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Um noch weiter, so kurz als möglich, auf das zu antworten, was Du angeführt hast:
Daß ich die ewige Liebe für eine Illusion halte, liegt daran, daß nichts durch die Realität gewisser und eindeutiger widerlegt ist als die ewige Liebe. Natürlich glaubt jeder zunächst daran, weil das Gefühl zu überwältigend ist, als nicht daran zu glauben (alle Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit (und jedes andere glücklichmachende Gefühl soll ebenso ewig dauern)). Und doch kann und muß man, ist man nicht vollkommen blind gegenüber der Realität, davon ausgehen, daß es mit der Ewigkeit nichts werden wird. Nicht weil die Menschen so böse und verlogen und hinterhältig wären, sondern weil Gefühle ihre eigenen Wege gehen - und darüber haben wir keine Macht.
Wenn jemand sagt Ich liebe dich!, wird das (zumeist) durchaus der Wahrheit entsprechen, wird wahrhaftig sein Gefühl ausdrücken. Aber ob diese Aussage auch noch in einem Monat oder einem Jahr oder in zehn Jahren gültig ist, noch immer Wahrheit ist, ist eine andere Frage.
Ich glaube, ein ganz wesentliches Problem ist, daß diesem Ich liebe Dich! oft ganze verschiedene Gefühle zugrundeliegen. Beide sagen zwar dasselbe, empfinden aber etwas anderes, nicht zuletzt auch der Tiefe nach. Der eine kann vielleicht gar nicht mehr als lieb haben, kann nicht tiefer empfinden und hält daher schon das für Liebe, der andere mag dieses ich will dich haben, besitzen-Gefühl mit Liebe verwechseln, und wieder ein anderer liebt im tiefsten und eigentlichsten Sinne. Und wo der eine noch unbeirrt liebt, ist der andere schon über alle Berge.
Die Frage, was ich meiner Partnerin sagen würde, nachdem ich sie betrogen habe, stellt sich für mich nicht. Ich werde nicht von Trieben beherrscht und kann auch völlig problemlos sowohl ohne S. als auch ohne Beziehung leben. Wenn ich in einer Beziehung lebe, habe ich daher auch in dieser nicht den Drang nach s.ellen Abenteuern außerhalb der Beziehung. Mir ist aber, nebenbei bemerkt, schon das Umgekehrte passiert, also daß eine Partnerin eine Affäre hatte (und nein, es war für mich nicht furchtbar schmerzhaft und weder ich noch die Beziehung sind daran zerbrochen).
Nur sollte man eben die eigenen Zustände und Bedürfnisse und Empfindlichkeiten nicht zu einem (moralischen) Maßstab für alle machen. Auf die Beherrschung eines Verlangens, das man gar nicht hat, stolz zu sein und sich darauf zu berufen, scheint mir doch etwas zu billig.
Die instinktive Schranke, sich nicht in den eigenen Vater zu vergucken, scheint mir doch eine ziemlich andere zu sein als jene, sich nicht in den Partner einer Freundin zu vergucken. Denn daß sich jemand in den eigenen Vater oder die eigene Mutter verliebt, wird ja vermutlich nur äußerst selten vorkommen, d. h. hier wird kaum jemand in die Lage geraten, gegen ein verbotenes Gefühl ankämpfen zu müssen.
Im anderen Fall hingegen kann eben das Gefühl so überwältigend werden, daß die kleine Schranke des Anstandes, des so etwas macht man nicht nicht verhindern kann, daß es zu einer Beziehung, einer Affäre, einem Seitensprung kommt.
Und noch einmal: Es ist ein Irrtum zu glauben, wir könnten unsere Gefühle beherrschen, hätten Macht über sie, könnten sie hinlenken, wo wir wollen, könnten sie nach Belieben verstärken, vermindern, verändern. Nicht das Ich steuert die Gefühle, sondern die Gefühle steuern das Ich - sind sie nur stark genug, geht es also nicht nur um eine kleine Verzichtleistung. Daher geht auch jeder Versuch einer Be- oder Verurteilung auf eine Nichtwahrnahmung oder Nichtakzeptanz der Realität zurück.
Und zur Treue noch: Für mich ist Treue Loyalität, Zusammenhalten auch und gerade in schwierigen Situationen, in Zeiten der Krise. In solchen Zeiten trennt sich die Spreu vom Weizen, beweisen sich Liebe oder Egoismus. Wer sich dann gleich aus dem Staub macht, ist (nach meinem Empfinden und Verständnis) untreu. Jedenfalls hat Treue für mich absolut nichts mit S. zu tun.
Liebe Grüße
24.10.2014 02:15 •
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