Zitat von frischgeföhnt:Aber er LIEBT seine EFRAU trotz jahrelanger Zweitbeziehung?
Föhni,
kennst Du The Sopranos?
Zwar ist die Geschichte von Tony Soprano, der seine Frau Carmela liebt (und sie ihn), aber dennoch nicht ohne Goomars nebenher auskommt (wobei er selbst zugleich tödlich eifersüchtig ist), eine fiktive. Zudem sind Mobster wie er (hoffentlich) nicht wirklich repräsentativ für die breite Bevölkerung.
Aber die ganze Serie hindurch blieb zumindest bei mir kein Zweifel daran, daß Carmela für ihn stets die Frau war, die er wirklich liebte - die Goomars hingegen mochte er bestenfalls gern und in erster Linie erfüllten sie den Zweck, sein Macho-Ego zu pflegen. (Ich denke vor allem an die Episoden um Gloria Trillo in der 3. Staffel). Ähnlich verhielt es sich bei seinen Kollegen.
Kommt halt ganz darauf an, wie jemand das Wörtchen Liebe definiert - gibt schließlich kein Patent darauf.
Die Grenze zum Nutzen / Benutzen ist allerdings dort überschritten, wo jemand die
eigene Definition für sich
behält, obwohl ihm
sonnenklar ist, daß der Partner bzw. die Afffaire eine
völlig andere hat und davon
ausgeht, daß man
diese teile. Ab hier hantiert derjenige, der den anderen diesbezüglich
bewußt im Unklaren läßt, mit dem Prinzip der arglistigen Täuschung und mutiert zum Dompteur, der mit den Erwartungen anderer spielt, um sich selbst das zu verschaffen, was er will. Der Rest ist Gesülze, künstliches Drama, was weiß ich - an diesem Kern führt er jedenfalls in letzter Konsequenz nicht vorbei.
Ein Mensch, der mitten im europäischen Kulturkreis heiratet,
ohne seinen Ehepartner vorher glasklar darüber aufgeklärt zu haben, daß
er Treue nur emotional und
eben nicht s.uell oder - vielleicht - in Sachen Verliebtheit
versteht, der
weiß auch ganz genau,
warum er damit hinter dem Berg
hält: Weil der andere sonst nämlich höchstwahrscheinlich Abstand nehmen würde - von der Eheschließung ebenso wie von der bisher geführten Festbeziehung.
Der Fleischmarkt gibt aber auch im Jahr 2016 des Herrn nun mal
nicht soviel Freiwilligenangebot an Menschen her, daß es die vorhandene Nachfrage nach Menschen
deckt, die bereit sind, offene Ehen zu führen und mit jemand eine Familie zu gründen, der zugleich auch mit anderen Menschen ins Bett geht, so daß sie permanent damit rechnen müssen, sich entweder Geschlechtskrankheiten zu fangen oder außereheliche Kinder mit durchziehen zu müssen - und sei es nur, daß diese der eigenen Brut den Erbteil streitig machen.
Ein Mensch, der seiner Affaire jahrelang was von Liebe erzählt und daß es angeblich nur die Macht des Schicksals sei (in Gestalt von: kleinen Kindern, gemeinsamen Hypotheken, etc.), die ihn daran hindere, sich aus seiner Hauptbeziehung zu verabschieden und stattdessen ein neues Leben mit ihr zu beginnen, der weiß auch ganz genau, warum er damit hinter dem Berg hält: Weil der andere sonst nämlich höchstwahrscheinlich Abstand nehmen würde - von der Affaire oder auch nur einer flotten Nacht, wenn er ihm so offen ins Gesicht sagen würde, daß er sich eigentlich nur dem Ehepartner (bzw. der mit diesem verbundenen Komfortzone) so richtig verbunden fühlt und alle anderen Intimkontakte nachrangig sind.
In beiden Fällen tragen Menschen, die wahlweise den (in jeder Hinsicht) Treuen oder die (einzig von der Macht des Schicksals behinderten) verhinderte große Liebe suggerieren, bewußt eine Maske vor sich her. Eine Maske, hinter der sie Facetten von sich zu verbergen suchen, deren Offenbarung definitiv dazu führen würde, daß sie von ihren Ehepartnern, von ihren Affairen oder überhaupt von anderen Menschen völlig anders eingeschätzt würden.
Dort, wo diese Einschätzung nicht weiter schädlich ist, lassen manche von ihnen diese Maske daher auch erstaunlich offen fallen: So wie Geschäftsleute am Rande von Messeveranstaltungen oder größeren Abschlüssen schon mal gemeinsam in den Pu. gehen, so bestellen sich Monteure eben gemeinsam die Prost. auf die Baustelle.
Genauso offen, wie Goomars, Affairen oder der Pu. je nach Milieu schlicht dazugehören, genauso vehement werden dieselben Leute aber mit (dann) schier unglaublich anmutender Vehemenz alles abstreiten, wenn sie vom oder vor dem eigenen Hauptpartner offen damit konfrontiert werden. Erst wenn die Fakten so offen auf dem Tisch liegen, daß sie sich nicht mehr leugnen lassen, werden sie die Maske fallen lassen - und zwar meist gegenüber der Affaire, denn letztlich war und bleibt der Eheerhalt ja ihre oberste Priorität, was auch immer der konkrete Grund dafür sein mag.
Also um es klar zu sagen: Affairen sind darauf angelegt, sich zu nutzen und zu benutzen. Seitens des aus der Hauptbeziehung Ausbrechenden allemal. Ob es seitens des Außenkontaktes auch so ist, steht auf einem anderen Blatt Papier. Meines Erachtens ist es auch ein Nutzen und Benutzen, wenn man sich auf Affairen nicht aus Liebe einläßt, sondern um nicht länger allein zu sein und weil einen deren unverbindliches Konzept weniger stresst als eine Festbeziehung es täte. In so einem Fall schwänge also auch umgekehrt einiges davon mit, allerdings stellt sich die Frage, inwieweit das den Betroffenen überhaupt bewußt ist.
In manchen Fällen beantwortet sich diese Frage erst nach Affairenende, nämlich wenn man erstaunt feststellt, daß einem eine Last von den Schultern gefallen ist, die man sich vorher nicht wahrzunehmen gestattet hatte. Also wo man sich doch auch selbst so gefiel, in der Rolle der aufopfernden Geliebten, bzw. in der des schmachtenden Romeo (was vermutlich seltener vorkommt, weil Männer da irgendwie sachlicher und auch sich selbst gegenüber ehrlicher sind, so jedenfalls mein Eindruck bisher - aber ich mag mich da täuschen).
Sollte dem so sein, so war es natürlich dennoch ein Nutzen bzw. Benutzen, aber eben kein absichtliches. Zudem dürfte der Schaden für einen nicht länger vermissten Affairenpartner, der sich wieder in seine Hauptbeziehung zurückziehen kann, wohl spürbar überschaubarer sein als der eines Menschen, der erst viele Jahre nach Eheschließung und Familiengründung erkennen muß, daß er sein Leben mit einem Menschen verbracht hat, den er gar nicht wirklich kennt und auch nie genommen hätte, wäre dem rechtzeitig genug der Fall gewesen. Und darüber, was das Abservieren einer Affaire mit Selbstwertgefühl und Urvertrauen der Betroffenen macht, muß ich mich angesichts der zahllosen Beiträge speziell in diesem Unterforum wohl nicht weiter äußern.
Fazit: Ja, Affairen dienen dem gegenseitigen Nutzen und Benutzen, ob dies denjenigen, die sie führen, nun bewußt ist oder nicht. Allerdings liegt das aber sowas von in der Natur der Sache, daß ich mich Rickys Frage in seinem Beitrag #2 nur anschließen kann.
Aber jedem Tierchen sein Pläsierchen...