Hallo!
Ich habe mich hier ja schon einmal geäußert, aber nachdem ich nun den Thread weiter verfolgt habe, möchte ich einmal einiges Grundsätzliches zu bedenken geben.
Es ist ja immer wieder von Betrug die Rede (und ich meine damit eine Affäre und keinen einmaligen Seitensprung). Ich frage mich, wer wird hier inwieferne betrogen und um was wird er betrogen? Um den Betrug und Selbstbetrug? Ist es nicht so, daß man durch einen Betrug nicht betrogen wird, sondern einfach die Wahrheit präsentiert bekommt? Liegt der eigentliche Betrug, wenn man davon schon reden will, und Selbstbetrug nicht in der Zeit davor? Also wenn sich die Liebe schon längst erschöpft hat, aber noch immer davon geredet wird und sie zum Geburtstag sogar einen Blumenstrauß oder eine Krawatte schenkt. Ist nicht gerade dieses - durchaus gegenseitige - Schauspiel, das an Durchsichtigkeit ja oft nicht zu überbieten ist, der wahre Betrug und Selbstbetrug? Wie viele reden von Liebe, ohne auch nur das geringste noch zu fühlen, das irgend etwas mit Liebe zu tun hätte? Wie viele leben in völlig toten, leeren, längst gestorbenen Beziehungen? In wie vielen Paar-Gesichtern strahlen denn noch Liebe und Glück - viel öfter sieht man doch die Langeweile, den Überdruß, das Angeödetsein, wenn nicht den Ekel in den Augen, wenn sie den Partner nur erblicken.
Und das ist der wahre Betrug und Selbstbetrug. Im Betrug wird dieser lediglich überwunden, die (bittere) Wahrheit läßt sich nicht mehr verbergen.
Die Frage ist natürlich immer: Was will man überhaupt von einer Beziehung? Ein mehr oder weniger gemütliches Zusammenleben mit S., oder soll eine Beziehung auf Liebe beruhen?
Das Verhängnis beginnt ja schon damit, daß man sich von jeder Liebe Ewigkeit erträumt, obwohl nichts öfter und deutlicher und offensichtlicher widerlegt ist und wird als die ewige Liebe. Daß sich zwei Menschen finden, die sich tatsächlich für den Rest ihres Lebens lieben, ist ein absoluter Glücksfall, ein Liebeshaupttreffer, könnte man sagen.
Im Normalfall schwindet die Liebe nach einiger Zeit wieder, bei manchen schneller, bei anderen langsamer. Was bleibt dann noch, wenn man dann vielleicht Kinder hat, sich gemeinsam etwas aufgebaut hat oder gerade mitten drin ist oder schlicht Angst vor dem Alleinsein hat oder schon mit einem WG-Dasein zufrieden ist? Der Liebesbetrug. Man spielt Liebe, was insoferne auch leicht ist, weil dieses Schauspiel ja so viele liefern. Es ist die Vor- und Verstellung, der man am häufigsten begegnet, es ist gewissermaßen der Beziehungsnormalfall.
Doch im Nicht-Liebes-Zustand besteht eben immer die Gefahr, daß jemand, auch wenn er gebunden ist, in Liebe entflammt. Manche können das unterdrücken und verdrängen und schauspielern halt munter weiter, anderen gelingt das nicht und es kommt, weil sie gebunden sind, zum Betrug. Und wenn dieser dann auffliegt, gibt es großes Geschrei und Enttäuschung und Verzweiflung und Unverständnis und Zusammenbruch. Und es wird nach Schuldigen gesucht, als ginge es hier um ein Kapitalverbrechen wie es schlimmer nicht sein könnte.
Daher noch einmal die Frage: Ist nicht der eigentliche Betrug, auf Liebe zu spielen, wo eben keine mehr ist? Wird nicht dadurch dem anderen, dem die Scheinliebe (und er würde es durchaus merken, daß es nicht mehr ist, würde er es merken wollen) zur gefälligen Schau gestellt wird, die Möglichkeit genommen oder er darin zumindest eingeschränkt, wieder echte Liebe zu erfahren?
Würde die Liebe leuchten - man würde staunen, wie dunkel es ist in dieser Welt!
Ein Grundproblem scheint mir auch zu sein, daß man mit Gewalt versucht, die frühere Form der lebenslange Ehe mit der Liebe unter einen Hut zu bringen. Dabei wird aber übersehen, daß die Ehe früher etwas war wie ein Handel, ein Vertrag, ja in den dunkelsten Zeiten (oder auch heute noch in den finstersten Kulturen) ein Kaufvertrag, es war etwas rein Formelles, ein Geschäft, eine Notwendigkeit (etwa wegen wirtschaftlicher Abhängigkeit). Die Liebe hingegen ist nun einmal ein Gefühl, und dieses läßt sich weder durch ein Versprechen noch durch einen Vertrag festnageln. Die Liebe kommt und geht, wie es ihr gefällt - und wohl niemand wird sagen können, er sei Herr über seine Liebe und könne damit tun, was er wolle, also sie etwa für immer einem bestimmten Menschen zu schenken.
Wir leben halt leider, was die Ansprüche gegenüber der Liebe betrifft, auch in einem Zustand der Realitätsverweigerung und in einer Art kulturell geprägtem Empfindungswahnsinn. Wenn wir etwa von anderen Kulturen wissen, daß Männer es gar nicht verkraften können, wenn eine Braut keine Jungfrau mehr ist und Witwen oder Geschiedene so gut wie keine Chance haben, einen Mann zu finden, der sie heiratet, sie gleichsam Ausgestoßene sind, dann ist uns der Wahnsinn hinter diesen Empfindungen offensichtlich. Gegenüber dem eigenen Empfindungswahnsinn, daß eine Liebe ewig währen müsse oder daß allein S. mit einem anderen Partner schon die absolute Katastrophe sei, die jegliche Liebe und jegliches Vertrauen sofort zum Erlöschen bringt und bringen muß und die Beendigung der Beziehung geradezu erfordert, notwendig macht (eine Art gefühlsmäßiger Ehrenmord, könnte man sagen) - gegen diesen eigenen Wahnsinn des Empfindens hingegen sind wir so blind, daß es blinder nicht mehr geht.
Und etwas noch zu dem Thema, weil so manche Geliebte(n) nachträglich oft meinen, sie seien an der Nase herumgeführt worden. Das gibt es natürlich auch. Doch in der Regel ist das durchaus nicht der Fall. Nur kommt es eben vor, daß letztlich nicht die Liebe siegt, sondern die Angst oder die Gewohnheit oder der Bedacht auf das gesellschaftliche Ansehen usw., vielleicht dann, wenn die Liebe oder das Begehren bereits im Abklingen ist.
Nicht zuletzt darf man auch nicht vergessen, daß sich das ero. Begehren ja nur selten offen zeigt, sondern im Gewand der Liebe daherkommt, weil es ohne diese menschliche Art der Balzerei ja sonst nur schwerlich ans Ziel käme. Würde ein Mann daherkommen und zu einer Frau schlicht und einfach sagen: ich möchte mit Dir ins Bett, dann wäre die Aussicht auf Erfolg wohl eine sehr geringe. Sondern dazu bedarf es eben des artgerechten Balzverhaltens. (Und dazu reicht es heute zumeist auch nicht mehr alleine, mit dem Ferrari vorzufahren - das beeindruck zwar vielleicht noch die eine oder andere eierschalenverdunkelte Jungblüte, aber keine ernstzunehmende Frau.)
Aber das Grundproblem, um es nochmals zu sagen, ist einfach, daß viele Beziehungen tot sind, aber dennoch unter allerlei Zwängen und Schauspielereien weitergeführt werden. Und wen möchte es tatsächlich verwundern, daß manche sich dann halt irgendwann anderwärtig verlieben oder sie meinetwegen auch nur s.uell begehren?
Man wird doch nicht glauben, daß in einer solch von Grund auf verlogenen Welt, die auch nichts nötiger hat als Lüge und Schein, etwas anderes als Verlogenheit und Schein herauskommen kann.
Und Dir, Miccala, möchte ich noch sagen, weil Du irgendwo erwähnt hast, die Frau Deines Ex wirke nun wieder sehr glücklich: wie sonst sollte sie wirken? Der Schein muß gewahrt werden, gerade nach einer Affäre und vor allem natürlich nach außen hin. Ansonsten würde sie ja als die vollkommen Blöde dastehen. Den untreuen Mann zurücknehmen und dann auch noch das entsprechende Gesicht dazu machen ... Da lächelt man doch lieber für die Kamera, oder?
Liebe Grüße
01.09.2014 03:03 •
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