den Besuch der Feier. Ich war zerknirscht und fühlte mich gefangen in einem Wirbel aus nie endend wollenden Krisen und Chaoszuständen. Ich bin gegangen, ich habe einen Koffer gepackt und bin zwei Nächte in einem Hotel geblieben. Ich bin jetzt wieder zu Hause aber sie ist nicht da. Sie ist irgendwohin gegangen. Ich kontrolliere kaum meinen Körper: Er zittert und zuckt, vor allem in den Oberschenkeln und um die Bauchgegend. Wenn ich atme, dann höre ich, wie mein ganzer Körper sich zusammenzieht und sich schüttelt. Ich kann kaum essen, ich bekomme es einfach nicht runter. Seit vorgestern habe ich eine Brotscheibe und eine Schüssel Reis gegessen, alles andere wird abgelehnt und kommt wieder hoch. Ich würge ab und zu, renne zum Klo aber es kommt nichts. Ich würge und würge. Ich habe mich noch nie so gefühlt. Meine Mutter, die einzige, mit der ich eigentlich auf meiner Seite noch zu tun habe, unterstützt mich so gut sie kann. Aber sie ist auf der anderen Seite des Atlantiks. Ich habe keine nahen Freunde. Die einzigen, die ich habe, hatte ich mit meiner Frau gemeinsam und die sind ihr zu Hilfe geeilt, als ich gegangen bin. Sie schlossen die Küchentür und es war mir klar, dass mit mir nichts zu tun haben wollten, sondern sich ganz meiner Frau widmeten. Ich vermute, ich bin unter ihnen der Böse oder der Verrückte. Ich fühle mich so allein und habe diese Panikanfälle, die ich noch nie gekannt habe. Ich weiß einfach gar nicht mehr, wo ich stehe, wo die Erde ist.
Meine Frau will nicht mehr mit mir reden, bis ich einen Termin bei Profamilia gemacht habe. Ich wäre sogar bereit, darauf einzugehen. Ich befürchte nur, weil sie unbewusst so manipulativ sein und die Zusammenhänge so verdrehen kann (wahrscheinlich hat sie das als Überlebensmechanismus in ihrer Kindheit lernen müssen), dass das ihr nur noch als Bußgang dienen soll. Es kommt mir vor, als sollte ich zurückgekrochen kommen, obwohl ich mich nur versuche, um meine Stabilität und geistige Gesundheit zu sorgen. Sie hatte geschrieben, wenn ich noch Interesse an der Beziehung habe, dann sollte ich das zeigen. Ich hatte sie angeschrieben, als sie mal kurz online aufgetaucht ist, habe gefragt wie es ihr geht und sie hat nur gefragt ob ich spinne und ob das mein Ernst sein soll. Es fällt ihr so schwer, sanft und einfühlsam zu sein. Ihre Worte sind häufig grob, verletztend und plump. Sie hat mir ständig geschrieben, ich solle aufhören, mit ihr online zu kommunzieren, hat aber dann immer wieder selbst lange Absätze geschrieben...Als ich antworten wollte, meldete sie sich ab.
Ich bin so enttäuscht von dieser Beziehung. Wir haben uns sogar gesagt, dass wenn es (für den Fall) so weit sein sollte, dass einer von uns womöglich gehen muss, um einen für ihn gesunden Schritt zu tun, dass wir das dann auch so erwachsen und respektvoll wie möglich handhaben. Sie wirkt aber sehr verbittert und hasserfüllt auf mich und das macht es alles nur noch schlimmer.
Ich weiß nicht so genau, wie der Stand jetzt ist. Wenn ich mir die Beziehung vor Augen halte, dann fühle ich eine große Enttäuschung. Alles scheint mir in Trümmern zu liegen und meine Frau kommt mir vor wie eine ganz andere, zu der ich mich auch nicht mehr so häufig angezogen fühle. Ich will alles andere als arrogant sein, wenn ich sage, dass ich häufig den Eindruck habe, in der Rolle des Erwachsenen zu stecken und sie in der Rolle des Kindes. Wenn ich während eines Streits rausmuss, um den Kopf frei zu bekommen, schreit sie Geh nicht!, um dann aber hinterher mich auszusperren, indem sie den Schlüssel ins Schloss schiebt. Wenn sie mir sagt, dass sie nach einem Streit traurig ist und ich mich ihr nähere und versuche, einfühlsam und liebevoll zu sein, kann sie aufbrausen und zustechen.
Sie ist für mich wie eine gute Freundin geworden, die schwerwiegende Probleme hat, die ich sehr liebe, aber in deren Umfeld es oft schwierig für mich ist, Frieden zu finden. Ich möchte aber auch so sehr, dass wir irgendeine Lösung finden, dass wir das Leben genießen und dass jeder seinen Leidenschaften nachgehen, seine Zeit so einteilen kann, dass es gut für ihn ist, ohne dass jemand sich gleich einsam oder vernachlässigt fühlt. Das ist aber nicht das erste Mal, dass ich eine Trennung in Erwägung gezogen habe und frage mich, ob sich gewisse Dinge jemals bessern werden oder ob ich mir das nur einrede, weil ich so traurig und enttäuscht bin, dass ich lieber verblendet bleibe. Ich höre eine Stimme, die ständig hoffnungsvoll sagt, dass sich alles bestimmt nach dem Prozess bessern wird, aber es gab schon in der Vergangenheit viel Streit, Suiziddrohungen, verrückte Nachmittage und Abende der Traumatisierung. Ich glaube, es fällt mir so schwer, eine etwaige Trennung zu ertragen, weil die Beziehung so lange das Zentrum meines Lebens war. Sie war mein Lebenselixier, als ich meine Familie nicht mehr ausgehalten und die große Liebe wie im Märchen gefunden habe. Und jetzt stelle ich völlig verstört fest, dass dieselbe Beziehung mich nur noch leer und erschöpft zurücklässt.
Ich habe jetzt so viel geschrieben. Ich kann nicht erwarten, dass jeder sich so viel durchliest. Ich vermute, ich musste es irgendwie gerade loswerden, um einfach nicht die Fassung zu verlieren. Danke an alle, die es lesen und in Gedanken bei mir sein möchten. Wenigstens so fühle ich mich nicht ganz so einsam. Falls jemand auch Vorschläge für Maßnahmen gegen Panickattacken und Würgen, wäre ich sehr dankbar. Ich wünsche allen einfach Ruhe und Kraft. Sie sind so wichtig.
01.02.2015 00:11 •
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