Jeder hier hat sein Päckchen zu tragen, oder ein Paket, und ist deshalb hier. Nun also auch ich. Es wird bestimmt ein langer Text, zu viel ist passiert in den letzten Jahren.
Meine Ehe begann an einem Freitag, am 13.06.2008, nach vierjähriger Beziehung. Für ihn war es die zweite Ehe, für mich die erste. Ich brachte drei Kinder mit in die Ehe, die aber für diese Geschichte keine Rolle spielen, sie sind längst aus dem Haus.
Mein Mann hatte seine erste Frau abgöttisch geliebt, sie war 9 Jahre älter als er und brachte einen Sohn mit. Sie verließ ihn nach zehnjähriger Ehe für einen anderen Mann, was ihn tief traf. Mein Mann reichte nach einem Jahr On/Off-Ehe mit ihr die Scheidung ein.
Als er sich wieder etwas berappelt hatte, begann sie, ihm Liebesbriefe zu schreiben, in denen von Reue, Liebe und verlorenem Glück die Rede war. Mein Mann ließ die Briefe unbeantwortet, warf sie aber nicht weg. Sie bereiteten ihm verständlicherweise Genugtuung.
Man ahnt schon, dass diese Frau noch eine Rolle in meiner Geschichte spielen wird.
Zunächst jedoch lebten wir unser Leben wie jeder von euch.
Dann kam das Jahr 2019, in dem sich eine Katastrophe an die andere reihte. Meine Tochter, zu der mein Mann ein sehr gutes Verhältnis hat, verlor ihr Baby in der 32. SW. Ich glaube, dazu muss ich nichts weiter sagen.
Zwei Wochen danach hatte mein Mann einen unverschuldeten Motorradunfall, der zu einer Amputation des rechten Beines unterhalb des Knies führte. Im Zuge dieses Unfalls (langes Liegen) entwickelte sich durch eine Bronchitis eine COPD.
In den Wochen davor musste mein Mann mitansehen, wie er seine Mutter an die Demenz verlor.
Er war immer ein lebenslustiger aktiver extrovertierter Mensch, der allerdings ein Meister der Verdrängung war/ist.
Durch seine Krankheiten und die anschließende Corona-Pandemie verlor er sämtliche Hobbys (Motorrad, Gitarre und Sänger). Er verlor seine Lebensfreude und wurde depressiv, was wir damals nicht erkannten. Weil. Verdrängung. Ich konnte ihm auch nicht die Stütze sein aufgrund des Traumas mit meiner Tochter. Und auch für mich hatte sich durch seinen Unfall alles geändert. Alle Arbeit blieb an mir hängen, neben meiner regulären Arbeit. Ich war müde und erschöpft, was ich auch kommuniziert habe. Aber ich fand kein Verständnis.
2021 wurde mein Mann EU-Rentner, Ende 2020 bekam er eine große Summe Schmerzensgeld wegen des Unfalls ausgezahlt.
Die jetzt folgenden Ereignisse habe ich stückchenweise zwischen Februar und April diesen Jahres rausgefunden.
Ab Mitte 2021 entfernte er sich immer weiter von mir, wir machten im Sept. 2021 noch einen kleinen Urlaub, aber da hatte ich ihn schon verloren.
Ab Mitte 2021 kam es zu sporadischenTreffen zwischen ihm und seiner Ex-Frau. Sie selbst wohnt zwar 400 km entfernt, kommt aber ab und zu zu Besuch bei ihrem Sohn/ihrer Schwester. Dort fanden die ersten noch harmlosen Treffen statt. Ab November 2021 nahmen sich die beiden dann eine gemeinsame Wohnung fünf Dörfer weiter. Mein Mann bezahlte die Kaution, die halbe Miete und die Möbel, auch das Bett. Diese Wohnung wurde im November 2022 wieder gekündigt, weil sie zu selten hochkam und es sich nicht lohnte.
Der Vollständigkeit halber muss ich erwähnen, dass ich ihn schon einmal aus ihren Armen befreit hatte und zwar ca. drei Jahre nach Beginn unserer Beziehung.
Ab Mai 2022 fiel mein Mann auf einen Love-Scammer herein, getarnt als attraktive Frau aus Texas. Er war blind verliebt und überwies im Laufe von 1 1/2 Jahren mehr als 10.000Euro.
Er meldete sich auf allen möglichen 6-Datingseiten an und inserierte auch selbst. Er war völlig fixiert darauf, weil es nach Unfall und Krankheit nicht mehr so klappen wollte wie vorher. Er gab mir unbewusst die Schuld dafür.
Im November 2022 lernte er über so eine Seite eine weitere Frau kennen, mit der er Videos austauschte. Auch ein persönliches Treffen war bereits fest geplant.
Mein Geburtstag, Weihnachten, Hochzeits- und Valentinstag wurden komplett ignoriert, er meinte, er hätte kein Geld für Geschenke.
Diese Frauen haben aber jeweils 100Euro-Amazon-Gutscheine von ihm erhalten. Das ist wohl die gängige Bezahlung.
Natürlich ist mir zwischendurch aufgefallen, dass er nie ohne sein Handy unterwegs war, ebenso, dass er sein Passwort geändert hatte.
Sein Leben fand zu dem Zeitpunkt fast nur noch online statt. Er lag bis Mittag oder länger im Bett und trieb sich auf diversen Seiten rum.
Er räumte noch nicht mal mehr den Geschirrspüler aus oder ging mit dem Hund raus.
Zweimal sah ich durch Zufall die Chats mit den Frauen, zweimal schwor er mir, alles zu löschen und zu blockieren. Das tat er auch, speicherte aber alle umgehend wieder unter falschen Namen ein. Sie hießen dann Klaus oder Rene .
Im Februar konnte ich ihm endlich beweisen, dass die Frau aus Texas ein Fake war. Er war ehrlich erschüttert über sich selbst.
Wieder schwor er hoch und heilig, alles zu löschen.
Warum auch immer, ich glaubte ihm. Er gewährte mir jederzeit Zugang zu seinem Handy.
Ich wollte versuchen, ihm zu verzeihen, auch im Hinblick auf die schweren Zeiten, die hinter uns lagen. Er schien glücklich.
Er besorgte sich einen Nebenjob, um seinem Tag wieder Struktur zu geben.
Am 03. März eröffnete er mir, dass er am 24./25.04. zu einem Whisky-Tasting mit Übernachtung bei einem Freund eingeladen ist. Er reichte für die beiden Tage auch Urlaub ein. Ich glaubte ihm.
Am selben Abend fand ich eine WhatsApp auf seinem Handy (ich hatte Zugang) an seine Ex, in der er sie fragte, wie nochmal das Hotel hieß, in dem sie am 24./25.04. übernachten wollten. Und wie sehr er sich auf sie freut.
Ich brach zusammen, weinte und schrie, mein Kreislauf entgleiste. Mein Mann brach völlig verstört über den Zusammenbruch ebenfalls zusammen, er löschte an diesem Tag tatsächlich alles, gab mir sämtliche Passwörter für Handy und seine Konten.
Die nächsten Tage waren wir gesundheitlich am Limit, er weinte immer wieder, der Blutzucker war völlig außer Kontrolle, er zitterte und fror.
Seit diesem Tag ist er tatsächlich nicht mehr rückfällig geworden. Er hat sich psychologische Hilfe gesucht, ebenso einen neuen Teilzeitjob, weil sein jetziger nur saisonal ist. Er möchte das Geld, was er verscherbelt hat, wieder zurückverdienen. Er hatte außerdem das Konto seiner demenzkranken Mutter geplündert.
Er übernimmt die volle Verantwortung für den Riesenhaufen Sch. , den er gemacht hat und bereut zutiefst, was er mir angetan hat.
Er hat sämtliche Sachen seiner Ex,die noch hier waren (u.a. Bilder, sie ist Malerin), alte Fotoalben rausgeschmissen und er sagt, er fühlt sich befreit. Er weiß nicht, was mit ihm los war und hofft, dass der Psychologe ihm helfen kann.
Ich bin sicher, dass er es für den Moment ernst meint mit seiner Reue, aber der Vertrauensverlust ist so vollständig, dass ich keine Zukunft für uns sehen kann. Und ich weiß nicht, ob seine Änderung von Dauer ist.
Ja, das war im Groben meine Geschichte. Es geht mir nach wie vor gesundheitlich nicht so prickelnd, und egal, wie ich mich entscheide, ganz werde ich den Betrug nie überwinden können. Ich hatte immer ein Urvertrauen in das Gute, war immer ein grundlegend positiver Mensch und ich möchte diese Fähigkeit wieder zurück.
09.06.2024 20:48 •
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