Oh man du, am liebsten würde ich jetzt ein B. mit dir trinken gehen
Ich bin bestimmt deutlich jünger als du. Ich bin 26, habe weder Familie, Kinder, Haus noch sonst was in der Art. Aber ich meine zu glauben ich kann Menschen ganz gut interpretieren, auch wenn ich sie gar nicht wirklich kenne. Zudem bin ich selbst Scheidungskind gewesen, vielleicht kann ich mich daher in die Situation hineinversetzen. Also vielleicht mal was aus der Sicht eines Scheidungskindes (villt hilft dir das):
Ich war 13 als das Trennungsjahr begann. Also so alt wie dein älteres Kind ungefähr. Ja, es war schlimm und ich habe viel geweint. Ich wollte nicht das Papa auszieht. Warum soll man auch lügen - erstmal ist es für das Kind hart, vor allem wenn es eben in einem Alter ist, in dem es alles vollkommen wahrnehmen kann. So wie bei deinen. Die Scheidung war auch schlimm, weil sie 3 Jahre dauerte und meine Mama eben eine war, die nie Ruhe gegeben hat. Hinzu kam noch, dass sich Familie eingemischt hat, wodurch sich alles hochgeschaukelt hat. Es gab tausend Gerichtsverhandlungen und als die Richter am Amtgericht nicht mehr ein noch aus wussten, hatten sie uns ans Oberlandesgericht geschickt. Und da saß ich heulend vor drei Richterinnen und wurde auch befragt. Mein Papa war so, wie ich dich einschätze. Zu allem Ja und Amen sagen, alles hinnehmen, hauptsache es hat bald ein Ende und das Kind kann zur Ruhe kommen. Das nur zum Hintergrund. Ich will dir keine Angst machen. Das war ein Extremfall, weil meine Mama generell eben jemand ist, die immer das letzte Wort haben muss und sich immer im Recht sieht. Man kann sowas auch normal lösen und ich denke, wenn sich beide erwachsen verhalten und an die Kinder denken, passiert sowas, wie wir es hatten nicht. Eigentlich ist ja eine Scheidung ein kurzer Prozess, wenn das Trennungsjahr mal rum ist. Grundsätzlich sage ich immer, eine Scheidung ist nicht das Schlimme für Kinder. Es ist die Art und Weise, wie es eventuell abläuft. Nachdem bei uns Ruhe einkehrte (und heute sind meine Eltern übrigens die besten Freunde und wirklich alle verstehen sich wieder und können auch wieder fröhlich zusammensitzen), fing ich langsam an zu merken, dass es gut so ist, wie es ist. Und ich sage auch heute noch, dass mir nichts besseres passieren konnte, als dass die beiden sich trennen. Wirklich, es war für mich und meine Entwicklung besser so. Ich wusste immer, dass meine Eltern nicht zusammenpassen und sich scheiden lassen. Wenn man kein Scheidungskind ist, klingt das jetzt vielleicht verrückt. Aber ich wusste es selbst als kleines Grundschulkind schon, als ich noch nicht mal ne Ahnung hatte, was eine Scheidung wirklich ist. Ich habe es einfach immer gespürt. Und ich bin 100% überzeugt, dass es da wohl den meisten betroffenen Kindern so geht. Und sowas ist nicht schön. Ich wollte jahrelang morgens nicht in den Kindergarten oder die Schule, weil ich Angst hatte zu Hause was zu verpassen. Bin jeden morgen mit Bauchweh aufgewacht. Und nachmittags wollte ich nicht nach Hause, weil ich Angst davor hatte, wie die Stimmung zwischen Mama und Papa ist. Nach der Scheidung hat das alles aufgehört.
Was ich dir sagen will. Kinder leiden manchmal mehr, wenn die Eltern noch zusammen sind, als wenn sie getrennt sind und sich hoffentlich besser verstehen als zuvor. Du als Erwachsener kannst das nur nicht verstehen, weil du eben kein Kind bist. Du siehst deine Kinder lachen und sich des Lebens erfreuen, aber was das kleine Bauchgefühl sagt, kannst du nicht wissen, weil dein Kind es ja selbst nicht in Worte fassen und dir erklären kann. Ich verstehe natürlich, dass du deinen Kindern eine Familie ermöglichen wolltest. Bzw eine klassische Familie. Und grundsätzlich ist das auch das allerbeste und richtige für Kinder. Aber eben nicht, wenn ein starkes Ungleichgewicht herrscht und die Eltern nicht glücklich sind.
Mach dir da bitte keine Vorwürfe. Deinen Kindern geht es so wirklich nicht zwangsläufig schlechter. Wichtig ist eben, dass die Scheidung friedlich und anständig abläuft. Und dann geht sie auch schnell über die Bühne und wird deinen Kindern deutlich weniger wehtun. Und dass du deine Kinder immer sehen kannst, wann du willst, spricht ja schonmal dafür, dass deine Frau villt keinen allzu großen Ärger machen wird. So war es bei uns letzten Endes dann auch. Ich konnte zu Papa wann immer ich wollte und in den Urlaub wann immer ich wollte. Ich war jedes Wochenende und 1-2 Mal unter der Woche bei ihm. Feste Zeiten gab es nie, war alles ganz flexibel.
Und auch die Sache mit deinem Ego ist natürlich verständlich. Wobei es vielleicht mehr das Herz, als das Ego ist. Eine glückliche zufrieden Familie wünschen sich ja die meisten im Leben. Und ich denke es gibt auch nichts schöneres, wenn man das hat. Aber erzwingen bringt keinem was und macht nur unglücklich. Und du hast keine Schuld, dass du vielleicht nicht richtig geliebt wurdest. So blöd es jetzt klingt, aber vielleicht bist du einfach an die falsche Frau geraten. Das kann jedem passieren. Und ich verspreche dir, die Mehrheit aller Frauen wissen anständige Männer wie dich zu schätzen und nützen das nicht aus. Du darfst da jetzt keine Abwehrhaltung gegenüber Frauen entwickeln. Wir sind nicht alle gleich. Wie gesagt, die Mehrheit will Männer wie dich, die einfach lieb und nett sind. Aber ich weiß, was erzählt wird...dass man zu Frauen manchmal A. sein muss. Das ist definitiv nicht so.
Mach das wirklich, mit deinem Privatleben. Arbeite dran. Und such dir vielleicht wirklich ein neues Hobby, wo du neue Leute triffst. Ich denke, das würde dir sehr helfen. Nur von Arbeit allein wird man nicht glücklich, wie du ja selbst merkst. Und für die schweren Tage gibt es ja hier dieses Forum. Oder deine wenigen, aber bestimmt sehr guten Freunde.
20.06.2019 22:03 •
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