Lieber @BerndOtto
Wie schön von Dir zu lesen. Ich habe neulich mal kurz an Dich gedacht, als ich nämlich festgestellt habe, daß im Schwedischen die Patchwork-Familie, eine Bonus-Familie ist. Was für ein großartiger Ausdruck. Ich sammle Worte, ist ein Hobby von mir. Aber auch ein schöner Ausdruck für Dich, ein langfristiges Ziel sozusagen.
Zitat von BerndOtto:Ich solle mir doch eine Zweitfrau suchen, gerne mehr Kinder bekommen und ie könne selbst die gutbezahlte Nebenfrau bleiben (da hatte sie schon selbst zwei Lover am Start, von denen ich nichts wusste).
Spannend oder? Der Klassiker des have the cake and eat it too, natürlich schmerzhaft für jemanden, der anderes will und auch so entwertend.
Ist Dir aber aufgefallen, daß es in diesem Satz einen ganz grauenhaften, fatalen Moment gibt?
Gerne mehr Kinder bekommen Dir gegenüber natürlich eine vermeintliche Großzügigkeit, bei welcher es mich beim Lesen fröstelte. Das schlimmste aber ist, daß die Jungs da überhaupt nicht vorkommen.
Aus Kinderperspektive ist es wirklich unendlich schlimm, wenn sich die Eltern trennen und lange Zeit möchten Kinder auch noch später, daß ihre Eltern wieder zusammenfinden. Deshalb ist für Kinder, wenn Mama oder Papa eine andere Familie gründen, nicht nur Manifestation dessen, daß ihr Traum unwiederbringlich verloren gegangen ist und vor allem beschäftigt die Kinderseele auch, ob sie nicht einfach ersetzt werden.
Dies Aussage Deiner Ex hinsichtlich einer oder mehrerer Frauen für Dich war geschmacklos. Der Halbsatz aber über weitere Kinder offenbart ein völliges Fehlen der Kinderperspektive im Gewand vermeintlich aufgeklärter Großzügigkeit Dir gegenüber, daß ich ehrlich echt schlucken mußte.
Womit wir ja zurück zum Thema kommen:
Zitat von BerndOtto:Insbesondere seitdem 2010 unser ersten Sohn geboren wurde, war diese Agressivität da. Schon als er 1-2 Jahre alt war, konnte sie ausflippen, weil er sich nicht so verhielt wie sie wollte - dass Kinder eben Kinder sind und nicht immer nach ihrer Pfeife tanzen, oder einfach nicht erwachsen reagieren, war nicht in ihrem Erfahrungsbereich.
Zitat von BerndOtto:Und ja, als die Jungs vor drei Wochen zu mir kommen, erzählt der Älteste sofort als er bei mir am Tisch sitzt, dass Mama eine Sache, die ihm gehört kaputt gemacht hat, weil er in einer Situation nicht sofort spurte
Ich habe mich mal eine zeitlang mit der Entstehung von Aggression auseinandergesetzt. Dabei fand ich für mich Joachim Bauer Schmerzgrenzen extrem hilfreich. Eine Kombination aus neurologischen und verhaltenspsychologischen Aspekten, die darlegen, daß Aggression eben kein Instinkt ist, sondern Reaktion auf vorhergehende Kränkung darstellt. Mir hat das Buch getaugt, weil es verständlich aber mit Wissenschaftsbezug geschrieben ist, damit unterlässt es im Gegensatz zu manchen Shanti-Shanti Selbsthilfebüchern diese etwas penetrante Sie schaffen das Mentalität bzw erspart einem auch lustige Übungen.
Zudem hilft es bei der Ent-Emotionalsierung, die nicht mit Marginalisierung zu verwechseln ist. Ein Unterschied auf den ich gern gleich noch einmal zurückkommen würde.
Deine Frau hat also nicht nur ihre Aggression durchaus mal bemerkt sondern wie im aktuellen Beispiel, ist nach wie vor nicht in der Lage, Kinderverhalten von (alter oder getriggerter) Kränkung zu unterscheiden. Spannend ist, daß Frauen tendenziell (!) eher neben Aggression gegen Kleinere, weniger Starke, vor allem auch mit Selbstaggression reagieren, demgegenüber Männer tendenziell das klassische Duell suchen.
Vielleicht also, ist das Versenken des Eheschiffs weniger Akt gegen Dich, sondern womöglich Akt gegen sich selbst. Insbesondere dann, wenn die Abgrenzung zwischen ihrem Ich und eurem Wir eine diffuse, verquere ist. Wenn das mehr als Einheit also damit als ihre Identität von ihr wahrgenommen wurde, verschwimmen den Grenzen zwischen Autoaggression und Aggression womöglich.
Wäre auch ein mögliches Erklärungsmuster für dieses Konglomerat an schrägen Stilelementen.
An dieser Stelle würde ich gern noch einmal auf Ent-Emotionalsierung versus Marginalsierung von Aggression zurückkommen. Immer noch häufig anzutreffen ist das Gegenteil. Aggression wird absolut emotionalisiert, in und von beiden Richtungen, also Aggressor und Aggressee (sorry ich greife jetzt mal auf Anlehnungen zurück in der Wortschöpfung).bei gleichzeitiger Bagettelisierung.
Man denke an: Weil ich dich liebe, bist du der einzige, der es schafft, mich so zur Weißglut zu bringen. Sub-Text für den Aggressee ich werde geliebt, damit kann die Weißglut nicht so schlimm sein.
Bei genauer Betrachtung wäre aber mE das Gegenteil deutlich zielführender. Deine Weißglut ist offensichtlich Ausdruck von Hilflosigkeit, welche Hilfe brauchst Du, überlege bitte, denn die Weißglut (nicht Du) ist inakzeptabel.
Was mich zu einem letzten Punkt bringt. Aus verschiedenen Gründen wird Aggression insbesondere durch Frauen deutlich mehr in Familienkonstrukten marginalisiert als männliche Aggression. Die 50er Jahre Ehefrau, die einen Nervenzusammenbruch nach dem anderen vor ihrem Mann bekommen hat, darf sich zurück ziehen und es wird trotzdem nicht gefragt, was eigentlich während der Abwesenheit der Männer mit den Kindern gemacht wird.
Wenn Du als baldiger Ex-Ehemann ein Spielzeug Deines Sohnes kaputt machst, reagieren insbesondere bei Anzeige die zuständigen Stellen recht schnell. Das ist umgekehrt anders.
Womit wir bei Dir sind. Ich bin mir sicher, daß Deine Frau eure Söhne liebt. Nochmal, ich plädiere für eine Ent-Emotionalisierung ihrer möglichen Aggression, aber ich würde gern den Blick darauf lenken, daß Männer und insbesondere Väter in nunmehr Erwachsenenalter und zu völler Stärke gereift, manchmal einen recht getrübten Blick auf das aggressive weibliche Verhalten haben.
Einfache Überprüfungsfrage: Hätte Next, als Mann körperlich überlegen, nicht als Idiot, der jetzt halt am Start ist, das Spielzeug (oder was es auch war) Deines Sohnes kaputt gemacht bei gleicher Ausgangssituation und -lage, wäre Deine Reaktion die gleiche?
Falls nicht, kurz noch mal das eigene Ego überprüfen. Ego ist ja immer auch so ein Ding, dann noch mal gleiche Frage stellen.
Es geht mir keineswegs darum, Deiner Frau etwas zu unterstellen, wie gesagt ich bin mir sicher, sie liebt ihre/eure Kinder, aber ich würde Dich gerne ermutigen, Deinen Blick zu schärfen. Deine super-nette Jungs-WG darf und erlaubt Dir nämlich, da auch an- und ausgleichend zu reagieren.
Zudem wirst Du früher oder später natürlich auch mal einen Blick auf die Frage werfen müssen, die im Fall dessen, daß meine Perspektive merit haben könnte, einfache Kausalität ist, an welcher Stelle hast Du vielleicht ausgesucht, an welcher Stelle hast Du vielleicht gefördert und an welcher Stelle gäbe es uU blinde Flecken.
Nochmal und das ist mir wirklich wichtig, das ist meine Perspektive, die auch nur Deine Schilderungen und Wortwahl in Betracht zieht. Das ist nicht gleichbedeutend damit, daß an der Perspektive irgendetwas dran ist. Außerdem verwehre ich mich explizit gegen den Müttermythos, der nicht nur in die eine Richtung sondern eben auch in die andere, also (vorübergehend) auch mal oder deutlich aggressive Mütter leiben ihre Kinder nicht, richtet. BS. Da ist sie nämlich wieder die Emotionalsierung.
Das einzige, was mir ein wenig am Herzen liegt, ist eine also meine Sichtweise darzulegen und darauf hinzuweisen, daß der Grund aggressiven Verhaltens, insbesondere wenn da Übertragungen stattfindeen, zumeist in der Kindheit des Aggressors zu suchen sind. Wenn wir das aber als Arbeitshypothese annehmen, dann gilt es die Weitergabe, also die Kindheit der jetzigen, genauer zu beobachten.
Liebe Grüße und viel Kraft für Dich.