Hallo Ulla,
Oh, wie sehr Du mirbaus der Seelensprichst. Diese Zwiespalte zwischen dem, was wir moralisch, menschlich, emotional richtig finden und dem, was unsere Männer uns als einzige Möglichkeit eröffnen, ist nicht auszuhalten.
Und auch ich habe meinen Geliebten damals kennen gelernt, als ich emotional ausgehungert war. Und durch die Gefühle, die er in mir weckte, wurde ich lebendig und war voller Energie, fühlte mich so schön wie nie, wurde (ja auch noch entgegen der schlechten Vorzeichen!) begehrt und umworben und habe ein Feuerwerk der Gefühle nach dem anderen mit ihm erlebt. Aber das waren MEINE Gefühle! Das war nicht er. Er hat mir nur die Projektionsfläche geboten, auf die ich all diese Leidenschaft und diesen süßen Wahnsinn, nach dem ich mich verzehrt habe, abfeuern konnte. Er hat diese Gefühle gespiegelt und somit auch erwidert. Aber diese Gefühle kamen nicht aus ihm. Sonst hätte er tatsächlich einen Weg gefunden. Er hat nur darin gebadet. Und Ausreden/Begründungen gefunden. Jetzt, wo ich all diese Gefühle wieder in mir selbst zentriert habe, will er wieder darin baden. Aber sich immer noch nicht dabei nass machen.
Und Muzel hat völlig recht. Vielleicht, weil Freitagabend ist und man sich nicht mit dem nächsten Arbeitstag ablenken kann, kreisen die Gedanken wie jeden Tag um ihn und das Wochenende zeigt einem, wo man steht.
Ich stand damals mit Ende 30 vor einem Abgrund. Neben dem Liebeskummer und der tiefen Demütigung für eine Andere zurückstecken zu müssen, kam auch noch die Hoffnungslosigkeit, jemals wieder so intensiv zu lieben, jemals wieder vertrauen zu können. Keine Zeit mehr zu haben, um das zu verwinden UND mich neu zu verlieben UND dann so lange zusammen zu sein, um mit sicherem Gefühl Ja zu sagen UND dann noch Kinder haben zu können. Außerdem der Glaube, dass alle guten Männer ja (so wie meine damalige große Liebe) schon längst vergeben sind und mir nur das Schicksal der ewigen Geliebten und alleinstehenden Zweit(en)frau übrig bleibt.
Und jetzt erzähle ich Dir, was in den letzten 3 Jahren passiert ist.
Ich habe mich bei einer kostenpflichtigen Singlebörse angemeldet. Mit dem Vorsatz, jeden, aber auch wirklich JEDEN Mann, den ich treffen kann, auf einen Kaffee zu treffen. Ein halbes Jahr lang. Und würde sich dann meine Befürchtung bestätigen, dass in meinem Alter nur noch Spinner oder Scheidungsversehrte oder Ekel übrig sind, dann würde ich guten Gewissens, dass ich alles gegeben habe und es einfach nicht sein soll, meinen Traum von einer Familie begraben und mir einen anderen Lebensinhalt suchen. Ja, genau so bockig habe ich das formuliert. Und insgeheim gehofft, dass Peter eifersüchtig wird oder aufwacht und sich dann doch noch zu mir bekennt.
Und dann habe ich jede Woche mindestens 4 Männer auf einen Kaffee oder eine Pizza getroffen. Und bekam natürlich sämtliche Befürchtungen bestätigt. 1. weil meine Vorauswahl ja nicht existent war. 2. weil ich ja immer noch von Peter träumte, auch wenn ich ihn da schon nicht mehr ernst nehmen konnte. Und 3. weil Singlemänner zwischen 30 und 45 wirklich keine einfache Zielgruppe sind.
Aber dieses Powerdating hat folgendes gebracht: Ich war BESCHÄFTIGT. Ich hatte jeden Abend etwas, worauf ich mich freuen konnte, denn auch eine Pizza mit einem Spinner ist besser als ein verheulter Abend vor alten Mails und Fotos. Und ich wurde angeflirtet, was mein unter der Fußleiste verkrochenes Selbstbewusstsein wieder auf Kniehöhe brachte. Klar haben die mir nur Komplimente gemacht, um sich die latente Chance auf ein 6uelles Abenteuer nicht entgehen zu lassen. Aber Komplimente sind Komplimente und begehrt werden (warum und wozu auch immer) richtet ein geknicktes Ego wieder auf. Und ich habe erkannt, dass irgendein halbwegs passender Mann immer frei ist. Das hat mir die Angst vor der Zukunft genommen. Wenn mir nicht DER Mann über den Weg laufen sollte, hätte ich mich jederzeit für einen von den halbwegs passenden, netten entscheiden können und meinen Kinderwunsch erfüllen und ein unaufgeregt halbwegs glückliches Leben führen können. Das macht gelassen.
Und irgendwann später, als ich über diese Datingkrücke mich genug selbst beruhigt und gepäppelt hatte und wieder zu mir selbst gefunden hatte und zufrieden und hoffnungsvoll auf meine Zukunft war, traf ich meinen jetzigen Mann. Und der war mit Ende 30 noch nie verlobt gewesen. Und hat mir innerhalb von einem halben Jahr gesagt, dass er auf jemanden wie mich sein ganzes Leben lang gewartet hat. Und hat mir einen Antrag gemacht. Und war sich seiner Sache völlig sicher, auch wenn er dafür ebenso große Opfer bringen musste, wie es Peter gemusst hätte. Kein Zögern, kein Hätte-Wäre-Könnte. Keine Ausreden, sondern einfach der Wille, etwas zu tun, und dann die konsequente Umsetzung. Trotz aller Widerstände. Denn wer einen Weg sucht, findet Lösungen, die für alle Beteiligten gut und richtig sind. Und drei Monate später haben wir unsere Traumhochzeit umgesetzt und sind zusammen gezogen und haben mittlerweile ein Kind. Und ich liebe ihn besonders dafür, dass er so ist, wie er ist. Geradlinig, furchtlos, stur, liebevoll und komplett unverlogen.
27.06.2014 19:53 •
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