@Kaetzchen
Liebe Kaetzchen,
vorweg muß ich sagen: falls ich heute noch unverständlicher schreiben sollte als sonst, dann liegt das daran, daß ich gelesen habe, man werde im Fall von Filterumgehungen ausgefiltert. Das macht eine Unterhaltung nicht leichter, aber vielleicht lustiger. Wenn es gar zu konfus wird, dann bitte in Mein großes Lexikon der skurrilsten Umschreibungen nachschlagen .
Weißt Du, ich sehe vieles ja unter dem Gesichtspunkt der Dramaturgie. Dir ist das sicher ja nicht unbekannt. Und während eine ganz normal verlaufende Liebesbeziehung bestenfalls in den ersten Wochen ein durchschnittliches Homevideo hergibt, sieht es bei den bitteren und tragischen Liebesgeschichten schon ganz anders aus. Kein Mensch würde sich etwa für eine Romeo-und-Julia-Inszenierung interessieren, wenn die beiden sich meinetwegen als Single in einem Reisebüro kennengelernt, geheiratet, ein Haus gebaut, Kinder bekommen und glücklich bis ans Ende ihrer Tage gelebt hätten. Und das muß ja einen Grund haben.
Daher habe ich durchaus den Verdacht, daß solche ungewissen bis tragischen Liebes- und Lustgeschichten bisweilen vom Unbewußten tragischer oder melancholischer Gemüter, die mehr vom Leben haben wollen als wellige Langeweile, richtiggehend inszeniert werden, ohne daß der Betreffende sich darüber bewußt ist.
Man kann ja auch nicht verhehlen: Wer nicht in einem See aus Liebestränen seine Seele treiben lassen kann, von dem hat man den Eindruck, er müsse irgend etwas falsch gemacht haben .
In diesem Sinne halte ich alles damit verbundene Unglück und Leiden für eine Quelle der besonderen Gefühle, ohne die man ja doch nicht so ganz wäre, die fehlen würden in der persönlichen Empfindensgeschichte.
Natürlich gibt es diese Warnzeichen, da hast Du ganz recht. Nicht nur bei einer Affäre, sondern ganz allgemein bei sich anbahnenden Liebesgeschichten. Aus eigener Erfahrung muß ich aber sagen, daß in diesem Zustand der Unzurechnungsfähigkeit alle diese Warnzeichen entweder nicht beachtet oder gar noch als besonders niedlich (oder auch abenteuerlich-verlockend) erlebt werden, alle diese kleinen Absonderlichkeiten und Auffälligkeiten, die wie süße Kaninchen daherkommen und dann plötzlich zu gewaltigen Grizzlys anwachsen können. Es heißt ja nicht umsonst: man hüte sich vor dem Kaninchen mehr als vor der Schlange .
Es ist halt ein bißchen so, wie vom Honig zu naschen, darin man erst ganz fern und undeutlich auch den Anklang von etwas Bitterem oder Saurem verspürt, dies aber vielleicht als besonders reizvoll Note wertet und erst recht alle Schleck- und Leckinstrumente ausfährt. Überhaupt erscheint mir allein schon dieses Nicht-genug-Bekommen als verdächtiges Zeichen.
Die Liebe hat offensichtlich ihren ganz eigenen Zug, und sich dagegen zu erwehren, ist man erst erfaßt davon, ist ab einem gewissen Punkt nicht mehr möglich. Vermutlich müßte man schon beim ersten tieferen Blick in die Augen das Weite suchen, will man seines Verstandes nicht verlustig gehen. Allerdings ist dann die Frage: Wozu überhaupt irgendwelcher Gefühle fähig sein und mit ihnen auf die Reise gehen?
Ich halte einen emotionalen Betrug (wie geht das überhaupt, gibt es emotionales Falschgeld?) auch für wesentlich gefährlicher für eine Beziehung. Denn in dem Fall kann eine Beziehung sozusagen aus inneren Gründen zerplatzen, während, geht es nur um Beischläfiges, das Einschlafen nur eine Frage der Zeit ist und sich, bekommt es der EP nicht mit oder reißt es ihn nicht in Stücke, von selber erledigt. Vielleicht nicht bereits nach 5x flattern, aber doch irgendwann recht bald einmal, nachdem genossen ist, was zu genießen war, und sich die Federn wieder geglättet haben.
Ja, gut, wenn man von solchen Ausflügen seines Partners Freundinnen und Freunden erzählt, so beschwört man den Druck aber letztlich selber herauf. Denn daß das eine gewaltige Aufregung verursachen wird, ist absehbar. Vielleicht wäre hier das Zukleben des Schnäbelchens eine günstigere Variante .
Auch das stimmt natürlich, und ich habe das ja auch schon einmal geschrieben, daß man in einem Liebeskummerforum nur eine selektive Auswahl vorfindet. Denn wo erst gar kein Kummer, dort auch kein Forumsbedarf.
Was ich grundsätzlich sagen wollte, egal, um welches Leid es geht, Liebe, Krankheit, Mobbing oder sonst etwas: Man sollte höchst vorsichtig sein, sich nicht in eine Opferrolle hinfallen zu lassen, so groß die Versuchung auch sein mag. Denn fühlt man sich als Opfer - und nicht lediglich als Betroffener -, dann trägt sich die Last 10x schwerer. Nicht zuletzt deshalb, weil man sich selber hilflos und gelähmt macht, während man als Betroffener noch immer aktiv und selbstständig agieren und Entscheidungen treffen kann. Und das ist etwas ganz anders, auch vom Gefühl her, nicht allein von der Wirkung. Diese Armseligkeitsgefühle sollte man besser erst gar nicht aufkommen lassen.
17.02.2018 03:23 •
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