Lieber TE,
deine Geschichte hat mich SEHR berührt. Danke für deine Offenheit. Ich schreibe jetzt einfach mal aus meinem Herzen, was ich fühle, wenn ich deine Zeilen lese.
Ja, ich kann dich und deine Handlungsweise sehr gut nachvollziehen. Wir sind alles Menschen und sehnen uns nach Zuneigung und Liebe. Eine Krankheit kann alles verändern und wieviel Kraft man dafür braucht, das weiß ich sehr gut. Ich habe meinen Vater das letzte halbe Jahr nach seiner Krebserkrankung in den Tod begleitet. Ein Kraftakt, den man da stemmen muss.
Ich denke, du hast sehr, sehr viel mitgemacht in den letzten 2 Jahren. Aber natürlich vor allem deine Ehefrau. Was sie stemmen musste, das ringt mir großen Respekt ab. Wie muss sich eine Frau fühlen, den Tod vor Augen, gerade ein kleines Kind bekommen. Wenn ich das so lese, dann fühle ich mich gerade mit meinem Leben - das gerade auch nicht einfach ist - doch wieder sehr reich und auch demütig.
Dass du dich nach all dem neu mit einer Frau einlässt, auch das ist für mich menschlich verständlich. Natürlich nach der Moral gesehen, wird man sagen, wie kannst du nur. Aber so sehe ich das alles nicht. Denn dass deine Sehnsucht nach Zuneigung und Liebe vorhanden war, das ist doch völlig natürlich. Und so ergab sich die Gelegenheit und du hast dich verliebt. In eine gesunde, lebensfrohe Frau, die dir eine neue Realität zeigt. Es ist wie eine Sonne, die weit entfernt scheint und nach der man sich nach all der Dunkelheit sehnt.
Du hast dich eingelassen. Und sie sich auf dich. Aber Gefühle entwickeln sich - auf beiden Seiten. Sie will mehr. Verständlich. Und sie will nicht der Ersatz für deine Frau sein, die keine Lust mehr auf Sechs hat (was nach dem was sie erlebt hat, auch verständlich ist).
Was kann man dir nur raten? Ich an deiner Stelle wüsste nicht, wie ich mich entscheiden sollte. Jeder Mensch hat ein Recht auf ein eigenes, zufriedenes Leben. Bei einer Heirat heißt es jedoch...in guten wie in schlechten Zeiten....man wirft nicht einfach alles weg. Bleibst du bei deiner Frau, wirst du weiterhin unzufrieden sein. Denn dein Begehren ist weg. Das kann man auch nicht so einfach wiederherstellen. Das klingt hart, was du schreibst. Hat man jemanden in den tiefsten Tiefen begleitet, dann erlischt manchmal einfach die Leidenschaft. Es entsteht eher eine Bruderschaft, Freundschaft....! Ob das für eine wunderbare Ehe genügt, das musst du entscheiden. Du bist noch sehr jung, es liegt noch dein ganzes Leben vor dir...
Entscheidest du dich für die andere, wirst du dir ewig Vorwürfe machen, falls deine Frau wieder ein Rezidiv bekommt. Du hast auch ein kleines Kind mit ihr. Dass eine Trennung für deine Frau sehr belastend sein wird, ist vorhersehbar. Es sei denn, sie hat durch ihre schwere Erkrankung auch eine Wandlung in sich erlebt und hinterfragt ihr bisheriges Leben. Du kennst sie gut genug. Kannst du mit ihr offen sprechen über das, was euch jetzt noch verbindet?
Du bist 32 Jahre alt und wirst nicht die nächsten 10 Jahre auf Nähe und Sechsualität verzichten wollen und können. Kannst du das mit ihr thematisieren? Inwieweit ist sie offen für einen Dialog?
Ehrlich gesagt, ich möchte nicht in deiner Situation stecken. Und ja, man kann wirklich 2 Menschen lieben. Sogar mit der gleichen Intensität. Es gibt keinen größeren Konflikt, als sich entscheiden zu müssen. Denn hier gibt es kein richtig und kein falsch. Egal, wie man sich entscheidet, man wird immer einen Hauch des Schmerzes über Verlust in sich tragen.
Gut finde ich die Konsequenz deiner Freundin. Sie sorgt für sich und will nicht jahrelang Geliebte sein. Das spricht für eine Frau, die weiß was sie will. Entscheidest du dich gegen sie, wirst du doch das Problem nicht lösen. Denn eines Tages wirst du deine Frau verlassen, denn die Krankheit und die Zeit hat ihre Spuren hinterlassen, die sind nicht mehr auslöschbar. Du wirst also das Problem, das du jetzt hast, möglicherweise um einige Jahre verlagern können. Aber lösen wirst du es nicht, wenn du bei ihr bleibst. Das ist mein persönliches Gefühl.
Ich wünsche dir auf jeden Fall (und auch und vor allem deiner Ehefrau) alles erdenklich Gute, ganz viel Kraft und Stärke und mögest du eine Entscheidung treffen, die keine Verlierer zurücklässt.
08.03.2020 09:17 •
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